17.06

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Wir sprechen bei diesem Tagesordnungspunkt über den Bundesrechnungsabschluss und auch über die fiskal- und wirtschaftspolitischen Vorhaben der Europäischen Union. Ich denke, deswegen ist dieser Tagesordnungspunkt auch dazu geeignet, einmal darüber zu sprechen, welche Auswirkungen es auf genau diese Ziele haben wird, wenn man jetzt im Zuge dieser Sanktionen, die gegen Ungarn eingeleitet werden, auch entsprechende Auszahlungen seitens der EU vereiteln möchte.

Es lohnt sich, glaube ich, tatsächlich darüber zu diskutieren, denn dieser Rechts­staatsmechanismus, wie es so schön heißt, dürfte das neue Instrument dafür sein, um vielleicht aus Sicht der Europäischen Union unliebsame Regierungen in die Schranken zu weisen, und – ich möchte es so drastisch formulieren, wie ich es jetzt auch tue – man möchte eigentlich aus Brüssel heraus in einzelnen Mitgliedstaaten putschen. Ich denke, das ist ein Thema, das uns alle in diesem Parlament beschäftigen sollte, und gerade wir Österreicher sollten aus der Geschichte gelernt haben, dass man das nicht zulassen darf. Ich möchte an das Jahr 2000 erinnern, in dem Österreich eines der ersten Opfer dieser Brüsseler Bürokraten gewesen ist, als wir mit Sanktionen umgehen mussten, die absolut unverdient gewesen sind. Ich möchte auch daran erinnern, dass es unser Nachbarland und der mit uns befreundete Staat Ungarn gewesen ist, der uns damals zur Seite gesprungen ist.

Heute sehen wir eine andere Situation: Heute haben wir einen Othmar Karas, seines Zeichens Vizepräsident des Europäischen Parlaments, der sich schon nahezu diebisch darüber freut, dass man jetzt mit Ungarn das macht, was man tut, dass man Ungarn die demokratische Struktur aberkennt und so weiter und so fort. (Abg. Meinl-Reisinger: „Die demokratische Struktur aberkennt“!) Ich halte das für hoch problematisch. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Kollegin Meinl-Reisinger, der Grund, warum ich mich aber auch zu diesem Punkt zu Wort gemeldet habe, ist folgender: Ich möchte die ÖVP ein bisschen davor warnen, in die Doppelmühle hineinzulaufen, denn: Schauen wir uns doch einmal an, warum man gegen Ungarn vorgeht oder was die Argumente sind, um Ungarn die Rechtsstaatlichkeit abzuerkennen!

Da ist zum einen einmal die Diskussion rund um ein angebliches Justizsystem, das nicht unabhängig arbeiten kann. Ich möchte nur spiegeln, wie es derzeit in Österreich ist: Wir haben eine weisungsgebundene Staatsanwaltschaft, wir haben politisch eingesetzte Höchstrichter. Wir haben einen Höchstrichter, der zurücktreten musste, weil er sich ganz massiven Vorwürfen gegenübergesehen hat. Wir haben die Situation, dass der höchste Beamte in der Justiz, Herr Pilnacek, suspendiert worden ist – auch mit entsprechend schweren Vorwürfen belastet –, und wir haben einen Chef der Oberstaatsanwaltschaft Wien, der sich momentan auch einem Gerichtsverfahren ausgesetzt sieht, nämlich im Bereich der Staatsanwaltschaft Innsbruck. – Das ist der Zustand unserer Justiz, und dann diskutieren wir noch einmal über Rechtsstaatlichkeit und darüber, wie das in Österreich funktioniert.

Wenn dann noch Frau Ministerin Edtstadler darüber schwadroniert, dass man parlamentarische Untersuchungen erst dann durchführen dürfen oder können soll, wenn die gerichtlichen Untersuchungen abgeschlossen sind, dann bedeutet das, dass man auch noch das Parlament mit ausschalten würde.

