19.08

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Hohes Haus! Was heute kurz vor dieser Sondersitzung durch eine eigens eilig dafür einberufene Justizausschusssitzung durchgepeitscht wurde, ist schon etwas ziemlich Eigen­artiges gewesen. Die Regierungsfraktionen wollen temporär unsere Verfas­sung ändern und das Mitspracherecht der Bundesländer ausschalten. Da fängt man schon ein wenig zum Nachdenken an: Warum machen Sie das? – Die Erklärung der Ministerin lautet: Damit in der Sanktionspolitik der Vollzug der Län­der einheitlich ist. Das aber würde doch eigentlich bei allen Bundesgesetzen so sein, die im Vollzug der Länder liegen – oder etwa nicht?

Gibt es eine Staatskrise, in welcher man unser föderalistisches System bis Ende 2023 beschneiden und durch ein Ermächtigungsgesetz ersetzen muss? Weiß unsere Regierung eigentlich, dass Ende 2023 der Ukrainekrieg oder zumindest die EU-Sanktionen vorbei sein werden? Oder fürchtet die Bundes­regierung vielleicht die Länder? Fürchten Sie einen Landeshauptmann Dosko­zil? Fürchten Sie eine vielleicht zukünftige Landeshauptfrau aus Salzburg Marlene Svazek? (Heiterkeit bei ÖVP und Grünen. – Abg. Lukas Hammer: Nein, da­vor fürchten wir uns nicht!) Haben Sie vielleicht die Angst, dass im Bundesrat die Mehrheitsverhältnisse kippen könnten? (Abg. Schwarz: Vor euch fürchten wir uns schon, aber ...!)

Die vorherige Rede des Kollegen Minnich von der ÖVP habe ich überhaupt nicht verstanden. – Ich glaube, Sie waren nicht im Ausschuss oder vielleicht war nur Ihr Mitarbeiter, der die Rede geschrieben hat, im Ausschuss. Sie haben hier auf die Tränendrüse gedrückt und erklärt, warum die EU-Sanktionen so wichtig sind. Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es aber darum, unter welchen Vo­raussetzungen Ausnahmen von den EU-Sanktionen geschaffen werden. Unsere Haltung zu den Russlandsanktionen ist klar und hinlänglich bekannt: Weg damit, lieber heute als morgen! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie sich dazu nicht durchringen können, dann machen Sie doch zumindest eine Volksbefragung! Auch das werden Sie aber nicht machen, weil diese Bun­desregierung nichts mehr fürchtet als das eigene Wahlvolk.

Sie haben das Vertrauen in der Bevölkerung und die demokratische Mehrheit längst verloren. Sie kleben an Ihren Sesseln bis zum nächsten regulären Wahltermin in zwei Jahren, und bis dahin sind Sie hörige Empfänger der Befehle aus Brüssel und machen sich damit zu willfährigen Handlangern der Nato – ist gleich der Amerikaner. Die österreichische Neutralität wird dabei mit Füßen getreten, und Aussagen wie: Bei einem Angriffskrieg kann man nicht neutral sein!, zeigen, dass unsere Regierungspolitiker Neutralität nicht verstanden haben.

Wenn man vorhin die Wutrede von Werner Kogler gehört hat, dann hat man geglaubt, im Hohen Haus spricht ein im Krieg stehender Stellvertreter Selenskyjs und kein grüner Vizekanzler eines neutralen Landes.

Sie verstehen auch nicht, dass es nicht nur die viel zitierte verfassungsrechtli­che Neutralität gibt, die von unserer Bundesregierung auf eine reine Bünd­nisfreiheit reduziert wird und durch EU-Recht teilweise derogiert wird. Es gibt auch eine völkerrechtliche Neutralität Österreichs, die nicht durch EU-Recht aufgeweicht werden kann und die wesentlich mehr als eine Bündnisfreiheit ist. Diese völkerrechtliche Neutralität ist das, was außenpolitisch das Maßgebli­che ist, und diese völkerrechtliche Neutralität wird durch unsere Staatsspitze, vom Nochbundespräsidenten bis zu unseren Regierungsmitgliedern, igno­riert. (Beifall bei der FPÖ.)

Damit läuft man Gefahr, dass unsere Neutralität international nicht mehr anerkannt und respektiert wird. Russland hat das ja bereits kundgetan. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist ein sehr gefährliches Spiel, was un­sere Regierungspolitiker da treiben.

Was nützt uns die praktisch nicht gelebte und daher international immer weniger anerkannte Neutralität, wenn wir sie selbst nicht verteidigen können? Was nützt es uns, wenn wir zwar von freundlichen Staaten umgeben sind, aber kei­nerlei Schutz vor Angriffen aus der Luft haben? Wir sind zwar gut in der passiven Luftraumüberwachung – unsere Radargeräte sind top –, aber zu einer aktiven Luftraumverteidigung sind wir überhaupt nicht in der Lage, nicht einmal ansatz­weise! Unsere paar, dank Darabos veralteten, Eurofighter befähigen uns vielleicht zum Identifizieren von Fluggeräten, zumindest bei Tag und bei gutem Wetter. Eine Luftraumverteidigung ist damit aber nicht zu machen. Einem Marschflugkörper, ganz egal, wo er herkommt, ob aus Russland oder von irgend­wo anders her, hätten wir nichts, rein gar nichts entgegenzusetzen! Und das ist verantwortungslos, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Wer so schwach ist wie wir – und damit meine ich nicht nur militärisch, sondern damit meine ich auch unsere wirtschaftliche und energiepolitische Abhängig­keit –, der sollte die Füße schön stillhalten und seine Neutralität mit Leben erfül­len und hochhalten. Was macht aber unsere Regierung? – Sie zündelt im euro­päischen Verbund und verschärft somit noch die ohnehin schon angespannte Si­cherheitslage.

Diese Sanktionen werden den Krieg nicht beenden. Die Waffenlieferungen, die auch durch unser Land geführt werden, werden das Leid der Ukrainer nur ver­längern und vergrößern. Unsere Politiker sollten eigentlich auf die eigenen Leute schauen und sie nicht zum sogenannten Zähnezusammenbeißen zwingen. Unsere Bundesregierung hat uns längst ungefragt in einen Wirtschaftskrieg hi­neingezwängt und riskiert damit den Wohlstand in unserem Land, den die Nachkriegsgeneration mühsam aufgebaut hat.

Erklären Sie unseren Bürgern die Rekordinflation! Erklären Sie unseren Mindestpensionisten, dass sie sich Strom und Heizung nicht mehr werden leisten können! Erklären Sie unserer heimischen Wirtschaft und der Industrie die teilweise Verfünfzehnfachung des Strompreises, die viele in den Ruin treiben wird!

Europa wird zu den großen Verlierern dieses Krieges zählen. Sich freuen und wirtschaftspolitisch profitieren werden die Amerikaner. – Danke für nichts! (Beifall bei der FPÖ.)

19.14