11.01

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Sehr geehrte Mitglieder der Bundes­regie­rung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Europäischen Parlaments! Ich darf uns alle nach dieser direkten Einspielung von Radio Moskau wieder hierher in die Realität des österreichischen Parlaments zurückholen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Ich darf Sie, Frau Präsidentin, auch von meiner Seite herzlich hier begrüßen und mich für Ihre Rede bedanken. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Wir freuen uns sehr, dass Sie heute hier sind und dass wir uns heute mit Ihnen auch über die aktuellen Herausforderungen Europas austauschen können. (Abg. Martin Graf: Kriegstreiberin!)

Es ist sehr klar, dass wir in Europa vor sehr großen Herausforderungen stehen. Gerade als gewählte Vertreterinnen und Vertreter von kleineren EU-Mitglied­staaten wissen wir sehr genau: Wir können diese vielen multiplen Krisen nur gemeinsam im engen europäischen Verband lösen (Beifall bei den Grünen), nämlich auf den Grundlagen der Solidarität, der demokratischen Prinzipien und des Rechtsstaats. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.)

Das betrifft sowohl den Umgang mit dem Völkerrechtsbruch und auch mit den grauenhaften Kriegsverbrechen Russlands, bei denen die EU der Ukraine durch die umfassende politische, finanzielle und auch militärische Unterstützung solidarisch zur Seite steht, und – wir haben es auch schon gehört – es betrifft ganz zentral natürlich auch den Kampf gegen die Klimakrise, die ökologische Transformation Europas, die wir mit dem Green New Deal erreichen wollen, die Stärkung unserer Unabhängigkeit von autoritären Ländern, von despotischen Regimen und deren Rohstoffen. Es betrifft Investitionen in Forschung und den Kampf gegen die Inflation, für soziale Sicherheit, um nur einige Bereiche zu nennen.

In all diesen Fragen sehen wir uns Krisen gegenüber, für die wir gemeinsame europäische Antworten brauchen, denn – und das sehen wir auch sehr schmerzhaft – die Zerstörung der europäischen Sicherheitsarchitektur durch Putin bedroht uns alle in Europa. Die Klimakrise kennt keine Ländergrenzen, wie wir auch ganz aktuell wieder durch diverse Umweltkatastrophen und durch die Zunahme von Extremwetterphänomenen sehen. Richten Sie Ihren Blick nach Italien! Das gilt auch für die wirtschaftlichen Krisen und für die sozialen Unsicher­heiten in unserer gemeinsamen Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion.

Das, was ich hier sage, ist eigentlich weder neu noch besonders schwer zu verstehen, doch während gemeinsames Handeln immer dringender wird, gibt es in der EU, in Österreich und auch hier im Hohen Haus – wir haben es gerade gehört – jene, die diese Logik leugnen. Ja, mehr noch: Es gibt Kräfte, die das Gegenteil behaupten. Doch auch, wenn diese Stimmen so laut rufen: Ihre Botschaften werden nicht wahrer. Kein einziges Problem ist durch Lügen und Leugnen gelöst worden, Kolleg:innen von der FPÖ. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Wir wollen gemeinsam und grenzüberschreitend für die besten europäischen Lösungen kämpfen: gemeinsam mit den Abgeordneten im Europäischen Parlament, gemeinsam mit den Abgeordneten in den Mitgliedstaaten, gemein­sam mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft, der Wissen­schaft und gemeinsam mit anderen Regierungen der Mitgliedstaaten.

Wohin ein Rückzug zum Nationalstaat führt, sehen wir gerade sehr schmerzhaft am Beispiel des Brexits. Der führt uns das sehr schmerzhaft vor Augen, und deshalb muss uns sehr bewusst sein, womit wir uns dann nächstes Jahr bei den Europawahlen beschäftigen, auseinandersetzen müssen, nämlich mit den verschiedensten Formen von Populismus: mit europafeindlichem Populismus und mit russlandfreundlichem Populismus (Abg. Wurm: ... einsperren ...!), mit Populismus, der die Klimakrise leugnet – ich höre gerade wieder, wie es mir entgegengebrüllt wird –, mit Populismus, der die Gesellschaft spalten und Zäune aufbauen möchte (Abg. Martin Graf: Was hat denn das mit dem Brexit zu tun?), und – auch das sei hier klar gesagt – mit frauen- und minderheitenfeindlichem Populismus. Wenn wir nach Ungarn und auch nach Polen schauen: Dort wird Frauen das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper gestohlen, und die Rechte von LGBTIQ-Personen werden mit Füßen getreten. (Abg. Hauser: Entscheidet das eine 5-Prozent-Partei ...?)

Wir werden uns dieser rückwärtsgewandten Ignoranz entschlossen und solida­risch entgegenstellen. (Abg. Belakowitsch: Mit Kleber? Anpicken?) Wir werden diese autoritären Tendenzen mit unseren demokratischen Freiheiten beant­wor­ten. Wir werden die Angstmache mit unserer Vision einer lebenswer­ten Zukunft in der Gesellschaft beantworten, nämlich in einer Gesellschaft, die auf Transparenz, auf Rechtsstaatlichkeit und auf Solidarität aufgebaut ist, ganz nach dem Motto: When they go low, we go high. (Beifall bei den Grünen.)

Die letzten so bewegten Monate haben gezeigt: Die EU wirkt. Putins Krieg hat die europäische Einigkeit nicht gefährdet, sondern maßgeblich gestärkt und den Einigungsprozess beschleunigt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.) Wir haben gezeigt, wie schnell und effektiv wir gemeinsam handeln können. Wir stehen stärker zusammen als je zuvor, und wir machen Europa gemeinsam unabhängiger. Wir sind auch die globalen Vorreiter:innen im Kampf gegen die Klimakrise, und das macht uns als EU handlungsfähig. (Beifall bei den Grünen.)

In diesem Sinne, Frau Präsidentin: Auf eine noch intensivere und fruchtbarere Zusammenarbeit zwischen den Parlamenten, für eine solidarische, für eine ökologische und auch für eine soziale Europäische Union! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.06

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Meinl-Reisinger. – Bitte sehr, Frau Klubobfrau.