Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Bundespräsident, ah, Herr Präsident! (Allgemeine Heiterkeit.) – Ich verspreche, ich wähle dich nicht, Wolfgang.

Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

264/M

„Warum verweigert bzw. verhindert die Bundesregierung – wider besseren Wissens, Rat von Expert:innen und Erfahrungen aus anderen Ländern – ernsthafte ordnungspolitische Maßnahmen zur Bekämpfung der Inflation in Österreich, die mittlerweile die höchste in Westeuropa ist und verschlechtert damit permanent Österreichs Position im Euroraum?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Matznetter. Das möchte ich gleich am Anfang zurückweisen. Wir haben natürlich einen sehr intensiven Austausch mit Expertinnen, Experten aller Ausrichtungen, und es liegt an der Bundesregierung, Entscheidungen zu treffen.

Vielleicht noch einmal ganz kurz, ich habe auch in der letzten Sitzung versucht, es zu erklären: Es gab letztes Jahr – bei sehr unsicherer Lage, bei massiv gestiegenen Großhandels- und Erzeugerpreisen – eine Strategie, die Wirtschaft und die Kaufkraft zu stabilisieren. Das ist uns gelungen angesichts dessen, was wir an Zahlen haben.

Jetzt sind die Erzeugerpreise geringer, und es geht jetzt darum, dass die gesunkenen Erzeugerpreise möglichst rasch auch an die Unternehmen und die Haushalte weitergegeben werden. Daher ist es jetzt wichtig, den Wettbewerb zu stärken – da haben wir ein Paket vorgelegt –, noch stärker auf den Energie­bereich zu schauen, als wir das bisher gemacht haben, die Grenze der Übergewinn-, der Zufallsgewinnsteuer runterzusetzen und bei Gebühren und bei staatlich reglementierten Preisen Zurückhaltung zu zeigen. Das wirkt sich direkt auf die Inflationsrate aus. Es ist klar, dass die Inflation eine Seite der Medaille ist, die zeigt, dass wir letztes Jahr ein höheres Wachstum gehabt haben und wir deswegen dieses Jahr eine etwas höhere Inflation in Österreich haben als viele andere europäische Staaten. Jetzt geht es aber darum, gemeinsam – und das tun wir in der Bundesregierung – alles zu tun, dass die Inflationsrate nach unten geht. Wir werden natürlich auch gemeinsam mit allen, die Einfluss auf die Preise haben, sprechen, wie das gelingen kann.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Bundesminister Kocher, Sie wissen es ja schon aufgrund Ihrer Expertise und ich weiß es ganz genau, dass eine der wesentlichen Positionen im Warenkorb die Mieten für Wohnungen sind.

Warum hat die Bundesregierung den schon einmal zugesagten Weg, nämlich die Erhöhungen um 9 bis 10 Prozent in allen Verträgen zu Wohnraum rückwirkend für das heurige Jahr zivilrechtlich zu verbieten, nicht eingeschlagen? Wir würden die Rendite des Betongolds heruntersetzen und hätten sofort eine direkte Wirksamkeit bei der Reduktion der Inflationsrate.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Auch über die Mieten haben wir sehr intensiv mit Expertinnen und Experten gesprochen, auch dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Was die Regierung hätte machen können, wäre eine Beeinflussung der Richtwertmieten, das hätte ungefähr 400 000 Wohnungen betroffen. Eine Herabsetzung oder Aufteilung auf mehrere Jahre hätte, und das haben uns alle gesagt, eine Inflationsratenreduktion von 0,1 bis 0,2 Prozentpunkten bewirkt. Das kann man diskutieren.

Man hat sich für ein anderes Modell entschieden, das treffsicherer ist, nämlich für das Modell, dass die, die besonders große Schwierigkeiten haben, über die bestehenden Wohnkostenzuschüsse der Länder unterstützt werden, und hat noch einmal den Schirm, den es gegen Delogierungen gibt, ausgeweitet, ganz, ganz zielgerichtet für die Gruppen, die es wirklich brauchen.

Die andere Maßnahme wäre sehr, sehr breit gewesen, weniger treffsicher und auch nur für Richtwertmieten, für einen kleinen Teil der gesamten Wohnungen in Österreich.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordnete Sieber. – Bitte.