Liebe Kollegen von der ÖVP, denkt bitte darüber nach, ob man die Feststellung genau dieser Mängel, die man in Ungarn bei der Justiz zu finden geglaubt hat, nicht auch bei uns anwenden könnte und ob uns das nicht als nächsten Fall für genau diese Sanktionen prädestiniert. Ich würde darüber nachdenken.

Vielleicht auch noch ein Beispiel zu dem, was Frau Edtstadler gesagt hat: Wenn wir tatsächlich die parlamentarische Praxis ändern und Untersuchungsausschüsse erst nach gerichtlicher Aufklärung machen, dann bedeutet dies, dass wir noch nicht einmal jetzt – 20 Jahre später – damit beginnen könnten, die Vorgänge um die Buwog aufzuklären. Man muss sich einmal vorstellen, was das heißen würde und ob man das wirklich will. – Ja, vielleicht möchte es die ÖVP haben, aber ich glaube, kein Parlamentarier hier herinnen kann so etwas befürworten. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man sich anschaut, was im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss und auch im Ibiza-Untersuchungsausschuss zutage gefördert worden ist, dann kann man klar erkennen, dass sich die ÖVP einen tiefen Staat zurechtgebastelt hat. Wenn man das alles sieht, erkennt man, dass das, was sie gemacht hat, wie sie sich im Innenministerium, im Justizministerium und im Finanzministerium – über das Landwirtschaftsministerium möchte ich gar nicht sprechen – fest­ge­setzt hat, auch ein Punkt wäre, den man genau bei diesem Rechtsstaats­mechanismus beleuchten müsste. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Es geht aber noch weiter. An Ungarn wird ja auch kritisiert, dass die Medien nicht frei sind. Was hat der Untersuchungsausschuss zutage gefördert? – Inse­ratenkorruption en masse: Die ÖVP und ihre Regierungsmitglieder haben im großen Stil Medien eingekauft. (Zwischenruf des Abg. Ofenauer.) Wenn man also das, was Ungarn vorgeworfen wird, auf Österreich umlegt, haben Sie da das nächste Problem – und über das Beinschab-Tool möchte ich gar nicht sprechen, denn damit hat man nämlich auch noch Fakenews produziert und die dann entsprechend an die Medien weitergereicht. Das ist das, was die ÖVP gemacht hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Der dritte große Punkt, mit dem man begründet hat, dass man dem ungarischen Nachbarn keine EU-Gelder mehr auszahlen kann, ist doch der Vorwurf der Korruption.

Sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP, darf ich Sie daran erinnern, dass es 13 ÖVP-Politiker sind, die sich momentan Korruptionsermittlungen gegenübersehen? 13 Stück von Ihnen, 13 Spitzenpolitiker der ÖVP haben gerichtliche Untersuchungen am Hals. (Zwischenrufe der Abgeordneten Baumgartner und Ofenauer.) Ich würde also nicht so flapsig damit umgehen, dass man in Bausch und Bogen den Ungarn Korruption vorwirft, wenn man selber diese Probleme am Hals hat.

Genau darum, meine sehr geehrten Damen und Herren, um uns nicht der Gefahr auszusetzen, dass wir selbst sozusagen in die Mühle der EU hineinkommen und dann seitens Brüssel vielleicht auch in Österreich irgendwann einmal ein Putsch inszeniert werden soll, sollte es unser erstes Ziel sein, dass wir diese Sanktionen, die gegen Ungarn jetzt erhoben werden – aus meiner Sicht ein reines Politikum –, harsch zurückweisen und dass wir uns auch so, wie es die Ungarn für uns gemacht haben, an die Seite unserer ungarischen Freunde stellen.

