Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundes­kanzler! Ihre Partei hat immer betont, wie sinnvoll es sei, die einzelnen Gebietskranken­kassen der Bundesländer in eine Kasse zu bringen, in die Österreichische Gebietskran­kenkasse. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Man hat die Patientenmilliarde sehr groß und laut propagiert, man hat gemeint, es werde einen schlanken Apparat und viele Vorteile für die Patienten geben.

Die SPÖ hat diese Patientenmilliarde immer sehr stark in Zweifel gezogen – mit Recht, wie sich jetzt herausstellt. Es liegt mittlerweile ein Rechnungshofbericht zur Zusammen­führung der Kassen vor. Fazit: Die Patientenmilliarde gibt es nicht, aber einen Mehr­aufwand von 214,95 Millionen Euro – Mehrkosten von fast 215 Millionen Euro! Herr Bun­deskanzler, welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 203/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Konsequenzen ziehen Sie als Bundeskanzler aus der Aussage des Rech­nungshofes, wonach die von der ÖVP forcierte Zusammenlegung der Krankenkassen an­stelle der versprochenen Einsparung von 1 Mrd. EUR einen Mehraufwand von 214,95 Mio. Euro brachte?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen, dass es bei 28 Krankenkassen und 9 Gebietskrankenkassen tatsächlich eine wichtige Maßnahme war, eine Effizienzreform durchzuführen. Und Sie haben recht, die Kosten, die Sie erwähnt haben, sind nicht zu bestreiten. Die Reform ist auch mitten in die Pandemie hineingefallen, und das, was wir auch immer gesagt haben – erinnern Sie sich! –, war, dass jede Reform, jede Strukturbe­reinigung zunächst einmal immer hoher Anschubfinanzierungen bedarf – das sehen Sie jetzt gerade an den Kosten, die Sie dargestellt haben –, aber dann im langfristigen Ver­lauf tatsächlich die Effizienzsteigerung und die Einsparungen mit sich bringt.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Man hat auch gemeint, die Leistungen wür­den harmonisiert werden, dass ist aber nicht der Fall. (Abg. Wöginger: 95 Prozent sind harmonisiert!) Welche konkreten Maßnahmen haben Sie für die Harmonisierung der Leistungen gesetzt, und – ich wiederhole – welche Schlüsse ziehen Sie aus dem Mehr­aufwand von 215 Millionen Euro?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: So, wie ich schon gesagt habe: Also der Mehr­aufwand ist dadurch begründet, dass die Anschubfinanzierung wichtig ist, um Struktur­reformen tatsächlich umsetzen zu können.

Man muss sich bei 28 Krankenkassen und 9 Gebietskrankenkassen schon vorstellen, wie umfassend dieses Projekt ist, und auch – das große Thema, erinnern Sie sich, das war damals eine große Diskussion, auch hier im Hohen Haus –, wie aufwendig es ist, an sich Leistungen von Krankenkassen, die zum Teil ganz unterschiedliche Entwicklungen hatten, zu harmonisieren. Man ist da bereits bei einem Stand von weit über 90 Prozent der Harmonisierung; der Weg wird dort, wo es möglich ist, fortgesetzt.

Die Österreichische Gesundheitskasse ist aus meiner Sicht ein Modell, das jetzt auch noch ein Stück weit unser Vertrauen braucht, dass die Systemveränderung, die Effi­zienzsteigerung – betreffend auch das, was Sie derzeit kritisieren, nämlich dass es jetzt noch mehr kostet, als es tatsächlich an Einsparung bringt – sichtbar wird und es dann tatsächlich harmonisiert ist.

Ich gehe davon aus, dass das in der langen Perspektive tatsächlich der Fall ist, denn wie gesagt: Diese Struktur von 28 Krankenkassen, 9 Gebietskrankenkassen, die unter­schiedlichen Leistungskataloge, der Anspruch der Versicherten, das alles wird jetzt in der ÖGK umgesetzt und aus meiner Sicht auch erfolgreich sein.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Saxin­ger. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Zur Kollegin Greiner: Die Krankenkasse wurde jetzt in Gesundheitskasse umbenannt – so viel zur richtigen Bezeichnung. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

In einem kleinen Land wie Österreich macht die Grundüberlegung einer zentralen bun­desweiten Gesundheitskasse Sinn. Die ÖGK wurde installiert – aus 21 mach 5 –, und bei der Umsetzung dieser Fusion ist meiner Meinung nach in dieser kurzen Zeit in man­chen Bereichen schon viel weitergegangen. Ich denke da an die Leistungsharmonisie­rung für die Versicherten für Heilbehelfe, für Hilfsmittel, Prothesen, Rollstühle, und es wurden auch einheitliche Rahmenbedingungen im Bereich der Physiotherapie, der Ergo- und der Logotherapie geschaffen. Gut Ding braucht bei so einem großen Projekt meiner Ansicht nach aber etwas Weile, und das Projekt wird mittelfristig auch gut funktionieren.

