16.04

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! (Ruf bei der FPÖ: Wie war die Wahlparty in Tirol?) Werte Vertreter:innen der Bundes­regierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! (Abg. Rauch: Haben Sie in Tirol auch gefeiert? – Abg. Hafenecker: Haben Sie die SPÖ im Burgenland auch besucht?) Wir debattieren den Krieg in der Ukraine jetzt seit 24. Februar. Ich spreche hier meistens nach Redner:innen der Freiheitli­chen Partei, und es macht mich jedes Mal wieder fassungslos, mit welcher Men­schenverachtung, mit welcher Ignoranz dem Leid der ukrainischen Bevölke­rung von Ihnen begegnet wird. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir hören während unserer Reden hier permanent Zwischenrufe. Insbeson­dere – besonders viele! – wenn eine Frau spricht (Rufe bei der FPÖ: Moi!), wie bei Kollegin Edtstadler, ist es wesentlich lauter als sonst. Zum Beispiel die Zwi­schenrufe von Herrn Abgeordneten Schrangl (Heiterkeit und Rufe bei der FPÖ: Der ist gar nicht da! – Abg. Zarits: Der ist nie da ... selber zugegeben! – Zwischenrufe bei der FPÖ): Er ruft während der Rede von Herrn Lopatka heraus, um zu beto­nen, dass er eigentlich die Werte nicht teilt. Wir teilen diese Werte nicht, sagt er. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Leicht­fried.) – Ich möchte Sie schon daran erinnern, Herr Abgeordneter, worauf Sie an­gelobt sind: auf unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, die stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze (Abg. Kickl – erheitert –: Die haben Sie zweieinhalb Jahre lang eisern befolgt!) und aller anderen Gesetze und gewissen­hafte Erfüllung aller Pflichten. – Darauf sind wir alle hier angelobt.

Diese Angelobung bedeutet, dass wir die Demokratie hochhalten, dass wir die demokratische Debatte, selbstverständlich auch die Gesetze, die in diesem Land gelten, und selbstverständlich auch die Werte, die damit verbunden sind, hoch­halten. Das ist hier unsere gemeinsame Basis. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wenn Sie diese Werte, wenn Sie dieses Gelöbnis nicht einhalten wollen, dann packen Sie bitte Ihre Taschen und verlassen Sie dieses Parlament! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Heftiger Widerspruch bei der FPÖ. – Abg. Kickl: Aha, das ist jetzt ein neuer Weg ...!) Es ist einer Demokratie nicht wür­dig, auf die Art und Weise zu argumentieren, wie Sie das tun. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.) Seit dem 24. Februar sind wir wenige Hun­dert Kilometer von hier mit einem Krieg in der Ukraine - - (Anhaltender hef­tiger Widerspruch bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ruhe!) – Herr Präsident, würden Sie vielleicht - -

Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrte Frau Klubvorsitzende, natürlich ist es so, dass es, wenn man Mandatare auffordert, das Parlament zu verlassen, dann laut werden kann. Ich ersuche trotzdem darum, die Frau Klubvorsitzende im Weiteren aussprechen zu lassen (Abg. Martin Graf: ... was ist mit der los?), aber Sie haben auch ein Mikrofon, Sie werden sich durchsetzen. – Bitte schön.

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (fortsetzend): Seit dem 24. Februar sind wir we­nige Hundert Kilometer von hier mit dem Krieg in der Ukraine konfrontiert, der unseren Alltag und unsere politische Debatte bestimmt. (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Du vertrittst nicht ihre Werte!) Nach wie vor verfolgen wir alle hier – oder zumindest vier von fünf Parteien – gebannt die neuesten Mel­dungen aus der Ukraine. (Abg. Kassegger: Ein Highlight des Parlamentarismus! – Abg. Belakowitsch: ... wissʼ ma eh!)

Voller Schwere und schmerzlicher Eindrücke erreichen uns die Bilder: Babys, die in Bunkern, die vorher U-Bahn-Stationen waren, geboren werden, Menschen, die fliehen, Menschen, die getötet werden, Frauen, die vergewaltigt werden, Frau­en und Männer, die zur Waffe greifen müssen, um ihr Land zu verteidigen. Da­bei wollen sie einfach in Frieden leben. Es ist unvorstellbar, dass das seit Mo­naten mitten in Europa vor unseren Augen passiert. Kein Mensch soll es erleben müssen – niemand! –, und niemand soll dieses Leid verharmlosen, auch hier die Freiheitliche Partei nicht. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Martin Graf: ... Werte, die Opposition zu verbieten!)

