18.39

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir begrüßen die Erwei­terung der Familienleistungen für die vorwiegend Frauen und Kinder, die vor dem Ukrainekrieg flüchten mussten. Welche Gräueltaten da verübt werden, haben wir auch schon in gemeinsamen Anträgen zu sexueller Gewalt, die in der Ukraine als Kriegswaffe verwendet wird, thematisiert. Auch in der Europastunde wurde es wirklich eingehend diskutiert, und das ist auch sehr wichtig so.

Gerade deshalb ist es wichtig, jenen Familien, Kindern und Frauen unsere Unterstützung zukommen zu lassen, ausreichend Unterstützung, denn wie es ist, mit dem Kind an der Hand, nur mit dem, was man anhat, und vielleicht noch mit einem Stofftier, einem Kuscheltier in der anderen Hand zu flüchten, das kann man sich selber wirklich nicht vorstellen.

Es ist uns aber auch ein Anliegen, dass alle Familien, Frauen, Kinder, die flüchten, gleichbehandelt werden. Flucht ist immer etwas Traumatisierendes, etwas Dramatisches. Kinder, die aus zerbombten Häusern flüchten müssen, haben alles zurückgelassen und brauchen immer unsere Hilfe, egal, woher sie kommen. Sie brauchen unsere Unterstützung, und dazu haben wir uns mit der Kinderrechts­konvention, die in Österreich in weiten Teilen auch in Verfassungsrang steht, auch bekannt. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist auch wichtig, dass neben diesen armutssichernden Familienleistungen genügend Kinderbetreuungsplätze und Bildungseinrichtungen geschaffen werden, und zwar für alle Kinder in Österreich. Wir sehen, dass Baukosten mit der Teuerung explodieren und Kommunen, die Krabbelstuben und Kindergärten bauen, nun mit neuen Rechnungen konfrontiert werden, die in die Höhe geschnellt sind und viel mehr ausmachen als ursprünglich geplant. Deshalb möchte ich noch einmal betonen, dass ein kommunales Entlastungspaket da wirklich extrem, extrem wichtig wäre, weil wir auch sehen, dass die 15a-Vereinbarung, die vor dem Sommer beschlossen worden ist, nicht ausreichen wird, weil sie von der Inflation aufgefressen wird, und deshalb eben auch all diese Kosten, auch für die Kinderbildung, zu hoch sind, als dass sie von einer 15a-Vereinbarung gestemmt werden könnten. Es muss das Ziel sein, dass es in diesem Land ab dem ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf Kinderbildung gibt. Ich begrüße es ausdrücklich, dass die SPÖ Tirol das ganz zentral in den Vordergrund rückt und auch als Koalitionsbedingung aufstellt. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht verständlich ist – und ich sehe das leider nicht so wie Sie, Frau Kollegin Neßler –: Innerhalb der ÖVP sagt Anton Mattle Ja, die Landesrätin sagt Nein. Wer garantiert uns überhaupt, dass Anton Mattle nach dem Wahltag in der ÖVP noch jener ist, der die Fäden zieht? Sagen wir das einmal so! (Abg. Hörl: Die ÖVP! Die ÖVP!) Das ist wirklich ein Hü und Hott, und erst im Mai hat sich auch die zuständige Abteilung des Landes, die ÖVP-geprägt ist, in Bezug auf eine Petition dezidiert gegen einen Rechtsanspruch ausgesprochen. All das sind problema­tische und nicht sehr vertrauenswürdige Rahmenbedingungen. Keine Frau kann damit planen, kein Kind kommt zu seinem Recht auf Bildung. Wir wollen diese Haltung zum Rechtsanspruch heute aber noch einmal auf die Probe stellen.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva-Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rechtsanspruch auf ganztägigen, kostenfreien Kinderbildungsplatz ab dem 1. Lebensjahr“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt, der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, einen Rechtsanspruch auf ganztägigen, kostenfreien Kinder­bil­dungsplatz ab dem 1. Lebensjahr sicherzustellen.“

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

18.42

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva-Maria Holzleitner, BSc, Petra Wimmer, Genossinnen und Genossen

betreffend Rechtsanspruch auf ganztägigen, kostenfreien Kinderbildungsplatz ab dem 1. Lebensjahr

eingebracht im Zuge der Debatte Antrag der Abgeordneten Norbert Sieber, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird (2718/A)

Im August 2022 veröffentlichte die Statistik Austria die aktuelle Kindertages­heimstatistik 2021/221) und deckte einmal mehr Mängel und Versäumnisse in der österreichischen Kinderbetreuung und Elementarpädagogik auf. Besonders dramatisch ist die Tatsache, dass der Anteil jener Kinder, die in VIF-konformen Einrichtungen2) betreut werden, im letzten Jahr sogar gesunken ist. Bei den bis Zweijährigen gab es österreichweit einen Rückgang von 64,0 Prozent auf 59,8 – wobei 2021 nur 29,1 Prozent dieser Altersgruppe überhaupt eine Krippe bzw. Kleinkindgruppe besuchten. Bei den Drei- bis Fünfjährigen (Betreuungsquote: 93,8) sank der Anteil von 51,8 auf 49,3 Prozent. Besonders groß war das Minus etwa in Niederösterreich mit einem Rückgang bei den Jüngsten von 51,1 auf 44,4 und bei den Älteren von 41,5 auf 31,4 Prozent.3) Statt mehr Kinderbildungsplätze zu schaffen, preist die Bundesregierung nun eine „Kinderbildungsmilliarde“, die keine ist. In der jüngsten 15a Vereinbarung betreffend Elementarpädagogik wurden die jährlichen Mittel lediglich um rund 50 Millionen Euro erhöht, dabei braucht es eine Milliarde jährlich, um einen Rechtsanspruch zu ermöglichen. Eine Mogelpackung also, die angesichts explodierender Baukosten, notwendiger Lohnerhöhungen aufgrund der Teuerung für die Pädagoginnen und Pädagogen sowie der ohnehin schon ange­spannten Budgetsituation der Gemeinden bei weitem nicht ausreicht. Dass Eltern immer schwerer eine qualitativ hochwertigen mit Vollzeitjobs vereinbaren Bildungs- und Betreuungsplatz für ihre Kinder finden, ist untragbar. Schwierige Arbeits­bedingungen und die schlechte Bezahlung führen außerdem dazu, dass viele Beschäftige aufhören oder in andere Branchen wechseln. Erste Gruppen mussten bereits schließen oder ihre Öffnungszeiten aufgrund zu wenig Personal einschränken. Aufgrund dieser familien- und bildungsfeindlichen Politik ist auch ein deutlicher Rückgang des Kinderbetreuungsangebots in Österreich zu befürchten.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt, der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert einen Rechtsanspruch auf ganztägigen, kostenfreien Kinderbildungsplatz ab dem 1. Lebensjahr sicherzustellen.“

1 https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/bildung/kindertagesheime-kinderbetreuung

2 https://www.kinderbetreuungsatlas.at/pdf/FACT%20SHEET%201_VIF_Indikator.pdf

3 https://oesterreich.orf.at/stories/3173671/

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Andrea Kuntzl. – Bitte.