13.05

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Matznetter, weil Sie die ausländischen Pfleger:innen ansprechen (Abg. Matznetter: Eine gute Arbeitskraft!): In unserem Pflegeheim haben wir seit mittlerweile drei Jahren zwei Inderinnen und seit eineinhalb Jahren zwei Kolumbianerinnen. (Abg. Matznetter – Beifall spendend –: Das ist eine ...!)

Die Realität ist aber, dass die Damen mindestens fast zwei Jahre Ausbildung im Pflegeheim brauchen, bis sie auf dem Niveau sind, wie es unsere Personen hier sind. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Obwohl sie die Sprachprüfung machen müssen, sind die Sprachbarrieren zu eklatant. Meine Mutter ist selbst im Pflegeheim, und ich habe das tagtäglich beobachten können: Da ist man weit davon entfernt, dass sie kommen und als vollwertige Arbeitskräfte in diesen Heimen arbeiten. (Abg. Matznetter: Ja, aber der Ragger unterscheidet ...!)

Liebe Damen und Herren, wir freuen uns darüber, und ich freue mich sehr, dass dieses Projekt Lehre zur Pflegeassistenz und Pflegefachassistenz umgesetzt wird, weil es zum einen eine langjährige Forderung von uns Freiheitlichen war, aber auch, weil ich glaube, dass wir endlich Maßnahmen setzen müssen, um diesen Problemen, die wir in der Pflege haben, entgegenzuwirken.

Reden wir bei den Pflegeheimen nicht nur von den überlasteten Mitarbeitern, sondern reden wir einmal auch darüber – und das erlebe ich als Bürgermeister wieder regelmäßig –, dass Pflegebetten leer stehen, diese nicht belegt werden dürfen, weil das Personal nicht vorhanden ist. Im Gegenzug kommen aber Angehörige verzweifelt zu mir und sagen: Bitte mach etwas! Ich schaffe es nicht mehr, meine Mutter, meinen Vater zu Hause zu pflegen. Bitte schauen wir, dass wir die Leute endlich wieder in einem Heim unterbringen können! In einem Pflegeheim mit 75 Betten sind vier, fünf, sechs Betten nicht belegt; die dürfen nicht belegt werden, weil wir das Personal nicht haben. Ich denke, da nur herzugehen und zu sagen: Nein, es passt eh alles, nur ja nicht etwas Neues versuchen!, das kann nicht der richtige Weg sein.

Liebe Kollegen von der SPÖ! Über 20 Jahre hat die SPÖ den Sozialminister gestellt, und das mit dem Ergebnis, dass uns heute 75 000 Leute in der Pflege fehlen, und, lieber Kollege Kucher, zehn Jahre lang habt ihr mit Beate Prettner die Sozialreferentin gestellt. Es ist nicht Christian Ragger, der mit dem Fetzen davongejagt wird: Ich habe es, weil ich vom Fenster aus zugeschaut habe, leider miterlebt, wie Beate im Zuge des Wahlkampfes in ein Pflegeheim gekommen ist, und die Pfleger sind draußen im Hof gestanden, weil sie geraucht haben. Sie haben die Referentin kommen sehen, haben sich umgedreht und sind gegangen, weil sie einfach gesagt haben: Nein, Chaos! Zehn Jahre SPÖ-Politik, Chaos! (Abg. Kucher: Die Beate ...!) Wir verzweifeln, und es gibt keine Maßnahmen! – So schaut die Realität aus, lieber Philip. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Ragger: Der Ragger hat ..., das war der Unterschied! Ich war ein Entwicklungshelfer für die Sozialdemokratie!)

