12.32

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Frau Präsidentin! Liebes Auditorium! Ich glaube, dass das heute ein wichtiger Schritt ist, nachdem wir im Jahre 2017 gemeinsam mit der ÖVP diesen Ansatz geprägt haben, einen weiteren Ausbildungsteil herbeizuziehen.

Ich verstehe das sehr gut, dass die SPÖ ideologisch geprägt dagegen ist, aber sie hat bis zum heutigen Tag auch nicht verstanden, was Pflege bedeutet. – Wenn du da heraußen stehst, Philip, und sagst, es wird alles schlecht sein, wenn wir eine Pflegelehre einführen, dann verkennt die SPÖ Altwerden mit einer Krank­heit (Abg. Kucher: Das sagen alle Fachgesellschaften! Nicht ich! Alle Fachgesell­schaften!), und das ist der Fehler in der Einschätzung.

Ihr habt bis zum heutigen Tag nicht verstanden, warum wir eine Pflegediskussion haben: weil wir 75 000 Menschen, die letztendlich in die Ausbildung gehören, nicht dort haben; weil ihr nur eines fokussiert: Ihr nehmt die Akademisierung heraus, schaut euch aber nicht an, was heute in einer Pflege und einer Pflege­aus­bildung passiert. Und das ist euer Kernproblem.

Das war schon euer Kernproblem unter Rudi Hundstorfer, als wir zusammen­gesessen sind und mit der ersten Vorarlberger Landesrätin, aber auch mit der Landeshauptfrau von Niederösterreich darüber gesprochen haben, weil ihr immer nur euren Bereichen, eurer eigenen ideologischen Struktur verhaftet seid. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Kucher – ein mehrseitiges Schriftstück in die Höhe haltend –: Alle Fachgesellschaften! Aber du weißt es besser!) – Nein! Schaut euch heute die Entwicklung in der Pflege an! Ich kann mich an Zeiten erinnern, in denen es einfach nur darum gegangen ist, Sozialdemokraten in ihren Sozialbe­reichen zu versorgen, damit man irgendwo in der Pflege dort oder da ein Alters- oder ein Pflegeheim hingeben kann.

Das ist nicht der Zugang! Die Pflegelehre ist der erste Schritt (Abg. Kucher: Wer sagt das? – Abg. Kassegger: Wir sagen das!); und hört doch endlich einmal mit eurer Mär auf, dass es da eine so hohe Drop-out-Rate gibt! Beginnt doch bitte damit, die Artikel ordentlich zu lesen! Ich empfehle dir auch den Artikel vom „Kurier“ aus dem Jahre 2020, da steht es auch explizit drinnen, dann müsst ihr nicht immer dagegenhalten. Weißt du, was in der Schweiz passiert? Dort gibt es Abschlüsse in der Höhe von 4 500 Lehrlingen pro Jahr. Natürlich gibt es eine Drop-out-Rate von einem Drittel, aber warum? Da musst du die Ausführungen dazu fertig lesen! – Weil sie sich aufschulen lassen! Sie lassen sich aufschulen, sie verbessern sich, sie gehen in die Assistenz (Zwischenruf des Abg. Matznetter), sie gehen in den diplomierten Bereich, sie gehen sogar so weit, dass sie akade­mi­siert werden (Abg. Kucher: Hör auf! Hör zur Gänze auf!), und das ist der Unterschied. Lies diesen Artikel zu Ende, dann weißt du, dass 80 Prozent der in der Pflege Ausgebildeten in der Schweiz in diesem Beruf bleiben, und das ist der Unterschied! Wenn wir das auf Österreich umlegen, dann werden wir 7 000 Pflegekräfte neu dazugewinnen können, und wenn wir bis 2030 rund 75 000 zu wenig haben, dann ist es nicht so, dass man irgendwelche Vietnamesen oder Kolumbianer oder irgendwelche Karibikleute importieren muss (Abg. Matznetter: Darum geht’s doch nicht!), sondern wir werden das erste Mal seit Langem wieder unsere eigenen Menschen einsetzen und unseren jungen Menschen eine Alternative in der Pflege geben können. – Das ist der erste Punkt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Matznetter: Die Herkunft ...!)

Der zweite Punkt ist die Bezahlung. Wenn man sagt, das muss alles über die diplomierten Dienste abgewickelt werden: Man kann gerne einmal die Stellungnahme der diplomierten Kräfte einholen, aber man wird für die Pflege einmal eine neue Gehaltspyramide machen müssen und einen neuen Ansatz schaffen, sodass es auch einen Wert hat, in diesem Bereich zu arbeiten. Das ist die Grundlage, und das ist auch jetzt der Fehler und die Kritik am Minister gewesen, dass er diese Menschen viel zu niedrig einstuft, denn wenn man 650 Euro bis zu 1 500 Euro vom ersten bis zum dritten Lehrjahr bekommt, dann ist das der falsche Ansatz. Die Abgeltung muss höher sein, sonst wird man diesen Beruf nicht attraktiv gestalten können.

