13.04

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Da­men und Herren! Werte Regierungsmitglieder! Vor allem aber werte Ös­terreicherinnen und Österreicher! Herr Bundeskanzler, Sie wissen aber schon eines: Heute hätte Ihr Tag sein können. Heute hätte Ihr großer Tag sein können, das hätte vor wenigen Minuten Ihr großer Auftritt sein können. Sie hätten heute die Gelegenheit gehabt, sich ein wenig vom niederösterreichischen Partei­sekretär weg in Richtung eines Staatsmannes, der Sie so gerne wären, zu entwickeln. Sie hätten hier heute die Möglichkeit dazu gehabt.

Sie hätten die Möglichkeit dazu gehabt, indem Sie Verantwortung für den korruptiven Sumpf der Österreichischen Volkspartei, deren 100-Prozent-Ob­mann Sie ja sind, auch zu 100 Prozent übernehmen. Sie hätten diese Gelegenheit gehabt, wenn Sie erklärt hätten, wie Sie Ihre Volkspartei an Haupt und Glie­dern radikal erneuern wollen. Sie hätten auch die Gelegenheit gehabt, diesen Schritt zu setzen, wenn Sie selber derjenige gewesen wären, der den Weg frei für Neuwahlen gemacht hätte, als Akt der tätigen Reue gegenüber der Be­völkerung. Das wäre tausendmal mehr wert als Ihr Süßholzgeraspel, das Sie heute hier abgegeben haben! (Beifall bei der FPÖ.)

Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich eines – und Sie werden es dann von den eigenen Leuten auch hören –: Sie haben es vergeigt! Nichts davon ist passiert, nicht einmal ansatzweise. Mir zeigt das halt auch wieder, dass das Sprich­wort stimmt: Man kann mit Gewalt keinen Bock melken. – Das ist die Geschichte. Sie machen weiter wie bisher: Abschütteln der Verantwortung, Kindesweglegung, Abputzen, Ablenken und eine unglaubliche Wehleidigkeit in Richtung Unschuldsvermutung und Vorverurteilung (Abg. Steinacker: Weil’s ja wahr ist!), die Sie bei Ibiza nicht einmal ansatzweise gemerkt haben! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie müssen sich selbst fragen, wie glaubwürdig das ist. Für mich ist das eine Realitätsverweigerung in einer Dimension, die mich an einen gewissen Herrn Ceaușescu in seiner Endphase erinnert. (Rufe bei der ÖVP: Unglaublich!)

Sie haben heute eine Rede gehalten, die im Grunde genommen dort, wo es um das Thema gegangen ist, einen Satz wiederholt, den Sie unmittelbar nach dem Auffliegen dieses ganzen Geständnisses Ihres Intimus, des Mannes aus dem Inner Circle der Österreichischen Volkspartei, des Thomas Schmid, schon gesprochen haben, und dieser Satz lautet: Ich habe das Land durch die Krise zu führen (Ruf bei der ÖVP: Wer sonst?!), und die Justiz soll die Ermittlungen führen! – Das heißt auf gut Deutsch: Das geht mich ja alles nichts an, ich bin ja nur Parteiobmann der Österreichischen Volkspartei, das geht mir am Aller­wertesten vorbei, und ich habe wichtigere Dinge zu tun! – Das ist das, was Sie auch heute wieder vermittelt haben.

Erstens einmal, Herr Bundeskanzler, sage ich Ihnen – und das halten wir jetzt ein für alle Mal fest –: Sie führen dieses Land mit Sicherheit nicht durch die Krise, schön wär’s. Das genaue Gegenteil ist der Fall, es ist ganz genau umge­kehrt: Sie führen die Krisen, eine nach der anderen, durch dieses Land! Das ist ein ganz, ganz wesentlicher Unterschied. Denken Sie einmal darüber nach! Das bedeutet nämlich, dass Sie – und mit Ihnen die gesamte Bun­desregierung – die Menschen nicht vor Bedrohungen, vor Schäden und Gefah­ren schützen, sondern dass Sie diejenigen sind, die diese Bedrohungen, die­se Schäden und diese Gefahren – dort, wo Sie sie nicht selbst verursachen – zu­mindest noch viel schlimmer machen, als sie sein müssten. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist ja das Problem! Das war bei Corona so: Die Coronamaßnahmen waren ein totalitärer Angriff auf die Grund- und Freiheitsrechte und ein Milliar­dengrab obendrein. Das ist dort so, wo Sie uns unverantwortlich in einen Wirtschaftskrieg hineinziehen, in dem wir als neutrales Land aber schon gar nichts verloren haben, und das ist dort so, wo Sie angesichts der neuen Völkerwanderung kläglich versagen – ich sage nur Rekordzahlen, ich sage nur Zeltlager, und ich sage nur Straßenschlachten, gerade erst gestern! Das ist Ihre Erfolgsbilanz, Ihre Stabilität! (Beifall bei der FPÖ.) Allein dafür verdienen Sie den Misstrauensantrag, den wir heute einbringen!