Der ständige Versuch, alles zu akademisieren, alles nur mehr mit einem Studium zu machen, zeigt, dass es nicht funktioniert. Ein kleines Beispiel, damit man sieht, wie es wirklich läuft, ist vielleicht die Situation bei den Kindergärtner:innen: Auch dort gibt es zum einen die akademisierte Ausbildung, und dann gibt es das Kolleg, wo praktisch Späteinsteiger ausgebildet werden. Von jenen, die die akademische Ausbildung machen, bleiben nur 54 Prozent in der Kinderbetreu­ung, der Rest wechselt, und von jenen aus dem Kolleg bleiben doch 87 Prozent. Dasselbe erwarte und erhoffe ich mir hier auch: dass die Leute, die die Ausbildung als Lehre machen, doch im Beruf bleiben, weil sie, wie ich glaube, einen anderen Zugang dazu haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein ganz wichtiger Bereich sind die Berufsumsteiger, und da müssen wir schauen, dass wir die Berufsumsteiger noch mehr motivieren, denn wir werden sie brauchen. Die, die später den Beruf wechseln und sagen: Ich will in die Pflege gehen!, sind gefestigt, die wissen wirklich genau, was sie wollen. Wir müssen uns aber auch darüber im Klaren sein, dass die Ausbildung für diese Berufsumsteiger leistbar sein muss. Das sind meistens Familienerhalter, tragen zum Familien­einkommen bei, und deshalb ist es ganz wichtig, dass diese Personen in der Ausbildung mehr verdienen.  

Deshalb stellen wir heute einen Antrag dahin gehend, dass diese Berufsum­steiger in der Ausbildung im ersten Lehrjahr mindestens 2 000 Euro verdienen müssen.

Ich stelle folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zweiten Bildungsweg für Pflegekräfte auch finanziell absichern“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende Eckpunkte umfasst:

- Die gesetzliche Festlegung eines Pflegefachausbildungsstipendium im ersten Lehrjahr für Berufsumsteiger von 2.000 Euro brutto analog zur Abgeltung in der Polizeifachausbildung

- Die Berücksichtigung der Berufsumsteiger in die Pflegefachausbildung bei zukünftigen Pflegeprämien des Bundes und der Länder“

*****

Abschließend noch eines, lieber Kollege Matznetter, weil Sie vorher die Work-Life-Balance erwähnt haben: In der heutigen Morgenpost aus der Chefredaktion der „Kleinen Zeitung“ schreibt Redakteurin Carina Kerschbaumer, die bei Gott ideologisch weder mit uns noch der ÖVP etwas zu tun hat, zum Thema Pflege, Pflegeausbildung Folgendes – der letzte Satz –:

„Ebenso eine Realität? Mit lebenslangen 25 Stunden-Teilzeitjobs und viel Freizeit wird sich keiner erwarten können, die Basis zu schaffen, um später einmal entsprechend betreut zu werden. Aber das wollen wir vielleicht zum Frühstück nicht wirklich hören!“ – Und ich glaube, das ist die Realität. Wenn wir alle von 25 Stunden arbeiten reden und noch weniger, werden wir es nicht schaffen (Abg. Heinisch-Hosek: 32!), uns die Pflege leisten zu können und auch das Personal dafür zu haben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.12

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Rosa Ecker, MA Mag. Gerhard Kaniak, Maximilian Linder

und weiterer Abgeordneter

betreffend Zweiten Bildungsweg für Pflegekräfte auch finanziell absichern

eingebracht im Zuge der Verhandlung über die Debatte zu Top 4) Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (2030 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz und das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert werden (2037 d.B.) in der 215. Sitzung des Nationalrats am 25. Mai 2023.

Mit dem Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz und das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert werden, wird nach vielen Jahren der Diskussion endlich das neue Ausbildungsmodul der Pflegelehre eingeführt1:

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungs­vorlage (2030 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz und das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert werden

Mit dem vorgeschlagenen Gesetzentwurf soll die eine duale Berufsausbildung nach dem Berufsausbildungsgesetz zum Erwerb eines Abschlusses zur Pflegeassistenz oder zur Pflegefachassistenz nach Erfüllung der Schulpflicht ermöglicht werden. Damit werden ergänzend zu den bestehenden Ausbildungsmöglichkeiten neue Optionen geschaffen.

In der Schweiz wurde bereits im Jahr 2003 eine duale Ausbildung im Gesund­heitswesen (Fachmann / Fachfrau Gesundheit) eingeführt, die zahlenmäßig an dritter Stelle sowohl der Lehrausbildungen als auch bei den Abschlüssen liegt (vgl. Merçay/Grünig/Dolder, Gesundheitspersonal in der Schweiz – Nationaler Versor­gungsbericht 2021, Obsan Bericht 03/2021). Mit der dualen Ausbildung als neue Form der beruflichen Erstausbildung der Sekundarstufe II sollen neue Perspektiven für interessierte Jugendliche und junge Erwachsene mit durchlässigen Bildungspfaden bis hin zum gehobenen Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege geschaffen werden.

