10.44

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Frau Präsidentin Metsola! Zuerst einmal danke – Sie werden es beim Applaus bemerkt haben, der von allen Fraktionen gekommen ist, was mich überrascht hat (Abg. Wurm: Wir sind höflich! – Abg. Belakowitsch: Das ist gutes Benehmen, Herr Lopatka!) – für eine klare Standortbestimmung, die Sie vorgenommen haben. – Bitte, Kollegen? (Abg. Wurm: Höflichkeit nennt man das!) – Ja, das war auch richtig, weil das Applaus verdient hat, was hier gesagt worden ist (Abg. Belakowitsch: Nein!), meine Damen und Herren, und das geht weit über Höflichkeit hinaus. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sie haben das Entscheidende angesprochen, weil es die Stärke der Europäischen Union sein muss, dass wir eine Werte- und auch eine Sicherheitsgemeinschaft sind, denn diese Europäische Union ist von einem Ring an Krisen umgeben, diese Europäische Union hat zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir in Europa Krieg haben, und da braucht es Mut. Die Europäische Union, die das manchmal nicht schafft, hat es geschafft, sich nach der Invasion Russlands in der Ukraine mutig und entschlossen auf die Seite der Demokratie, unserer Werte- und Rechtsord­nung zu stellen. Sie ist dadurch politisch stärker geworden und, was ganz, ganz wichtig ist, auch militärisch.

Diesen Mut brauchen wir auch in anderen Fragen, die noch nicht so gelöst sind, wie wir es als österreichisches Parlament gerne hätten. Die Migrationsfrage: Da müssen wir schon ehrlich sein, die Belastungen sind besorgniserregend, und wir brauchen einen robusten Außengrenzschutz. Wir brauchen da auch die Soli­darität aller Mitgliedstaaten. Daran müssen wir arbeiten.

Wir brauchen diesen Mut aber auch in Budget- und Wirtschaftsfragen, wollen wir im weltweiten Wettbewerb an der Spitze bleiben. Da sollte die Europäische Union schon auch im Auge behalten, dass dieses Next-Generation-Milliarden­paket eine Ausnahme bleiben sollte und nach der Coronakrise, nach diesen Belastungen durch den Krieg in der Ukraine dieser Schuldenberg auch wieder abgebaut wird. (Abg. Steger: Wie soll man ...? – Abg. Meinl-Reisinger: Das kommt von der Partei, die „Koste es, was es wolle!“...! – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Steger.)

Was ist für die Menschen wesentlich in dieser Europäischen Union? – Dass unsere Grenzen in der EU offen bleiben, und da brauchen wir diesen robusten Außengrenzschutz, und das Zweite: Erstmals hatten die Menschen die EU quasi in ihrer Hand, als sie den Euro gehabt haben, und wir müssen auch alles tun, damit der Euro eine starke Währung bleibt. (Ruf bei der FPÖ: „Bleibt“? – Abg. Belakowitsch: Wo ist denn der stark?) Daher ist meine Bitte, auch im Europäischen Parlament alles zu tun, damit dieser Schuldenberg nicht weiter anwächst.

Und wir brauchen den Mut, was die Europäische Union in den letzten Jahr­zehnten ausgezeichnet hat, neben der Vertiefung auch die Erweiterung realistisch voranzutreiben. (Ruf bei der FPÖ: ... sicher nicht mehr!) Sie wissen es, der Westbalkan ist für uns, für Österreich ein Herzensanliegen: Integration dieses Teils Europas in den Binnenmarkt einerseits, andererseits eine ehrliche und realistische Beitrittsperspektive. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Sie haben das Zusammenwirken des Europaparlaments mit nationalstaatlichen Parlamenten angesprochen. Da hat es in den letzten Jahrzehnten eine Entwick­lung gegeben: Die Zahl der Verordnungen hat sich seit 2000 verdreifacht. Es sind immer mehr Regelungen auch durch sogenannte delegierte Rechtsakte erfolgt. Da gibt es aber keine Subsidiaritätsprüfung, keine Mitwirkung der nationalstaatlichen Parlamente. Wir wollen mitarbeiten, und ich glaube, die Europäische Union ist gut beraten, immer den Nachweis zu führen, dass es einen Mehrwert hat, auf europäischer Ebene Regelungen zu schaffen – dann braucht es aber auch diese Subsidiaritätsprüfungen, die jetzt abgenommen haben.

Ich will nicht zu lange sprechen. Ich ersuche Sie, dass Sie beim Green Deal alles machen, damit wir da auf technologische Regelungen setzen und damit die Wettbewerbsfähigkeit weiterhin gesichert bleibt. Wir sind ein verlässlicher Partner, ein aktiver Partner der Europäischen Union. Wo es allerdings Fehlent­wicklungen gibt, werden wir uns auch zu Wort melden, wie beim Migrations­thema. Der Unterschied zu Rechtspopulisten wie der FPÖ, das muss ich direkt sagen, ist aber, dass wir bereit sind, unseren Beitrag zu leisten, dass wir uns solidarisch verhalten. (Abg. Meinl-Reisinger: Wo?) Das ist eine Grundvorausset­zung für eine gute Weiterentwicklung der Europäischen Union: solidarisch zwischen den nationalstaatlichen Parlamenten und dem Europäischen Parlament zusammenzuarbeiten.

In diesem Sinn: Herzlichen Dank für Ihr Kommen! Sie können sich auf das österreichische Parlament verlassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.49

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Leichtfried. – Bitte.