11.12

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Angelika Winzig (ÖVP): Madam President! Sehr geehrter Herr Präsident! (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! (In Richtung Galerie:) Vor allem ist mit Herrn Dr. Selmayr heute auch die Europäische Kommission bei uns im Haus vertreten – auch Ihnen ein herzliches Willkommen!

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Große europäische Herausforderungen brauchen natürlich europäische Lösungen und vor allem europäische Zusam­menarbeit. In der letzten Zeit haben wir in Vielfalt geeint gezeigt, dass wir Krisen meistern können, wenn wir solidarisch zusammenhalten. Der Angriffskrieg Russlands hat natürlich unheimliches menschliches Leid verursacht, aber die Europäische Union stand von Anfang an der Seite der Ukraine, und die europä­i­schen Bürgerinnen und Bürger haben bei der Flüchtlingsaufnahme geholfen und dabei Großartiges geleistet.

Umso mehr war ich enttäuscht, als ich gehört habe, dass Teile der SPÖ, aber auch die gesamte FPÖ es nicht für nötig befunden haben, zum virtuellen Aus­tausch mit Präsident Selenskyj zu erscheinen. (Abg. Belakowitsch: ... Aus­tausch?!) Nach dieser Aktion kann man wirklich nur feststellen, dass Sie beide auf der falschen Seite der Geschichte stehen. (Abg. Kickl: Wir stehen auf der öster­reich­ischen Seite! Das ist immer die richtige Seite, Frau Kollegin!)

Frau Kollegin Fürst, Sie sollten sich vielleicht einmal die neuesten Zahlen geben lassen. Sie haben, was die Akzeptanz der Europäischen Union in Österreich betrifft, anscheinend alte Zahlen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Hafenecker: Ihre Zahlen kommen von der Karmasin! ... Karmasin-Zahlen! – Heiterkeit der Abg. Belakowitsch.)

Natürlich hat dieser schreckliche Krieg auch soziale und wirtschaftliche Auswirkungen auf alle Mitgliedstaaten. Jahrzehntelang waren wir verwöhnt mit billigem russischen Öl und Gas – sehr problemlos –, und jetzt fordern Sanktionspakete unsere Betriebe, die ebenso wie die Bevölkerung unter den hohen Energiepreisen und unter der hohen Inflation leiden. Mit dem gemein­samen Gaseinkauf am 10. Mai ist uns aber ein Meilenstein in der Geschichte der Europäischen Union gelungen. (Abg. Wurm: Da haben auch einige profitiert! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wir haben zum ersten Mal als Europäische Union unsere Marktmacht ausgespielt. (Abg. Wurm: Zahlen tun’s die Konsumen­ten! – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Dies und die aktuelle Diversifizierung unserer Lieferketten, aber auch die steigenden Investitionen in erneuerbare Energie werden dazu führen, dass es wieder eine Normalisierung bei den Energiepreisen gibt. (Abg. Hafenecker: Glauben Sie das selber? – Neuer­licher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Nachhaltige Entwicklung ist für die EVP ein Leitmotiv, aber im Unterschied zu anderen Parteien möchten wir das mit der Stimme der Vernunft umsetzen: Dekarbonisierung statt Deindustrialisierung, Anreize statt Bestrafung, Reduktion statt Ausbau zusätzlicher Bürokratie, und vor allem Reportverpflichtungen.

Im Rahmen des Green Deals wurden unseren Landwirten mit der Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, aber auch mit der Verordnung zur Wiederherstellung der Natur gemäß den 1950er-Jahren große Aufgaben aufgebürdet. Auch die Unternehmen haben mit der Industrieemis­sionsrichtlinie und jetzt auch noch mit dem Lieferkettengesetz Großes zu stemmen, ebenso werden den europäischen Bürgerinnen und Bürgern mit der Verpflichtung zur Gebäudesanierung Belastungen auferlegt. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Unterstützung einer vernünftigen Transformation für alle ist das Ziel der EVP, und das passiert mit Sicherheit nicht mit praxisfernen Gesetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein wichtiges, großes Thema ist natürlich die Asyl- und Migrationspolitik. Ja, ich gebe zu, in den letzten zwei Jahren ist viel zu wenig passiert. Millionen Flüchtlinge befinden sich auf den Land- und den Seewegen und warten auf die Einreise in die Europäische Union. Es bleibt daher keine Zeit für eine Vogel-Strauß-Politik, wir müssen schnell handeln. – Danke vor allem an unseren Bundeskanzler Karl Nehammer, der sehr engagiert bei bilateralen Abkommen verhandelt, aber auch österreichische Betriebe bei Infrastrukturmaßnahmen in Afrika unterstützt. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Ich begrüße auch das Asyl- und Migrationspaket des Europäischen Parlaments, das wir vor einigen Wochen beschlossen haben. (Abg. Belakowitsch: Das lehnen wir ab!) Es beinhaltet einen gemeinsamen europäischen Rahmen zur Steuerung von Migration, sieht ein umfassendes Screening (Abg. Hafenecker: 10 000 Illegale in Österreich, über 10 000 ...!) und viele, viele andere positive Schritte vor, aber weitere müssen folgen. (Abg. Belakowitsch: Ja, wir haben genug! – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Das gilt auch für die europäische Wirtschaft: Auch beim Green Deal haben wir noch nicht das erreicht, was wir wollten. Jetzt aber schaffen wir es mit dem Net Zero Industry Act, dass wir sowohl Klimaschutz als auch Wirtschaft vereinen können. Natürlich wird das nicht reichen, um China und Amerika die Stirn zu bieten. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Die haben billige Energie, die haben weniger Auflagen zu erfüllen (Abg. Kassegger: Richtig! Richtig!) und sind auch mit kritischen Rohstoffen gesegnet. Die Kommission ist aber bereit, die geplanten Maßnahmenpakete für KMUs, aber auch für die Industrie umzusetzen. (Abg. Kassegger: Ihr macht genau das Gegenteil!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, uns stehen große Aufgaben bevor, die wir aber nur gemeinsam, miteinander lösen können. – Ich darf mich bei Ihnen, Frau Präsidentin, ganz herzlich für Ihr unermüdliches Engagement und vor allem auch für die gute Zusammenarbeit im Europäischen Parlament bedanken.

Ich darf mit einem Zitat von Konrad Adenauer schließen: „Die Einheit Europas war ein Traum von Wenigen. Sie wurde zur Hoffnung für Viele. Sie ist heute eine Notwendigkeit für uns alle.“ – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.18

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kucharowits. – Bitte sehr.