Ein zweites wesentliches Element ist – und das Problem habt ihr selber geschaf­fen und damit in dieser Republik einen volkswirtschaftlichen Schaden angerichtet, der unfassbar ist –, dass derzeit probiert wird, alle im Pflegeheim zu versorgen, anstatt dass wir so vorgehen, dass wir sagen: Wir unterstützen die mobilen Dienste, wir unterstützen die Übergangspflege, wir unterstützen heute!

Ihr (in Richtung SPÖ) seid beim Forum Alpbach immer alle brav und dick dagesessen und habt euch sogar den Schwerpunkt über Ambient Assisted Living angehört, das die EU seit fünf Jahren unterstützt. Ich habe noch keinen Ansatz von euch dazu gesehen, was man heute machen könnte, um ältere Menschen länger zu Hause zu versorgen und zu pflegen – das gibt es bei euch nicht! In keinem sozialdemokratisch geführten Bundesland gibt es das – nicht einmal im Ansatz. (Abg. Kucher: Die Frau Hartinger-Klein hat den übrigens nie vorgelegt!) Ich lade euch aber gerne ein, euch das in anderen Ländern anzuschauen, denn das würde eine Entlastung bringen, auch vom volkswirtschaftlichen Aspekt her. Das sind alles Ansätze, die ihr einfach jedes Mal so vom Tisch wischt.

Faktum ist: Diese Pflegelehre ist ein Schritt hin zur Veredelung im Ausbildungs­prozess (Abg. Kucher: Wer sagt das?) – Lehre, Assistenz, diplomierter Dienst und heute auch alle unterstützenden Fachhochschulen –, die für diesen Pflegeberuf einfach vor Ort und auch in dieser Struktur geschaffen werden muss. Daher, bei aller Kritik daran, wie man die Pflegelehre einführt: Sie ist einer der wesentlichen neuen Schritte in Österreich, damit wir eine Versorgungssicherheit umsetzen und gewährleisten können, und das wird man zur Kenntnis nehmen müssen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Dementsprechend darf ich noch einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Leistungsorientierte Lehrlingsentschädigung für Absolventen der Pflegelehre“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende Eckpunkte umfasst:

– Die gesetzliche Festlegung einer Mindestlehrlingsentschädigung im Ausmaß von 900 Euro brutto im ersten und 2.000 Euro brutto im letzten Lehrjahr für Absolventen der Pflegelehre

– Die Berücksichtigung der Absolventen der Pflegelehre bei zukünftigen Pflegeprämien des Bundes und der Länder

– Die Gewährleistung der berufsrechtlichen Durchlässigkeit des Ausbildungs­moduls der Pflegelehre zur Pflegeassistenz beziehungsweise Pflegefachassistenz im Gesamtaufbau der Pflegeausbildung bei den einzelnen Qualifikationen“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.38

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Rosa Ecker, MA, Mag. Gerhard Kaniak, Maximilian Linder

und weiterer Abgeordneter

betreffend Leistungsorientierte Lehrlingsentschädigung für Absolventen der Pflegelehre

eingebracht im Zuge der Verhandlung über die Debatte zu Top 4) Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage

(2030 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz und das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert werden (2037 d.B.) in der 215. Sitzung des Nationalrats am 25. Mai 2023.

Mit dem Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz und das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert werden, wird nach vielen Jahren der Diskussion endlich das neue Ausbildungsmodul der Pflegelehre eingeführt:1

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie

über die Regierungsvorlage (2030 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz und das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert werden

Mit dem vorgeschlagenen Gesetzentwurf soll die eine duale Berufsausbildung nach dem Berufsausbildungsgesetz zum Erwerb eines Abschlusses zur Pflegeassistenz oder zur Pflegefachassistenz nach Erfüllung der Schulpflicht ermöglicht werden. Damit werden ergänzend zu den bestehenden Ausbildungsmöglichkeiten neue Optionen geschaffen.

In der Schweiz wurde bereits im Jahr 2003 eine duale Ausbildung im Gesund­heitswesen (Fachmann / Fachfrau Gesundheit) eingeführt, die zahlenmäßig an dritter Stelle sowohl der Lehrausbildungen als auch bei den Abschlüssen liegt (vgl. Merçay/Grünig/Dolder, Gesundheitspersonal in der Schweiz – Nationaler Versor­gungsbericht 2021, Obsan Bericht 03/2021). Mit der dualen Ausbildung als neue Form der beruflichen Erstausbildung der Sekundarstufe II sollen neue Perspektiven für interessierte Jugendliche und junge Erwachsene mit durchlässigen Bildungspfaden bis hin zum gehobenen Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege geschaffen werden.