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Guten Morgen, Herr Minister! Die Inflation und die Teuerung bewegen und belasten die Menschen in Österreich, und wenn man sich die Zahlen der Statistik Austria genau ansieht, dann sieht man, dass sogenannte Einelternhaushalte – also Haushalte mit einem alleinerziehenden Elternteil – von dieser Teuerung besonders betroffen sind und da vor allem auch die Armut sehr ausgeprägt ist, dicht gefolgt von Haushalten mit mehr als drei Kindern, also von kinderreichen Haushalten, die davon ebenso stark betroffen sind.

Meine Frage an Sie wäre: Welche aktuellen Maßnahmen setzt die Bundes­regierung, um gezielt diesen von der Inflation besonders betroffenen Gruppen die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sieber. Wir haben ja von Anfang an den Fokus auf Familien und Menschen gelegt, die besonders bedürftig und dadurch stärker von der Inflation betroffen sind. Wir haben schon letztes Jahr im Sommer gemeinsam die sogenannte 13. Familienbeihilfe beschlossen. Wir haben – in diesem Jahr wirksam – die Indexierung der Familien- und Sozialleistungen beschlossen. Wir haben letztes Jahr beschlossen, dass die Abschaffung der kalten Progression zu zwei Drittel automatisch passiert, zu einem Drittel in den untersten zwei Einkommensklassen der Einkommensbesteuerung, das ist noch einmal eine Stärkung dieser Bereiche. Und wir haben jetzt, im Ministerrat letzte Woche, noch das Paket zur Bekämpfung der Kinderarmut mit einer Erhöhung der Notstandshilfe und der Arbeitslosenunterstützung und der Sozialhilfe für Kinder in den jeweiligen Materien geschnürt. All das versucht, genau da zu unter­stüt­zen, weil wir wissen, dass der Effekt der Inflation dort am stärksten ist.

Das, was wir an Zahlen haben, zeigt uns, dass gerade in diesen Bereichen die Kaufkraft letztes Jahr stark stabilisiert wurde, im Durchschnitt sogar gestiegen ist.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Zeit!

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher (fortsetzend): Das heißt nicht, dass es nicht einzelne Familien gibt, die große Schwierigkeiten haben. Die werden jetzt aber auch noch einmal mit Spezialprogrammen über die Sozialhilfe, über die Länder, über viele andere Möglichkeiten unterstützt. – Danke, ich wurde darauf hingewiesen, dass die Zeit aus ist.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Stögmüller. – Bitte.

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister! Wir wissen ja aus den Statistiken, dass die Inflation der Republik Österreich über dem westeuropäischen Durchschnitt liegt, gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit sehr niedrig und die Beschäftigung hoch.

Mich würde besonders interessieren: Welche Daten liegen denn dem Wirtschaftsministerium hinsichtlich der Entwicklung der Kaufkraft und auch der verfügbaren Einkommen seit Beginn der Teuerungskrise vor? Zusätzlich vielleicht auch noch: Worauf führen Sie die österreichische Einkommens­entwicklung zurück, Herr Minister?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Wir haben Daten von der Statistik Austria, aber ich verlasse mich meistens auf die Daten der OECD, weil da die Vergleiche mit anderen Staaten besser sind. Die Statistik Austria hat natürlich sehr, sehr gute Daten, aber die Vergleichbarkeit ist dann eben etwas schwieriger gegeben, weil es da spezifische Auswertungen gibt.

Was die Daten der OECD zeigen, ist, dass es seit Beginn 2022 ein Plus von 3,4 Prozent bei den verfügbaren Haushaltseinkommen gegeben hat, real, das heißt also inflationsbereinigt. Polen hatte einen etwas stärkeren Zuwachs, sonst sind wir Nummer zwei in Europa. Das heißt natürlich nicht, dass es keine Probleme gibt – das ist mir wichtig, ich habe es gesagt: die Verteilung ist natürlich entscheidend, auch innerhalb der verschiedenen Einkommensdezile –, aber es zeigt, dass über viele Einkommensschichten hinweg Kaufkraft erhalten wurde. Das liegt nicht nur an den Maßnahmen der Bundesregierung, sondern natürlich auch an den Lohn- und Gehaltsabschlüssen des letzten Jahres in den Kollektivvertragsverhandlungen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.