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Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Teuerung ist ein Thema, das uns natürlich nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa, auf der ganzen Welt intensiv beschäftigt. Ich war deswegen gerade bei der Europäischen Zentralbank. Wer hat am Anfang kritisiert, dass ich nicht da war? Ich glaube, Kollege Matznetter. Das war der Grund – weil wir gestern in Frankfurt auch mit der EZB darüber diskutiert haben.

Kollege Kassegger, du hast natürlich recht, die EZB hat sicher nicht alles richtig gemacht. (Abg. Kassegger: Hat alles falsch gemacht!) Die Geldschwemme war auch zu einem großen Teil dafür verantwortlich. Der Kampf gegen die Teuerung und gegen die Inflation ist natürlich prinzipiell Aufgabe der EZB.

Dann komme ich zum zweiten Teil deines ersten Teiles – beim ersten Teil warst du ja relativ sachlich, beim zweiten dann weniger. Was kann man im Kampf gegen die Inflation tun? Was kann die EZB tun? – Das ist unter anderem, auch an der Zinsschraube zu drehen, du hast es erwähnt. Das geht nach oben. Ja, das belastet unsere Budgets ganz massiv.

Auf der anderen Seite kann man sich natürlich die Frage stellen: Hat sie schnell genug gehandelt? Hat sie intensiv genug gehandelt? (Abg. Kassegger: Nein, hast sie nicht!) – Hat sie eher nicht. (Abg. Kassegger: Hat sie nicht!) Aber was ist natürlich auch der Grund? – Da hast du auch recht: weil die Bud­gets nicht in Ordnung sind. Viele Mitgliedstaaten, insbesondere unsere südlichen Nachbarstaaten, haben Schuldenquoten von 140, 150 Prozent. Bei uns geht es Gott sei Dank bis 2026 in Richtung 72,5 Prozent hinunter. (Abg. Kassegger: Ja, aber ist das unser Thema? Und warum ist das unser Thema, weil der Euro ...!)

Die Inflation ist also, ja, zu hoch. Sie ist seit dem Winter bis in den März hinein Gott sei Dank nach unten gegangen, jetzt im April wieder leicht nach oben – wie überall, in ganz Europa, in allen Ländern der Eurogruppe, in der ganzen Euro­zone, auch in jenen Ländern, die manche vielleicht gerne als Vorzeigeländer im Kampf gegen die hohe Inflation sehen.

Vielleicht auch noch ein Wort zur Klarstellung und zur Sachlichkeit: Wir waren 2022 bei der Inflation leicht unter dem europäischen Schnitt, jetzt sind wir leicht über dem europäischen Schnitt, aber noch lange nicht ganz oben. Ungarn hat 25 Prozent, die baltischen Staaten sind weit darüber. Also da auch etwas die Relationen aufzuzeigen ist, glaube ich, sinnvoll.

Damit komme ich zur zweiten Frage: Wer kann etwas dagegen tun – das ist die EZB –, und vor allem, woher kommt die Inflation? – Die hohe Inflation kommt ursprünglich aus der Lieferkettenproblematik, die du (in Richtung Abg. Kassegger) angesprochen hast, kommt aus dem starken Wachstum nach der Corona­pan­demie, der Überhitzung der Wirtschaft, die wir erlebt haben, und fußt natürlich auch auf den hohen Energiepreisen, weil Putin die Energie auch entsprechend als Waffe (Abg. Kassegger: Wo?) gegen Europa, gegen die ganze Welt und dadurch auch gegen Österreich verwendet. (Abg. Kassegger: ... nicht wahr! Wo als Waffe?)

Warum sind wir jetzt knapp über dem europäischen Schnitt? – Das ist, glaube ich, auch eine Analyse wert. Das hat im Wesentlichen – es gibt natürlich auch andere, aber im Wesentlichen sind es diese – drei Gründe.