Die Pandemie hat auch die ÖGK vor große Herausforderungen gestellt, es wurde jedoch bundesweit rasch gehandelt. Über 50 Beschlüsse wurden gefasst.

Meine Frage: Welche Konsequenzen hätte die Nichtzusammenlegung der 28 Kranken­kassen für die Bekämpfung der Pandemie gehabt? (Abg. Leichtfried: Es wäre alles besser gewesen!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Herr Abgeordneter, das Ziel war ja genau, dass man auch Abläufe harmonisiert, nicht nur Leistungen, dass man schneller zur Entschei­dungsfindung kommt, dass man den Patientinnen und Patienten rasch helfen kann.

Wir sind mittlerweile im dritten Jahr der Pandemiebekämpfung. Ich bin froh, dass es jetzt eine effiziente Struktur gibt, die rasche Entscheidungen ermöglicht, und das immer im Sinne der Patientinnen und Patienten. Und es wird sich dann im langfristigen Vergleich herausstellen, dass, wenn vorher natürlich eine komplexe Struktur da war, auch lange gelebt wurde, dadurch auch eine Gewohnheit von unterschiedlichen Einflusssphären entstanden ist, da am Anfang die Effizienz auch zu einer Erschütterung führt und dass es da auch eine Kulturveränderung gibt, nämlich durch die Leistungsharmonisierung, durch die Entscheidungsfindung innerhalb der Strukturen.

Deshalb überrascht es mich nicht, dass es – gerade von Oppositionsseite her – nach wie vor auch eine Emotion zu diesem Thema gibt, aber gleichzeitig ist es wichtig, dass wir im Sinne der Patientinnen und Patienten die Effizienzsteigerung der ÖGK weiter vo­rantreiben und ihr, so wie Sie es vorhin schon ausgeführt haben, auch tatsächlich die Zeit geben, neben der Krisenbewältigung in der Pandemie auch ihre Strukturreform und vor allem die Leistungsharmonisierung in Ruhe weiter fortzusetzen.

Das alles wäre aus meiner Sicht nicht so, hätten wir nicht diesen wichtigen Schritt ge­setzt.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte.

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Schönen guten Morgen, Herr Bundes­kanzler! Eh auch zu diesem Themenkomplex: Generaldirektor Wurzer hat ja im Interview in der „ZIB 2“ selber davon gesprochen, dass der Rechnungshof ein wichtiger Partner ist und sich in diesem Rohbericht des Rechnungshofes ja auch durchaus eben viele Vorschläge finden.

Daher meine Frage: Der Rechnungshof hat in seinem Bericht zur Fusion der Kranken­kassen eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen. Welche dieser insbesondere auch ressortübergreifenden Maßnahmen sehen Sie als Bundeskanzler als zentral an, um das öffentliche Gesundheitswesen nicht nur abzusichern, sondern vor allem auch auszu­bauen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Also zum einen kann ich da die Haltung und die Linie des Generaldirektors nur unterstützen. Der Rechnungshof ist ein wichtiger Verbün­deter, gerade bei einem solch enorm großen Unterfangen, das nämlich dann in der Detailarbeit enorm aufwendig und komplex ist. Man denke nur an die EDV-Systeme, die harmonisiert, zusammengeführt werden müssen, damit tatsächlich die Leistung beim Patienten, bei der Patientin ankommt. (Abg. Stöger: Die waren ja zusammengeführt, sorry!) Es sind gerade jetzt herausfordernde Zeiten, und der Rechnungshof ist bei all dem aus meiner Sicht ein wichtiger Begleiter, weil er aufzeigt, wo vielleicht aufgrund der Größe der Reform blinde Flecken entstehen könnten, um dann genau dort einwirken zu können, auch vonseiten der ÖGK, um diese blinden Flecken wegzubekommen und noch effizienter in der Reform zu werden.

Das ist jetzt einmal ein Rohbericht, der vorliegt, das heißt, es muss sich jetzt auch die ÖGK mit den Details auseinandersetzen. Ich habe auch volles Vertrauen in Gesund­heitsminister und Sozialminister Johannes Rauch, der auch immer wieder selbst betont, dass er ein sehr engagierter und leidenschaftlicher Sozialpolitiker ist. Das heißt, in An­betracht der gemeinsamen Verbindung der Vielzahl der Herausforderungen bin ich da­von überzeugt, dass die Umsetzung der vom Rechnungshof empfohlenen Punkte, aber gleichzeitig auch der Reformfortschritt gut vorangehen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Hafen­ecker. – Bitte.