Zweitens, Herr Bundeskanzler, zeigt uns dieser Satz, dass Sie noch etwas überhaupt nicht verstanden haben: Sie haben nicht verstanden, dass es in der öffentlichen Debatte um Machtmissbrauch und Korruption und den tiefen Staat der ÖVP nicht primär um die Frage geht, gegen welche strafrechtlichen Paragrafen verstoßen wurde oder auch nicht. (Ruf bei der ÖVP: Verschwö­rungstheoretiker!) Meine Güte! Ob Herr Sobotka, Herr Wöginger, Herr Blümel, Herr Kurz, Herr Steiner und wie sie alle heißen, am Ende gerichtlich bestä­tigt bekommen, dass sie Verbrecher sind, das wird sich zeigen, und am Ende wird sich dann auch zeigen, ob die ÖVP eine kriminelle Organisation ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist aber nicht das Problem, vor dem wir heute stehen. Das Problem, das Kernproblem, das Sie haben, ist ein ganz anderes: Das ist Ihre hochgradige mo­ralische Verwahrlosung, dass Sie nicht mehr wissen, was man tut und was man nicht tut, was sich gehört und was sich nicht gehört! (Ruf bei der ÖVP: Da redet der Richtige!) Darum geht es in dieser Debatte, genau darum! (Beifall bei der FPÖ.)

Kann man Ihnen überhaupt noch irgendein Wort glauben, nicht nur allgemein, sondern vor allem auch dann, wenn es um Sauberkeit geht? Kann man guten Gewissens einen Funken Vertrauen in diese Österreichische Volkspartei inves­tieren, wenn es darum geht, die Korruption zu bekämpfen? Haben Sie – diese Frage muss man sich in der Zwischenzeit stellen – mit Ihren Spitzenreprä­sentanten überhaupt die charakterliche Eignung, Spitzenpositionen der Republik einzunehmen? – Die Antwort ist ganz einfach: Nein, nein und noch ein­mal nein! – Das ist die Antwort auf diese Kernfragen.

Wissen Sie, wie ich zu diesem Urteil komme? – Ich sage nur: Verhaltenskodex der Österreichischen Volkspartei. Klingelt es jetzt bei Ihnen? Klingelt es bei Ihnen, Herr Bundeskanzler? Das ist ja Ihr Verhaltenskodex! Das ist ja Ihr mora­lischer Kompass! Jetzt plötzlich spielt die Moral keine Rolle mehr. Das ist Ihre moralische Selbstverpflichtung, die Sie sich auferlegt haben, um Ihr politi­sches Handeln zu bestimmen! Das haben Sie selbst gemacht! Wir erlauben uns nichts anderes, als Sie an diesen eigenen Maßstäben zu messen.

Herr Abgeordneter Stocker, so viel zum Thema Heiligenschein der Scheinheiligen: Der Verhaltenskodex der Österreichischen Volkspartei, das ist der Heiligenschein der Scheinheiligen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Stocker.)

Meine Güte, Herr Bundeskanzler, ich habe Ihnen ein Schmankerl mitgebracht, weil ich jetzt nicht weiß, was für Sie als Bundeskanzler und als Parteiobmann gilt. An zentraler Stelle dieses ÖVP-Verhaltenskodex heißt es – ich darf zitieren –: Politische Moral und Ethik müssen „über die strikt einzuhaltende Rechts­ordnung“ hinausgehen. Ja, das ist das, was für Sie gilt, und heute stellen Sie sich hierher – und auch Herr Stocker – und sagen, dass das, was Sie sich selber vorgegeben haben, alles nicht mehr gilt und dass nur mehr die Rechtsordnung gilt. Ja was jetzt? Ja was jetzt? Was? (Beifall bei der FPÖ.)