Im Hinblick auf die Anforderungen an den Berufsschulunterricht für die Lehrberufe in den Pflegeassistenzberufen, insbesondere die Unterrichtserteilung nach den Standards der Pflegeassistenzberufe Ausbildungsverordnung – PA-PFA-AV, BGBl. II Nr. 301/2016, sollen weiters das Schulorganisationsgesetz und das Pflichtschul­erhaltungs-Grundsatzgesetz im Rahmen eines gesonderten Gesetzgebungsverfahrens angepasst werden.

Der Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie hat die gegenständliche Regie­rungsvorlage in seiner Sitzung am 10. Mai 2023 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Eva-Maria Himmelbauer, BSc die Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Mag. Christian Ragger, Bedrana Ribo, MA, Mag. Julia Seidl sowie der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, F, G, dagegen: S, N) beschlossen.

Neben der längst überfälligen Pflegelehre als zukunftsorientiertem Ausbildungsmodul muss aus Sicht der FPÖ aber auch der zweite Bildungsweg für Berufsumsteiger inklusive finanzieller Absicherung endlich umgesetzt und finanziell langfristig abge­sichert werden2:

In Österreich werden bis 2030 beinahe 100.000 Pflegekräfte fehlen. Neben der Pflegelehre und höheren Kollektivverträgen braucht es daher auch den zweiten Bildungsweg für Berufsumsteiger. Wir können unmöglich den Bedarf an neuen Pflegekräften decken, wenn wir den Kopf in den Sand stecken und unsere Strategien nicht anpassen“, erklärte heute der freiheitliche Nationalratsabgeordnete Mag. Christian Ragger.

„Die Pflegelehre ist gut und wichtig. Allein damit werden wir aber dem Defizit bei den Pflegekräften nicht Herr werden können. Einen Großteil der Pflegekräfte müssen wir nämlich unter den Berufsumsteiger lukrieren. Die geringe Abgeltung in der Ausbildung schreckt aber finanziell ab, weil man davon nicht leben kann. Im Grunde genommen muss man, wenn man keinen Pflegebanktrott will, einfach Geld in die Hand nehmen und die nötigen Anreize schaffen, damit man Leute in die Struktur bekommt“, sagte Ragger.

„Von 1.400 Euro brutto im Monat kann kaum ein Mensch in Österreich leben. Das wird besonders vor dem Hintergrund der von der schwarz-grünen Regierung mitverantworteten Teuerung sowie der Rekordinflation von 9,7 Prozent im April deutlich. Wenn ÖVP und Grüne glauben, dass Menschen, die weit über 20 Jahre alt sind und Haushalt sowie Familie haben, von einem Bagatellbetrag von 1.400 Euro leben können, dann irren sie sich aber gewaltig - da wird sich keiner für den Berufsumstieg interessieren!“, betonte Ragger.

„Es müssen wie bei der Polizei mindestens 2.000 Euro im ersten Ausbildungsjahr bezahlt werden und danach deutlich mehr“, verlangte Ragger und weiter: „System­erhalter von besonderem öffentlichen Interesse sind nämlich auch unsere Pflege­kräfte. Und Wertschätzung, bei all der Diskussion, die wir seit Jahren führen, und den Strapazen, die Pflegerinnen und Pfleger während der COVID-Krise ertragen mussten, damit mitgedacht der absolut miserable Betreuungsschlüssel, der die Men­schen fast zum Kollaps geführt hatte, soll da selbstverständlich sein. Wenn wir die Pflegeprob­lematik nicht ernst nehmen, dann wird man sich wundern, wenn man selbst pflege­bedürftig wird“, betonte Ragger.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende Eckpunkte umfasst:

•        Die gesetzliche Festlegung eines Pflegefachausbildungsstipendium im ersten Lehrjahr für Berufsumsteiger von 2.000 Euro brutto analog zur Abgeltung in der Polizeifachausbildung

•        Die Berücksichtigung der Berufsumsteiger in die Pflegefachausbildung bei zukünftigen Pflegeprämien des Bundes und der Länder“

1https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/I/2037/fnameorig_1559064.html

2 https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230517_OTS0150/fpoe-ragger-schwarz-gruene-regierung-muss-zweiten-bildungsweg-fuer-pflegekraefte-ermoeglichen

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Mag.a Carmen Jeitler-Cincelli. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.