Das ist kein Krieg zwischen zwei Parteien, sondern ein brutaler, völkerrechtswid­riger Angriffskrieg eines Despoten, der sich über alles geltende Recht hinweg­setzt und Leid und Tod von Hunderttausenden Menschen nicht nur hin­nimmt, sondern aktiv zu verantworten hat: Wladimir Putin. (Abg. Hafenecker: Kön­nen Sie nicht frei sprechen? Wer hat Ihnen diesen Blödsinn aufgeschrieben?) Vor diesem Hintergrund stehen wir in Europa und in Österreich vor einer Zeitenwende, wie es Bundeskanzler Scholz ausgedrückt hat. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Es kann und wird kein normales Weiter-wie-bisher geben können. Auch das hat Vizekanzler Kogler mehrmals klargemacht. Wir sind solidarisch mit der Ukraine. Und ein Wort wie Solidarität als Unwort des Jahres zu bezeich­nen, wie Sie das hier tun, Frau Steger, das ist letztklassig. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Steger: Weil es missbraucht wird! – Abg. Hafenecker: Darf sie noch bleiben oder muss sie jetzt gehen? – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Auf der anderen Seite steht Wladimir Putin, ein Despot, der seine Interessen ohne Rücksicht auf Verluste und Menschenleben verfolgt. Dieser Krieg ist unmenschlich und bestialisch, und er muss aufhören. Putin steht aber nicht al­leine da, denn seit Jahren – und wir haben darauf aufmerksam gemacht und dagegen angekämpft – hat er seine Vasallen in der Europäischen Union instruiert (Abg. Stefan: Van der Bellen, oder wen meinen Sie? – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), rechte und rechtsextreme Parteien verteilt auf dem ganzen Kontinent. (Rufe bei der FPÖ: Van der Bellen?) Das sind etwa der ehemalige Front National in Frankreich, die Lega in Italien (Abg. Kickl: Der amtierende Bundespräsident! – Abg. Stefan: Van der Bellen, oder wen meinen Sie denn? Van der Bellen 2015, war das ein Putin-Troll?), die AfD und hier in Österreich die Freiheitliche Partei.

Putins Angriffskrieg hat uns unweigerlich vor Augen geführt, dass wir uns in den letzten Jahrzehnten in eine gefährliche Abhängigkeit begeben haben, und da hat die Freiheitliche Partei ganz aktiv mitgeholfen, mit Ihren Selfies vor dem Kreml – wir erinnern uns! –, mit Ihren Unterwerfungsgesten – die Kollegin hat für Sie Bilder davon zur Auffrischung Ihrer Erinnerung mit. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kickl: Der Präsident hat sogar in seinem Buch etwas über Putin geschrieben! – Abg. Stefan: ... Van der Bellen 2015! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Auf der Suche nach immer billigerem Gas haben wir uns in diese Abhängigkeit gebracht – und diese Abhängigkeit muss enden. (Abg. Wurm: Das ist eine armselige Rede, armselige Rede! – Abg. Hafenecker: Ganz schlechte Rede!) Wir ha­ben vom ersten Tag unserer Regierungsbeteiligung an als grünes Ziel fest­gesetzt (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), dass wir aus dieser Abhängigkeit herauskommen müssen, aus der Abhängigkeit von russischem Gas, aber natürlich mittelfristig aus der Abhängigkeit von den Fossilen ganz grundsätzlich. (Abg. Hafenecker: Ich hoffe, Sie haben damals auf Ihrem Foto keinen russischen Champagner getrunken! – Ruf bei der FPÖ: Krimsekt!)

Allen voran Energieministerin Leonore Gewessler ist es zu verdanken, Schritt für Schritt, Speicherstand für Speicherstand, dass wir für diesen Winter einen Teil unserer Freiheit und Unabhängigkeit sichern können. Wir sind selbstverständlich noch lange nicht am Ende dieser Reise angekommen, und es wird noch schwie­rig genug werden (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), aber wir sind auf einem viel­versprechenden Weg.