Im Hinblick auf die Anforderungen an den Berufsschulunterricht für die Lehrberufe in den Pflegeassistenzberufen, insbesondere die Unterrichtserteilung nach den Standards der Pflegeassistenzberufe Ausbildungsverordnung – PA-PFA-AV, BGBl. II Nr. 301/2016, sollen weiters das Schulorganisationsgesetz und das Pflichtschul­erhaltungs-Grundsatzgesetz im Rahmen eines gesonderten Gesetzgebungsverfahrens angepasst werden.

Der Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 10. Mai 2023 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Eva-Maria Himmelbauer, BSc die Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Mag. Christian Ragger, Bedrana Ribo, MA, Mag. Julia Seidl sowie der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, F, G, dagegen: S, N) beschlossen.

Für die FPÖ ist eine leistungsorientierte Lehrlingsentschädigung für Absolventen dieser neu eingeführten Pflegelehre ein entscheidender Eckpunkt für den Erfolg dieses neuen Ausbildungsmoduls:2

Für den freiheitlichen Nationalratsabgeordneten Christian Ragger ist es ein Meilenstein in der österreichischen Pflegepolitik, dass die schwarz-grüne Bundes­regierung endlich eine langjährige freiheitliche Forderung umsetzt: „Zur Begegnung des Fachkräftemangels, wo wir bis 2030 zwischen 75.000 und 100.00 neue Pflegerinnen und Pfleger brauchen, gibt es keine einfachen Lösungen und auch die neue Lehre zur Pflegeassistenz beziehungsweise Pflegefachassistenz ist nur ein Mosaikstein. Sie ist aber ein Schlüsselmoment, wenn es darum geht, das Ausbil­dungsangebot zu erweitern und einem breiten Kreis zugänglich zu machen. Die Schweiz zeigt seit 2004 vor, dass der Versorgungsgrad durch die dort zweitbelieb­teste Lehre entschieden gestiegen ist“, sagte Ragger.

Die Lehrlingsentschädigung müsse sich aber an körperlich fordernden Berufen orientieren: „Es wurde kolportiert, dass Lehrlinge mit lediglich 650 im ersten und 1.500 Euro brutto im letzten Lehrjahr zu rechnen hätten. Wenn wir wirklich engagierte Menschen bekommen wollen, die anpacken können, so muss man sich an Berufe wie Maurer, Installateur und Fliesenleger halten – und da sind wir dann bei 900 im ersten und 2.000 Euro brutto im letzten Lehrjahr. Der Pflegeberuf ist hart und auch emotional fordernd, weshalb vernünftig abgegolten werden muss“, erklärte Ragger.

ÖVP und Grüne haben mit der nur brutto ausgezahlten „Pflegeprämie“ für Negativschlagzeilen gesorgt. Von 2.000 Euro bar auf die Hand war man da weit entfernt. „Wer verspricht, muss halten. Es geht nicht an, die Menschen vor den Kopf zu stoßen. Die Pflegeprämie soll nicht nur auf alle Berufe mit Pflegebezug – etwa auch Behindertenbetreuer - ausgeweitet werden, sondern auch ein finanzielles ‚Dankeschön‘ für den unermüdlichen Einsatz bedeuten und entlasten. Dazu ist es wichtig, dass auch die Lehrlinge von Beginn an umfassend profitieren sollen. Und wenn etwa die Ärztekammer hergeht und eine ‚Bleibeprämie‘ in Höhe von 24.000 Euro für zwei Jahre fordert, so muss auch bei Pflegekräften deutlich nach oben korrigiert werden“, stellte Ragger klar.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende Eckpunkte umfasst:

•          Die gesetzliche Festlegung einer Mindestlehrlingsentschädigung im Ausmaß von 900 Euro brutto im ersten und 2.000 Euro brutto im letzten Lehrjahr für Absolventen der Pflegelehre

•          Die Berücksichtigung der Absolventen der Pflegelehre bei zukünftigen Pflegeprämien des Bundes und der Länder

•          Die Gewährleistung der berufsrechtlichen Durchlässigkeit des Ausbildungs­moduls der Pflegelehre zur Pflegeassistenz beziehungsweise Pflegefachassistenz im Gesamtaufbau der Pflegeausbildung bei den einzelnen Qualifikationen“

1 https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/I/2037/fnameorig_1559064.html

2 https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230515_OTS0101/fpoe-ragger-die-pflegelehre-muss-auch-finanziell-attraktiv-sein

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht somit mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Josef Muchitsch, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.