Sie nehmen sich ja selber moralisch nicht mehr ernst! Da dürfen Sie sich nicht wundern, wenn die Bevölkerung das genauso macht und wir Sie auch mo­ralisch nicht mehr ernst nehmen! Es ist ja kein Zufall, dass bei Ihnen nur mehr Strafverteidiger ans Pult treten. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.) Das ist alles Lug und Trug und Heuchelei ausgehend von den höchsten Repräsentanten des Staates, und auch dafür sind diejenigen rücktrittsreif, die das in Ihrer Partei offenbar verinnerlicht haben, und diejenigen, die das alles duldend mit ermöglichen!

Noch etwas habe ich Ihnen aus diesem wunderbaren Machwerk, aus diesem Verhaltenskodex mitgebracht. Ich darf zitieren: „Wer öffentliche Aufgaben wahrnimmt, hat eine Vorbildfunktion, er verkörpert die Sichtbarkeit eines guten politischen Verhaltens und steigert damit das Vertrauen in Staat und Politik. Daher ist für politische Funktionsträgerinnen und Funktionsträger ein strenger Maßstab nicht nur bei der Wahrnehmung der öffentlichen Auf­gaben, sondern auch im allgemeinen Verhalten notwendig.“ (Abg. Lopatka: Was ist da schlecht dran? Was stört Sie an dem Kodex?)

Jetzt frage ich Sie als Parteiobmann und Bundeskanzler: Herr Nehammer, glauben Sie allen Ernstes, dass der Präsident des Nationalrates hinter mir, der dem ja auch unterliegt, dem auch nur ansatzweise gerecht wird? Glauben Sie das wirklich? Und wenn Sie das glauben, dann sage ich Ihnen eines: Dann ist ja wirklich Hopfen und Malz verloren, dann ist ja überhaupt nichts mehr zu retten! Und wenn Sie es nicht glauben, ja dann frage ich mich: Warum lassen Sie dann zu, dass er weiter diese Institution des Nationalratspräsidenten missbrau­chen darf? Ist er vielleicht der heimliche Parteiobmann? Hat er Sie alle so sehr in Geiselhaft, dass Sie sich nicht befreien können?

Wöginger August, du wirst dich zu Wort melden, du wirst es uns verraten! Uns hat er jedenfalls nicht in Geiselhaft, das kann ich Ihnen sagen. Wir als Frak­tion misstrauen diesem Nationalratspräsidenten schon lange, da hat es das Ge­ständnis des Herrn Schmid gar nicht gebraucht. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben aber halt nicht die Möglichkeit, weil die Rechtsordnung das nicht hergibt, dass wir ihm einen entsprechenden Misstrauensantrag vor die Füße knallen oder dass wir einen Antrag auf seine Abwahl stellen. Das ist nicht vorgesehen. Deswegen möchte ich etwas anderes machen: Ich möchte ihm dieses Misstrauen auf symbolische Art und Weise zum Ausdruck bringen.

Herr Nationalratspräsident, schauen Sie her! Ich habe Ihnen etwas mitgebracht. (Der Redner sowie die Abgeordneten der FPÖ halten rote Karten in die Höhe.) Das kommt aus dem Fußball. Das ist die rote Karte für Sie, für die Art und Wei­se, wie Sie Politik machen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe nicht nur eine rote Karte für Sie mitgebracht, Herr Nationalratsprä­sident, sondern auch einen Appell, der ja auch aus den Reihen der Öster­reichischen Volkspartei kommt, aber die sind nur zu feig - -

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ihre Redezeit ist zu Ende. Ich darf Sie bitten, zum Schlusssatz zu kommen. (Ruf: 10 Minuten!)

Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Ermöglichen Sie es bitte, dass der Umzug des Parlaments ins neue Haus ohne Sie stattfindet! Das wäre Ihre größte politische Leistung. Sie könnten Compliancebeauftragter bei Johanna Mikl-Leitner oder Vorsitzender des ÖVP-Ethikrates werden. Für den Kronzeugen ist es zu spät, da war Herr Schmid schneller als Sie. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

13.14

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Klubobfrau Sigrid Maurer. – Bitte.