9.54.08

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Bevor ich zum Thema der Aktuellen Stunde komme, noch ein paar Worte als Replik gegenüber der FPÖ, was die Rede von Wolodymyr Selenskyj morgen im Parlament angeht.

Es muss von einer Partei im österreichischen Nationalrat erwartet werden können, dass man sich im Völkerrecht auskennt und einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg unterscheiden kann von einem Land, das angegriffen wird. – Punkt eins. (Beifall bei NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Punkt zwei: Es gibt genau eine einzige Partei im österreichischen Nationalrat, die in Verdacht steht, aus Russland, vom Kreml finanziert zu sein, und das ist die FPÖ. – Das ist Punkt zwei. (Abg. Steger: Und die NEOS von Haselsteiner!)

Als Punkt drei stelle ich fest, dass die Einzigen, die hier Verrat am österreichi­schen Volk begehen, indem sie sich von autoritären Diktaturen aus dem Ausland möglicherweise finanzieren lassen, Sie sind, liebe FPÖ. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Zur Aktuellen Stunde: Ich habe ein wenig den Eindruck, das ist eine Beschwich­tigungsrede gewesen, die ganz stark auf dem Motiv der Selbsttäuschung auf­baut. Österreich ist nicht gut durch die Krise gekommen, unser Land ist nicht gut durch die Krisen gekommen, und das wissen Sie, denn das zeigen alle Daten.

Beginnen wir einmal bei der Inflation: Die Menschen in Österreich leiden stärker als die Menschen in anderen europäischen Ländern unter der Teuerung, weil die Teuerung höher ist und stärker steigt als in anderen europäischen Län­dern, auch die Kerninflation ohne Energiepreise gerechnet. Das heißt, das ist nicht gut. Die Menschen leiden tagtäglich beim Einkauf. Wir sind nicht gut durch die Krise gekommen.

Punkt zwei: das Wachstum, das Sie angesprochen haben. Na ja, wenn man ein Land so oft und so lange zusperrt, wie Sie das als Bundesregierung ge­macht haben, dann ist es kein Wunder, dass 2022 das Wachstum deutlich stärker wieder angesprungen ist – aber für heuer trübt es sich schon wieder ein. Im Vergleich zum Wirtschaftswachstum in anderen europäischen Ländern, die in der Pandemie auch ein anderes Krisenmanagement gemacht haben, steht Österreich einfach nicht gut da.

Dritter Punkt: Sie loben sich selber – Selbsttäuschung! – dafür, wie viel Steuergeld Sie schuldenfinanziert, auf Pump, auf Kosten der Steuerzahler und auf Kosten der nächsten Generation, in die Hand nehmen und dass Sie wie der gütige Gutsherr den Untertanen Zuwendungen in Form von Gutschei­nen und Boni zukommen lassen, anstatt dafür Sorge zu tragen, dass die Menschen mit ihrem Einkommen auskommen können und selbstverständlich mehr Netto vom Brutto in der Tasche haben. (Beifall bei den NEOS.) Das ist keine gute Wirtschaftspolitik, das ist ein Versagen in der Wirtschaftspolitik auf dem Rücken der Menschen in Österreich!

Ich bin aber sehr dankbar dafür, dass Sie das Thema Arbeitskräftemangel angesprochen haben, Herr Minister, denn das ist meines Erachtens einer der größten Gefährder unseres Wohlstands, die wir aktuell sehen. Und das betrifft nicht nur – da möchte ich Sie korrigieren – die Betriebe, die händerin­gend nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern suchen, das betrifft mittler­weile jeden Menschen in Österreich. Man merkt es in den Schulen, es fehlen Lehrerinnen und Lehrer, man merkt es in den Kindergärten, es fehlen Pä­dagoginnen und Pädagogen. Man merkt es in den Gesundheitsberufen, wenn Abteilungen in den Krankenhäusern zugesperrt werden müssen, weil Pflegerinnen und Pfleger fehlen. Man merkt es in der Pflege von nahen An­gehörigen, dass es schwer ist, pflegende Personen zu finden. Und selbst­verständlich merken das auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ständig Überstunden machen müssen, weil viel zu wenige Leute im Be­trieb sind und sie das alleine stemmen müssen.

Das ist eine wirkliche Gefahr für unseren Wohlstand, für unseren Standort und auch, wie ich finde, für das Wohlbefinden und das gute Leben der Österrei­cherinnen und Österreicher. (Beifall bei den NEOS.)

Und das ist auch hausgemacht: In Österreich sind so viele Stellen unbesetzt wie in keinem anderen Land. In Österreich sind 4,6 Prozent der Stellen unbesetzt, in Deutschland 4,4 Prozent, in der Eurozone 3,1 Prozent und EU-weit 2,8 Prozent. Das heißt, auch da steht Österreich im europäischen Vergleich wesentlich schlechter da als andere Länder.

So, was ist zu tun? – Da gibt es zum einen einmal das Arbeitskräftepotenzial von Frauen, von denen wir wissen, dass viele gerne mehr arbeiten würden, aber nicht die Wahlfreiheit haben, weil die ÖVP seit Jahrzehnten den Ausbau von Kin­derbetreuung blockiert und eine konservative Familienpolitik betreibt. (Bei­fall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.) Es geht aber zum anderen auch um die Frage des Wettbewerbs um die besten Köpfe.

Jetzt komme ich zu einem ganz wesentlichen Punkt: Sie fahren in den letzten Monaten eine Politik à la „wir wollen euch nicht“. Der Kanzler stellt sich hin und sagt, es war ein Fehler, Gastarbeiter aufzunehmen – das ist ein Schlag ins Gesicht für viele Menschen, die nach Österreich gekommen sind und ihre Leis­tung gezeigt haben und zum Wohlstand Österreichs beigetragen haben. Mit einer ausländerfeindlichen Politik werden Sie nicht die qualifizierten Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer in unser Land holen, die wir dringend brau­chen. Mit einer Blockade des Schengenbeitritts von Rumänien und Bul­garien stoßen Sie genau die Pfleger:innen vor den Kopf, die wir so dringend brauchen. Sie müssen in dieser schlechten Wirtschaftspolitik umkehren. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Weil Salzburg erwähnt wurde: In Niederösterreich zeigen Sie gerade, was passiert, wenn Schwarz und Blau zusammengehen: eine ausländerfeindliche Politik am Rücken der Wirtschaft, am Rücken der Menschen. Salzburg darf nicht Niederösterreich werden, und Österreich darf nicht Ungarn werden! Das würde dem Standort massiv schaden. (Beifall bei den NEOS und bei Abge­ordneten der SPÖ. – Abg. Ottenschläger: Lösungsvorschläge haben Sie keine!)

9.59

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kopf. – Bitte sehr.