11.06

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Herzlich willkommen bei uns im Hohen Haus! Ich freue mich, als offensichtlich einzige Klubobfrau heute hier sprechen zu dürfen.

Österreich ist seit nunmehr 28 Jahren Mitglied der Europäischen Union. Gestern habe ich hier eine recht flammende proeuropäische Rede gehalten und davon gesprochen, dass ich – obwohl natürlich noch jung an Jahren – schon alt genug bin, diesen Weg Österreichs in die Europäische Union damals miterlebt haben zu können, aber vor allem auch dieses Faktum, dass Österreich, das in meiner Kindheit noch am Rand Europas, an der Grenze zum Eisernen Vorhang gelegen ist, in die Mitte Europas gerückt ist, als Mitglied der Europäischen Union ins Herz Europas gerückt ist. Seitdem, würde ich sagen, tragen wir Österreich und Europa im Herzen.

Die Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union ist eine unheimliche Erfolgsgeschichte, eine Geschichte des Wachstums, des Wohlstands, des Aufstiegs, der Mitbestimmung, der Rechtsstaatlichkeit, des Durchlüftens und vor allem auch des eingelösten Versprechens des Friedens auf dem Kontinent. Daran müssen wir immer wieder denken.

Es hat mir sehr gut gefallen, Frau Präsidentin, dass Sie hier die Notwendigkeit der Veränderung und des Reinforcements, also der Stärkung der europäischen Institutionen und der Europäischen Union, angesprochen haben, denn ich bin überzeugt davon, dass nur in einer guten Begleitung dieses Wandels, in dem wir uns alle befinden, eine gute Zukunft für uns alle liegen kann.

Dieses Versprechen, das Europa abgibt, ist ja enorm, so gewaltig, dass Men­schen, wie jetzt am Wochenende in Moldau, zu Zigtausenden auf die Straße gehen und dieses Versprechen, Teil dieses Raums des Friedens und der Freiheit und des Wohlstands zu sein, für ihr Volk, für ihr Land eingelöst haben wollen, wie auch die Menschen in der Ukraine sich Europa zugewandt und, ja, von Russland abgewandt haben, weil sie in einer liberalen Demokratie, einer offenen Gesellschaft, die auf dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit basiert, leben wollen.

Die Geschlossenheit Europas in der Ukrainefrage ist notwendig. Ich finde auch, dass es uns mit Stolz erfüllen kann, wie sehr wir da geschlossen agieren, aber es muss uns bewusst sein, dass wir einen langen Atem haben müssen, denn unser Lebensmodell steht auf dem Spiel. Es geht nicht nur um eine moralische Frage, sondern tatsächlich um die Frage: Können wir unsere Werte, unsere offene Gesellschaft, unsere liberale Demokratie gegenüber Autoritarismus und Faschis­mus verteidigen, und zwar as long as it takes? Ich glaube, es ist auch wichtig, das heute zu betonen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

An dieser Stelle möchte ich schon sagen, dass diese Kräfte, vom Kreml ausge­hend, natürlich auch in Europa bedauerlicherweise an Boden gewinnen: antidemokratische Kräfte, Kräfte, die geschlossene Gesellschaften wollen, die eigentlich nicht diesen European Way of Life wollen und damit auch nicht dieses Wohlstandsversprechen, das Europa abgibt. Sie sitzen mit der FPÖ auch hier im Haus, und ich muss an dieser Stelle sagen, dass, wenn sich ausge­rechnet die FPÖ hier darüber beschwert, dass die Zustimmungswerte zur Euro­päischen Union in Österreich nicht gerade stark sind, mir das so vorkommt, als wenn ein Brandstifter ruft: Huch, da gibt es ja ein Feuer! (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) – Das ist wirklich unglaubwürdig. (Beifall bei NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Vielleicht noch eines: Ich habe noch nie eine so große Ungeheuerlichkeit gehört wie heute von Ihnen, Frau Fürst, als Sie gemeint haben, dass die Beitrittsper­spektiven, die Europa der Ukraine oder auch den Ländern am Balkan gibt, Kriegs­handlungen seien – sozusagen eine Steigerung des Konflikts. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ich finde das ungeheuerlich. Das ist kein selbstbewusstes Vertreten unserer europäischen Werte. (Abg. Kickl: Sie haben Ihre Meinung und wir haben unsere, ja? Wenn das noch erlaubt ist!) Sie treiben da ein ganz schäbiges Spiel am Rockzipfel Putins, und dafür sollten Sie sich wirklich schämen. (Beifall bei NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Europa muss aber liefern. Europa muss liefern, der Change – dieser Wandel – ist gerade auch in sicherheitspolitischen Fragen notwendig. (Abg. Kickl: Es lebe die Einheitsmeinung!) Wir müssen unsere Werte schützen. Wir müssen unsere Länder schützen. Wir müssen unsere Bürgerinnen und Bürger vor den Gefahren von außen schützen (Abg. Wurm: Gefährlich!), gleichzeitig aber die Freiheiten im Inneren bewahren. Das ist mir sehr wichtig, und deshalb bin ich auch sehr froh, dass Sie Schengen angesprochen haben, weil ich es sehr kritisch sehe, dass die österreichische Bundesregierung die Schengenerweiterung blockiert hat. Ich hoffe, dass es da in den nächsten Monaten eine Lösung geben wird (Abg. Belakowitsch: Ich hoffe nicht!), denn die Freiheit im Inneren ist genauso wichtig wie der Schutz vor den Gefahren nach außen. (Beifall bei den NEOS.)

Abschließend: Die Zuversicht schöpfe ich daraus, dass wir noch immer hoch attraktiv sind. Wenn gut ausgebildete junge Menschen aus der ganzen Welt sagen – hoffentlich in der Zukunft noch öfter –: Ich möchte in diesem Europa leben, weil mir das Freiheit, Frieden und Wohlstand schafft!, dann haben wir vieles richtig gemacht. – Danke. (Beifall bei NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.12

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist das Mitglied des Euro­päischen Parlaments Winzig. – Sie sehen, Frau Präsidentin Metsola, das Europäische Parlament ist auch in unserem Parlament nicht nur heute, sondern auch in vielen anderen Debatten immer wieder vertreten. – Frau Abgeordnete, Sie gelangen zu Wort.