Zum einen liegt es an der Zusammensetzung unseres Warenkorbes. Dieser ist sehr stark tourismusgetrieben, das heizt die Inflation noch weiter an, das ist selbstverständlich. Wir haben uns die Mühe gemacht, uns mit Deutschland zu vergleichen. Wenn wir den gleichen Warenkorb wie Deutschland hätten – das ist natürlich eine theoretische Diskussion –, dann wären wir um 1 Prozent niedriger, das ist auch interessant.

Der zweite Punkt sind die hohen Lohnabschlüsse. Wir haben – übrigens mit Belgien – die höchsten Lohnabschlüsse in Europa, und natürlich treiben die hohen Lohnabschlüsse auch die Inflation noch weiter nach oben. Auch da gibt es Berechnungen – übrigens von der Nationalbank, das ist auch interessant (Abg. Kassegger: Das sind vor allem die Automatismen, die ihr ...!) –: Jeder Prozentpunkt an höheren Lohnabschlüssen bedeutet eine um 0,3 Prozent höhere Inflation. Auch da wieder der Vergleich mit Deutschland: Bei den Metallern in Deutsch­land gab es 5 Prozent Erhöhung, 7 Prozent bei uns – 2 Prozent Unterschied, das macht eine um 0,6 Prozent höhere Inflation aus. Auch das ist in der Relation, glaube ich, klarzustellen.

Dritter Punkt – und das ist auch nicht uninteressant –: Wir in Österreich sind eines der wenigen Länder in Europa, die langfristige Energielieferverträge haben. Das ist ein Vorteil in „Friedenszeiten“ – unter Anführungszeichen –, weil man dann auch eine gewisse Sicherheit betreffend die Preisentwicklung hat; in Zeiten wie jetzt, in denen die Energiepreise volatiler sind, ist das natürlich ein Nachteil, weil die Preise dann erst später weitergegeben werden können.

Es gibt also kein Land, das die perfekte Lösung gegen die Teuerung hat; unsere Strategie war immer – das wurde vorhin schon erwähnt –, die Kaufkraft hochzuhalten, auch die realen Haushaltseinkommen hochzuhalten. Kollege Obernosterer hat es vorhin angemerkt: Es gibt kein Land auf der Welt, das eine niedrige Inflation, ein hohes reales Haushaltseinkommen, ein hohes Wachstum, eine hohe Kaufkraft (Abg. Kassegger: Schweiz! Die haben keine ...! Schweiz! Aber mit denen wollen wir uns nicht vergleichen!), hohe Lohnabschlüsse und vielleicht auch noch ein ausgeglichenes Budget hat. Das gibt es auf der ganzen Welt nicht. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Natürlich kann man vieles besser machen, das ist überhaupt keine Frage. Ich nehme jetzt nicht in Anspruch, dass wir alles zu 1 000 Prozent richtig machen – überhaupt nicht! Wir verlassen uns da selbstverständlich sehr stark auf die Empfehlungen der Expertinnen und Experten, nehmen diese Empfehlungen und die zum Teil berechtigte Kritik natürlich auch sehr ernst und versuchen da auch immer, besser zu werden, um Maßnahmen zu setzen, die natürlich insbesondere auch den sozial Schwachen zugutekommen. Das machen wir ganz intensiv.

Wir haben gerade letzte Woche auch wieder ein Paket auf den Weg gebracht, mit dem wir insbesondere Kinder, Alleinerziehende mit Kindern ganz massiv unterstützen, weil klar ist, dass wir zusätzlich zu den Unterstützungsmaßnahmen der Vergangenheit, als wir die Familienbeihilfe – die Sonderfamilienbeihilfe –, den Familienbonus, den Kindermehrbetrag erhöht haben, eine Valorisierung der Familienleistungen umgesetzt haben – also bereits viele Dinge auf den Weg gebracht haben –, jetzt zusätzlich noch einmal ganz intensiv, konkret und treffsicher auf diejenigen zugehen müssen, die besonders von der Teuerung betroffen sind. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Der Energiebereich wurde bereits erwähnt. Wir haben die Strompreisbremse auf den Boden gebracht, wir werden die Mehrpersonenhaushalte jetzt noch zusätz­lich unterstützen. Interessant betreffend die Erdgas- und Elektrizitätsabgabe – das ist nämlich genau etwas, das natürlich inflationsdämpfend wirkt –, die wir um 90 Prozent gesenkt haben – die Zahlen wurden vorhin erwähnt, jetzt verlän­gern wir das (Abg. Kassegger: ... eh dafür, aber das ist Peanuts!) –, ist: Das ist eine klassische inflationsdämpfende Maßnahme, und da nicht mitzustimmen verstehe ich leider auch nicht – aber da wird es schon Gründe geben.