Deswegen bringe ich auch folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ablehnung schikanöser politischer Justiz gegen den EU-Mitgliedstaat Ungarn“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Das zuständige Mitglied der Bundesregierung wird aufgefordert, im Rat der Europäischen Union gegen die willkürlichen Strafmaßnahmen der Europäischen Kommission gegen den EU-Mitgliedstaat Ungarn zu stimmen.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren, seien Sie ehrlich: Wir können diese Maßnahmen gegen Ungarn nicht unterstützen. Es ist einfach ein Willkürakt, der da gesetzt worden ist. Wie gesagt, liebe ÖVP: Aufpassen, dass es euch zum Schluss nicht selber erwischt! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Taschner.  Abg. Meinl-Reisinger: Ich verstehe es nicht: Sie haben gerade gesagt, in Österreich wäre es auch schlimm und das wäre ein Grund für Sanktionen!)

17.12

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, MMMag. Dr. Axel Kassegger

und weiterer Abgeordneter

betreffend Ablehnung schikanöser politischer Justiz gegen den EU-Mitgliedstaat Ungarn

eingebracht in der 171. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 21. September 2022 im Zuge der Debatte zu TOP 7, Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2021 (III-654/1671 d.B.)

In seinem Bundesrechnungsabschluss setzt sich der Rechnungshof detailliert mit der Einhaltung der fiskalischen und wirtschaftspolitischen Vorgaben der EU auseinander (III-654 d.B. / Band 1). Es ist damit zu rechnen, dass die angedachten Mittelkür­zungen gegen Ungarn Auswirkungen auf den vom Rechnungshof  thematisierten Stabilitäts- und Wirtschaftspakt haben.

Erst vor wenigen Tagen kam es zu einem völligen Novum in der Geschichte der Euro­päischen Union: Die Europäische Kommission hat erstmals vorgeschlagen, einem Mitgliedstaat aufgrund mutmaßlicher rechtsstaatlicher Verstöße Zahlungen aus dem EU-Haushalt zu kürzen. Ihren Kontrahenten hat sich die Kommission dabei nicht zufällig ausgesucht. Es handelt sich vielmehr um eine geplante Strafmission gegen den EU-Mitgliedstaat Ungarn, dessen Regierung bekanntlich erst vor wenigen Monaten bei landesweiten Wahlen sich die Zustimmung einer breiten Mehrheit der ungarischen Bevölkerung sichern konnte und nicht willenlos dem EU-Mainstream folgt.

Konkret schlägt die EU-Kommission vor, dem Land Zahlungen in Höhe von rund 7,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt zu kürzen. Spätestens an dieser Stelle kommt auch Österreich ins Spiel, denn die Republik ist einer der Nettozahler der EU und sollte ein gehöriges Wörtchen bei der Mittelvergabe mitsprechen dürfen. Der nationale EU-Beitrag Österreichs hat sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt. Im Jahr 2000 betrug dieser noch rund 1,82 Milliarden Euro, 2021 belief selbiger sich auf 3,7 Milliarden Euro. Im Bundesvoranschlug 2022 ist ein EU-Beitrag Österreichs in Höhe von 3,6 Milliarden Euro angeführt. Über den gesamten Zeitraum hat Österreich immer mehr einbezahlt als zurückbekommen und war demnach stets Nettozahler. Hierzu ist anzumerken, dass die Schere zwischen den Einzahlungen und den Rückflüssen über die Jahre zuungunsten Österreichs weiter auseinanderging.

Ungarn wird von der Europäischen Kommission vorgeworfen, Defizite bei der Rechtsstaatlichkeit und der Unabhängigkeit der Justiz aufzuweisen. Außerdem stellt die Kommission das ganze Land unter Korruptionsverdacht und beklagt die vermeintliche Unfreiheit der ungarischen Medien. Es ist schon erstaunlich, was sich die Europäische Kommission hier leistet! Selbst hat sie gegen alle rechtlichen Bestimmungen verstoßen, als sie im Juni dieses Jahres die Ukraine zum EU-Beitritts­kandidaten küren ließ und die Chat-Absprache der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit dem Pfizer-Chef über einen Deal betreffend die Lieferung von 1,8 Milliarden Dosen Corona-Impfstoff blieb bis zum heutigen Tage vor der Öffentlichkeit verborgen. Doch all dies hindert die Kommission nicht daran im Rahmen des soge­nannten Rechtsstaatsmechanismus einzelne Mitgliedstaaten, welche sich gegen das Brüsseler Diktat zur Wehr setzen, zu bestrafen.