In dieser Auseinandersetzung müssen wir nicht nur in Österreich geeint daste­hen. Wer sich lieber auf die Seite des Kriegsverbrechers Putin stellt, das sehen wir jeden Tag: Das ist die Freiheitliche Partei (Abg. Martin Graf: Blödsinn! – Ruf bei der FPÖ: Das ist eine Unterstellung!), die Freiheitliche Partei, die nichts zur Lösung der Krise beiträgt, sondern im Gegenteil, die russische Propaganda weitertreibt (Ruf bei der FPÖ: ... ein Schwachsinn!) und damit auch aktiv die Spaltung betreibt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Und was lösen Sie? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Vor diesem Hintergrund müssen uns auch die Erfolge rechter und rechtsextre­mer Parteien in Europa Sorgen bereiten, denn wir wissen: Wer die europäi­sche Idee angreift, wer Europa angreift, der greift auch den Frieden in unseren Ländern an. Wir brauchen Durchhaltevermögen und keinen Alarmismus (Abg. Belakowitsch: Durchhalteparolen ...!), denn die Sanktionen zeigen Wirkung. Die Wirtschaft in Russland bricht ein: 6 Prozent Minus, 10 Prozent Minus. (Abg. Belakowitsch: Ja, aber unsere auch!) Die russische Kriegswirtschaft funktio­niert nicht mehr (Abg. Deimek: Und wir sind in der Kriegswirtschaft! Aber das ist Ih­nen zu hoch, da fehlt es am Intellekt! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ) so, wie sie es sollte, wenn es nach Putin ginge, weil die technischen Komponenten für die Nachrüstung für diesen Krieg fehlen. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Diese Sanktionen haben starke Wirkung, und sie schwächen Russland massiv. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Und uns mehr!)

Ich darf das deutsche „Handelsblatt“ zitieren: „Das westliche Embargo bedeutet, dass Russland keine Tech-Komponenten kaufen kann. Die Nachrüstung der kriegsgebeutelten Streitkräfte wird damit verhindert, die Kriegsmaschinerie des Kremls nachhaltig geschwächt. Europa steht ein schwieriger Winter bevor, Russland dauerhaftes Siechtum.“

Wer also so wie die Freiheitliche Partei sagt (Abg. Kickl: Toll! Ja, großartig, sehr stabilisierend für Europa!), die Sanktionen bringen nichts, sagt damit keine unangenehme Wahrheit, sondern betreibt ausschließlich die russische Lügen­propaganda. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der Internationale Währungsfonds erwartet für Russland eine tiefe und lange Rezession, in diesem Jahr soll die Wirtschaftsleistung um 6 Prozent schrumpfen, und für 2023 setzt der Fonds ein weiteres Minus an. Ich wiederhole mich: Wer behauptet, die Sanktionen hätten keine Wirkung, der betreibt russische Pro­paganda und betreibt damit auch die Spaltung Europas!

Eines steht fest, für mich, für unsere Partei, für diese Regierung, für vier Parteien in diesem Parlament jedenfalls (Abg. Hafenecker: Das ist nicht fair gegenüber dem Landeshauptmann von Oberösterreich! – Zwischenruf des Abg. Amesbauer): Die Freiheit, die Souveränität und das Lebensrecht der Menschen in der Ukraine dürfen kein Preisschild haben. Daher unterstützen wir sie gemeinsam mit der EU wirtschaftlich und mit sofortiger humanitärer Hilfe. Es ist klar, was zu tun ist: Wir stehen aufseiten der Ukraine, die Sanktionen gegen Wladimir Putin und Russ­land wirken, sie sind der richtige Weg.

Und zum Dritten: Wir müssen raus aus der dreckigen fossilen Energie, um unsere Unabhängigkeit und unsere Freiheit zu sichern. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Dann macht es, bitte! – Abg. Schroll: 639 Tage! – Ruf bei der FPÖ: Noch nie so eine schlechte Rede gehört! – Abg. Schroll: 639 Tage!)

16.13

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Klubvorsitzende Mag. Beate Meinl-Reisinger. – Bitte, Frau Abgeordnete.