Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Die hohe Inflation hat uns wieder auf eine Problematik aufmerksam gemacht, die ja schon lange bekannt ist: Wir haben in Österreich viel zu hohe Lohnneben­kosten. Die führen dazu, dass die Menschen, die in Österreich arbeiten, obwohl sie gleich viel arbeiten und gleich produktiv sind wie die Menschen in anderen europäischen Staaten, deutlich weniger netto herausbekommen. Nicht nur die Unternehmen bezahlen mehr für Arbeit, sondern auch die Menschen, die arbei­ten, bekommen weniger, obwohl sie gleich viel arbeiten.

Ein Beitrag zu dieser Ungerechtigkeit kommt aus Ihrem Haus, nämlich die Arbeitslosenversicherung. Die Arbeitslosenversicherung ist in Österreich mehr als doppelt so hoch wie in der Schweiz und in Deutschland. Konkret ist es so, dass man in Deutschland 2,6 Prozent bezahlt, in der Schweiz 2,2 Pro­zent, in Österreich aber sind es 6 Prozent. Meine Frage, Herr Minister, an Sie ist:

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„Warum ist die Arbeitslosenversicherung in Österreich mehr als doppelt so teuer wie in Deutschland und der Schweiz?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Vielen Dank, Herr Abgeordneter, für die Frage, sie gibt mir die Gelegenheit, kurz zu erklären, worin die Unterschiede zwischen den Ländern bestehen. Ich stimme Ihnen natürlich zu, es ist wichtig, dass wir es schaffen, dass die Belastung des Faktors Arbeit idealerweise zurückgeht und nicht weiter steigt, denn sie ist in Österreich sehr hoch. Damit werden in Österreich aber auch sehr viele Leistungen finanziert – das ist der entscheidende Punkt –, und das sieht man auch, wenn man sich das im Vergleich zu Deutschland und der Schweiz anschaut. Man kann darüber diskutieren, woraus diese Leistungen finanziert werden sollen, aber sie müssen irgendwie finanziert werden.

Es ist natürlich so, dass in Deutschland aufgrund der Arbeitslosengeld-2-Reform, besser bekannt als Hartz-IV-Reform, ein Teil dieser Kosten, die in Österreich aus der Arbeitslosenversicherung getragen werden, aus anderen Töpfen getragen werden – deshalb geringere Arbeitslosenversicherungsbeiträge, weil eben die Notstandshilfe, wie sie in Österreich existiert, so in Deutschland nicht existiert. Ich halte es trotzdem so für gut, wie wir es haben, aber man muss immer berücksichtigen, welche Kosten damit verbunden sind.

In der Schweiz ist es zum Beispiel so, dass viele Arbeitsmarktausgaben, aktive Arbeitsmarktpolitik sich in den Händen der Kantone befinden und nicht auf Bundesebene liegen – dadurch natürlich auch geringere Beiträge zur Arbeits­losenversicherung.

Ich bin aber froh über die Vorstöße – auch immer aus Ihrer Fraktion –, die darauf hinweisen, dass die Belastung gerade durch Lohnnebenkosten besonders hoch ist. Ich glaube, das ist ein wichtiger Faktor, auf den wir in Zukunft noch stärker das Augenmerk legen müssen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Minister, die Frage der weiteren Leistungen, die Sie auch angesprochen haben, ist, glaube ich, sehr zentral, denn diese 6 Prozent sind ja kein Naturgesetz, die könnten ja verändert werden. Die Bundesrepublik Deutschland verändert den Prozentsatz auch regelmäßig, beispiels­weise je nachdem, wie sich die Arbeitslosigkeit entwickelt.

Konkrete Leistungen wie beispielsweise die Bildungskarenz, für die die Aufwendungen 2021 300 Millionen Euro ausgemacht haben, werden nachweislich zu einem guten Teil nicht vorrangig für die Bildung verwendet, sondern zur Verlängerung von bestimmten Zuständen. Man sagt, man nimmt die Bildung mit, aber ist gleichzeitig auch noch zu Hause, verlängert eine – sozusagen – Situation. Da liegt viel an Potenzial, um Kosten zu sparen, um in weiterer Folge die Arbeitslosenversicherung zu reduzieren. Welche Ansätze verfolgt Ihr Haus da?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Ich muss vielleicht darauf hinweisen, dass die Mittel, die aus der Arbeitslosenversicherung kommen, also die Einnahmen, in den letzten 15 Jahren, glaube ich – ich nenne jetzt nicht eine genaue Zahl, weil ich es nicht genau vorliegen habe, aber seit sehr langer Zeit –, nicht für die Ausgaben ausgereicht haben. Wir hätten also, wenn wir kostendeckend sein wollten, sogar erhöhen müssen. Das ist genau das, was mich auch mit etwas Sorge erfüllt. Letztes Jahr war der Unterschied zwischen den Ausgaben und den Einnahmen schon relativ gering. Wir gehen also in eine bessere Richtung.

Natürlich gibt es auch Leistungen, die aus der Arbeitslosenversicherung bezahlt werden, wie die Bildungskarenz. Dazu gibt es einen ganz aktuellen Rechnungs­hofbericht, den wir gerade analysieren, und wir werden natürlich über die Frage der Effektivität der Bildungskarenz diskutieren müssen, weil Qualifizierung aus meiner Sicht wichtig ist, sie aber so effektiv wie möglich sein sollte. Da komme ich in der nächsten Zeit, wenn wir den Bericht analysiert haben, gerne auf alle Interessierten zu.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Graf.

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Dank der professionellen und guten Arbeit des AMS, das ja auch in Ihr Ressort hineinfällt, konnten wir die Coronakrise sehr gut meistern, und ein Instrument, um Arbeitsplätze abzusichern, war eben auch die Kurzarbeit.

Jetzt haben wir mit der Kurzarbeit Arbeitsplätze sichern können – das war wirklich sehr gut, auch für die Betriebe; wir haben dadurch die Betriebe und die Mitarbeiterarbeitsplätze schützen können –, und jetzt sind wir wieder im Normalbetrieb, gehen von der Kurzarbeit wieder in einen Normalbereich hinein.

Da stellt sich jetzt natürlich auch die Frage: Die Budgetuntergliederung 23, Arbeit, hat Ausgaben in der Höhe von 9,27 Milliarden Euro veranschlagt – die Coronamaßnahmen haben natürlich einiges gekostet. Wie lauten die größten Ausgabenpositionen dazu und wie entwickeln sich diese bei Ihnen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Vielen Dank. Ich versuche, es ganz kurz zu machen, weil es eine Reihe von Ausgaben sind: Gut 2 Milliarden von diesen gut 9 Milliarden Euro sind Arbeitslosengeld, gut 1,5 Mil­liarden Notstandshilfe – also gesamt gesehen dann ungefähr 3,5 Milliarden. Dazu kommen noch die Pensionsversicherungsbeiträge für die Menschen in Arbeitslosigkeit, das sind noch einmal 1,3 Milliarden. Der Großteil geht also an Arbeitsuchende. Dann kommen Dinge wie Altersteilzeitgeld, Teilpension, Kranken- und Unfallversicherung, Weiterbildungsgeld und Bildungsteilzeit dazu. Insgesamt macht dieser Kostenteil fast 90 Prozent aus. Und dann sind noch die Ausgaben für die AMS-Verwaltung und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des AMS mit ungefähr 700 Millionen Euro, gesamt gesehen in Österreich, zu nen­nen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Zarits. – Bitte.