12.40

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Wertgeschätzte KollegInnen! Sehr geehrte ZuseherInnen hier auf der Galerie im Hohen Haus und auch zu Hause! (Die Rednerin stellt ein Foto, auf dem De­monstrantinnen mit ukrainischen Fahnen zu sehen sind, auf das Rednerpult.) Seit 135 Ta­gen herrscht Krieg in der Ukraine, ein Krieg, ausgelöst durch einen demagogischen Pa­triarchen, der zur Bestätigung seiner eigenen Macht und seiner toxischen Männlichkeit Menschenleben opfert. Wir kennen das von anderen toxischen Männern, die zu viel Macht haben. Darunter leiden alle: UkrainerInnen, RussInnen wie auch EU-BürgerInnen. Ein Teil dieses Leides zeichnet sich durch die Zahl der Todesopfer ab, die Zahl der schweren Verletzungen, die Zahl der geflüchteten Personen – mehr, als ganz Österreich BewohnerInnen hat, sind gerade auf der Flucht ‑, aber auch eine stetig ansteigende Zahl der Opfer sexualisierter Gewalt im Kriegsgebiet.

Lange wurden Vergewaltigungen in Kriegen von Forschung, Politik und Medien als Einzelfälle betrachtet oder gänzlich verschwiegen; oder es wurde gesagt, es ist der Trieb des Mannes, des Soldaten, gegen den man nicht eingreifen kann. Einen Wendepunkt in der öffentlichen Wahrnehmung dazu gab es erst Anfang der 1990er-Jahre, nachdem Massenvergewaltigungen aus dem Bosnienkrieg und aus dem Völkermord in Ruanda bekannt wurden. „Mit eigens zum Zwecke der Vergewaltigung bzw. der sexuellen Folter eingerichteten Lagern in der Mitte Europas hat die Gewalt gegen Frauen eine neue Stufe erreicht. Nach Ermittlungen einer Untersuchungskommission der Europäischen Gemein­schaft müssen die Massenvergewaltigungen und sadistischen Folterungen von Frauen in Bosnien-Herzegowina als systematische und befohlene Aktion betrachtet werden“, schreibt die Militärsoziologin Ruth Seifert in ihrem Essay „Krieg und Vergewaltigung“.

Ich denke, wenn ich etwas von Ruth Seifert lese, immer wieder auch an einen Freund meines Vaters, dessen Mutter den Zweiten Weltkrieg überlebt hat und von mehreren russischen Soldaten auf brutalste Weise vergewaltigt wurde. Die Folgen dieser Gruppen­vergewaltigung waren nicht nur die Schwangerschaft, also das Entstehen des Lebens des Freundes meines Vaters, sondern auch eine lebenslange Verletzung, psychisch wie physisch. Viele Frauen, die Opfer einer Vergewaltigung wurden, aus der eine Schwan­gerschaft entstanden ist, haben versucht, sich umzubringen, haben versucht, Abtreibun­gen durchzuführen, sind daran gestorben; und wenn sie es überlebt haben, haben sie ihr Leben lang nicht mehr darüber gesprochen, denn, werte Damen und Herren, wenn man etwas so Schmerzhaftes, wie es diese Frauen erleben, etwas in unserer Gesell­schaft so Tabuisiertes erlebt, dann ist das Schwierigste, was man tun kann, darüber zu sprechen. Ich danke meinen Schwestern, meinen Müttern und meinen Großmüttern im Geiste, die den Mut finden, darüber zu sprechen – mit Journalisten und Journalistinnen, die das meistens aufzeigen, damit auch wir hier in Österreich, im österreichischen Par­lament entsprechend Handlungen setzen können. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie der Abgeordneten Fiedler und Krisper.)

Erst 2008 hat der UN-Sicherheitsrat Vergewaltigungen und andere Formen sexualisier­ter Gewalt im Krieg als Kriegsverbrechen anerkannt. Damit können Täter und Täterinnen vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag nun verurteilt werden. Dass es bei Vergewaltigungen, sexuellen Missbräuchen und Völkermorden an Ahndung und Aufar­beitung mangelt, ist ebenso bekannt. Darauf hat auch meine Kollegin Bedrana Ribo in ihrer sehr emotionalen, berührenden Rede über die Mütter von Srebrenica, wozu bis heute keine vollständige Aufklärung stattgefunden hat, hingewiesen. Solche Tatenlosig­keit, solche Starre angesichts dieser Kriegsverbrechen darf sich nicht wiederholen. (Bei­fall bei Grünen und SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Besonders sexualisierte Gewalt zerstört nicht nur physisch Menschenleben, sie belastet emotional über Generationen ganze Familien und somit ganze Gesellschaften. Deshalb zählt sie laut dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofes zu den Ver­brechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen und muss dementsprechend geahndet werden.

Bundesministerin Zadić steht seit einiger Zeit im Austausch mit diversen Fachgremien und ExpertInnen, unter anderem mit der in Wien ansässigen UN-Untersuchungskommis­sion, welche sich mit der Aufklärung von Kriegsverbrechen, insbesondere sexualisierter Kriegsgewalt, befasst. Wir haben es dazu auch schon geschafft, 100 000 Euro zur Unter­stützung der Opfer zur Verfügung zu stellen. Das ist ein wichtiger erster Schritt, aber wir wollen mehr, und deswegen haben wir im letzten Gleichbehandlungsausschuss stim­menmehrheitlich einen Antrag verabschiedet. Der Antrag wurde von allen Fraktionen mitgetragen, nur von der FPÖ nicht.

Allerdings stimmt es mich hoffnungsvoll, dass wir mehrheitlich hier in diesem Hohen Haus dafür sind, den Opfern der sexualisierten Kriegsverbrechen beizustehen und diese Gewalttaten aufzuarbeiten. Besonders im Bereich der Schwangerschaftsabbrüche für geflüchtete Frauen braucht es rasche, kostenlose und niederschwellige Hilfsmöglichkei­ten. Für diese werden wir Grüne, gemeinsam auch mit anderen Fraktionen in diesem Hohen Haus, uns weiterhin einsetzen. Daher appelliere ich vor allem an die ÖVP: Han­deln wir dort, wo wir handeln können! Und ich ersuche auch Sie, werte KollegInnen von der FPÖ, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

12.46

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Henrike Brandstötter. – Bitte.