Besonders verwunderlich ist die Freude der ÖVP über diesen Schritt. So jubelte Othmar Karas (ÖVP), Erster Vizepräsident des EU-Parlaments:

„Der Rechtsstaatsmechanismus wirkt! Gut, dass die Kommission jetzt konsequent vorgeht“ (ORF.at 18.09.2022: EU will Ungarn 7,5 Mrd. Euro kürzen).

Denn gerade seine Parteifreunde haben die Republik Österreich in einen Zustand versetzt, der die Vorwürfe gegen Ungarn harmlos erscheinen lässt.

Im Wirrwarr der fast schon unzählbaren ÖVP-Affären und Skandale der letzten zwei Jahre hat sich eines klar herauskristallisiert: Die ÖVP hat längst einen Staat im Staat errichtet und zentrale Ressorts, wie Justiz, Inneres und Finanz mit Netzwerken aus Parteigängern und Günstlingen durchsetzt, die im Sinne der Schwarzen agieren oder eben zudecken und verhindern. Wie kann man sich daher gerade in Österreich anmaßen, von einer unabhängigen Justiz zu sprechen, wenn zahlreiche Verfahren gegen hohe Beamte des Justizressorts bis hin zu einem Richter des Verfassungs­gerichtshofes anhängig sind?

Auch Korruptionsskandale sind der ÖVP kein Fremdwort, nicht ohne Grund laufen derzeit Ermittlungen oder hat es Ermittlungen gegen insgesamt 13 ÖVP-Politiker gegeben. Wie frei die Medien in Österreich noch sind, lässt sich ebenfalls an der grassierenden Inseratenkorruption der ÖVP ablesen, bis hin zum Verdacht des Missbrauchs von Steuergeldern im sechsstelligen Bereich, um als politische Partei von manipulierten Umfragen eines Meinungsforschungsunternehmens profitieren zu können. An dieser Stelle sei auch das schamlose Anzapfen von Hilfsgeldern, um die Parteikasse zu sanieren, erwähnt, ebenso das Instrumentalisieren von ehrenamtlichen Organisationen. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Nicht ohne Grund möchte EU-Ministerin Mag. Karoline Edtstadler deswegen die Arbeit von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen torpedieren, indem diese ihre Arbeit erst nach Abschluss der Ermittlungsverfahren, welche in Österreich bekanntlich sehr lange dauern können, aufnehmen können sollen. Interessant ist, dass sie bei dieser Forderung mittlerweile Unterstützung der grünen Justizministerin Dr. Alma Zadić erhält.

Der Willkürakt der Europäischen Kommission ist allerdings noch nicht in Stein gemeißelt, denn dieser muss erst mit qualifizierter Mehrheit im Rat der Europäischen Union beschlossen werden. Und es regt sich bereits Widerstand! Die polnische Regierung hat sich klar gegen diese politische Strafjustiz ausgesprochen, Regie­rungs­chef Mateusz Morawiecki führt diesbezüglich aus:

„Polen wird sich mit voller Kraft jeder Maßnahme der europäischen Institutionen widersetzen, die darauf abzielt, einem Mitgliedsstaat unrechtmäßig Mittel zu entziehen - in diesem Fall insbesondere Ungarn“ (Tagesschau 19.09.2022: Polen springt Ungarn bei).

Diesem Beispiel sollte die österreichische Regierung folgen!

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Das zuständige Mitglied der Bundesregierung wird aufgefordert, im Rat der Europäischen Union gegen die willkürlichen Strafmaßnahmen der Europäischen Kommission gegen den EU-Mitgliedstaat Ungarn zu stimmen.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christoph Matznetter. – Bitte.