Was interessanterweise noch zusätzlich inflationsdämpfend wirkt, ist die Aussetzung der Gebührenerhöhungen. Auch da sind wir als Bund Vorreiter, und ich würde mir wirklich wünschen, dass auch Länder und Gemeinden diesen Schritt mitgehen, weil damit wieder eine inflationsdämpfende Maßnahme auf den Weg gebracht worden ist, die, wie ich glaube, auch ganz entscheidend ist. Da geht der Bund voran. Es geht um eine Ersparnis für die Bürgerinnen und Bürger von insgesamt über 40 Millionen Euro.

Zu den Zufallsgewinnen und der Besteuerung der Zufallsgewinne: Da war auch interessant, von dir, Alois, zu hören, dass du auf der einen Seite die Zufalls­gewinne abschöpfen willst und einen entsprechenden Antrag einbringst – heute aber stimmst du dagegen. Das habe ich noch nicht ganz verstanden, vielleicht kannst du mir im Anschluss erklären, wie du das gemeint hast. Vielleicht ist es ein Missverständnis, das kann natürlich auch sein.

Sehr geehrte Damen und Herren, eines zu den Maßnahmen, die zum Teil auch heute diskutiert worden sind: Nicht alles, was auf den ersten Blick populär klingt, ist auf den zweiten Blick auch sinnvoll, und wir sehen das ja auch, wenn wir uns mit anderen europäischen Staaten vergleichen. Es wurde vorhin erwähnt: Eine Mehrwertsteuersenkung, ein Preisdeckel auf eh fast alles in einer Republik hatte in vielen anderen europäischen Staaten zur Folge, dass die Preise trotzdem nach oben gegangen sind. Spanien hat die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel gesenkt, die Lebensmittelpreise sind nach oben gegangen. Deutschland hatte in der Zwischenzeit einmal im Energiebereich auf Benzin und Diesel einen Deckel – 350 Millionen Euro Kosten. Kollege Lindner hat mir gerade gestern erzählt: Wenn er das rückgängig machen könnte, würde er es sofort machen. – Es war also ein Fehler, das muss man auch eingestehen. Es bringt einfach nichts, wenn es auf den ersten Blick vielleicht populär klingt, aber auf den zweiten Blick nicht wirklich gut ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Jetzt geht es darum, dass wir natürlich alle weiteren Entwicklungen beobachten müssen – selbstverständlich! Wir sind in einer schwierigen Situation, die Inflation muss nach unten gehen. Nun glaube ich auch nicht ganz das, was die EZB in ihrer Prognose so sagt, nämlich dass wir nächstes oder übernächstes Jahr wieder auf 2 Prozent unten sein werden – das kann ich mir ganz ehrlich gesagt nicht wirklich vorstellen –, aber es wird auf jeden Fall im kommenden Jahr nach unten gehen, zumindest bestätigen uns das alle Expertinnen und Experten – beginnend am Ende dieses Jahres, dann im kommenden Jahr noch mehr.

Wichtig ist, dass wir heute in einem großen Umfang Maßnahmen zur Entlastung der Menschen auf den Weg bringen – heute wieder und auch wieder in der nächsten Parlamentssitzung –, und ich hoffe, dass es in diesem Kampf gegen die Teuerung wirklich eine breite Zustimmung gibt, denn ansonsten würden das die Menschen in Österreich, glaube ich, auch nicht verstehen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

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