9.08

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer hier und via Livestream! Ganz besonders Julia möchte ich grüßen, die hat sich das so gewünscht.

Ich habe mir das gestern angeschaut: Wenn man sich auf dem Twitter-Account vom Herrn Bundeskanzler anschaut, was er so twittert, also welche Prioritäten er kommunikativ setzt, dann muss man schon sehr weit zurück­scrollen, um irgendetwas zur Inflation zu finden.

Am 25. Mai sagt er: „Die Strompreise müssen runter!“, was immer wieder originell ist, wenn man weiß, dass viele – eigentlich alle – Landesenergie­ver­sorger in staatlicher Hand sind. Dann geht man noch weiter zurück und findet gerade noch etwas am 17. April – da gab es diesen Inflationsgipfel, der ja eine ziemliche Nullnummer war.

Wenn man aber hören und lesen muss, auf welche Themen sich die ÖVP derzeit konzentriert, so kann man wirklich nur zum Schluss kommen: Ihr seid echt nicht mehr ganz bei Trost, welche Prioritäten ihr derzeit in eurer Politik setzt! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – He-Rufe bei der ÖVP.)

Die Inflation betrug im Mai 8,8 Prozent, die Preise steigen also immer weiter und immer weiter, und ihr feiert das schon als großen Erfolg ab, dass die Inflation, die Anfang des Jahres 11 Prozent, dann 10 Prozent, dann drei Monate lang 9 Prozent betrug, jetzt gesunken ist. Das ist einfach – wie soll man sagen? – eine Chuzpe, was man erkennt, wenn man sich anschaut, dass die Inflation in der Eurozone im Mai mit 6,1 Prozent deutlich – und zwar wirklich deutlich – geringer war als in Österreich. In Österreich werden auch weiterhin die Preise schneller und deutlicher höher als in anderen europäischen Ländern. Das belastet die Menschen und das belastet selbstverständlich auch die Wirtschaft.

Der Wohlstand schrumpft; die Wirtschaft stagniert; der produzierende Bereich, die Industrie ist in einer Rezession – aber darüber redet ihr überhaupt nicht. Die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs sinkt massiv. Wir sinken da gegenüber anderen, vergleichbaren Ländern in der Eurozone dramatisch ab. Das liegt an den steigenden Staatsschulden; das liegt daran, dass keine strukturellen Reformen in Bezug auf Nachhaltigkeit der Sozialsysteme umgesetzt wurden; das liegt am Personalmangel; das liegt an der hohen Steuerlast; das liegt an einer Staatsquote von mittlerweile 56 Prozent – aber ihr, meine Damen und Herren von der ÖVP, führt gemeinsam mit eurer Zwillingspartei FPÖ einen feurigen Kulturkampf gegen das Gendern, als ob das das wichtigste Thema in Österreich wäre. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Amesbauer: Hallo, hallo! – Abg. Kickl: Das ist auch wichtig!)

Ihr führt einen Kulturkampf gegen Freihandel – angetrieben vom Bauernbund –, als ob wir es uns aussuchen könnten, woher der Wohlstand kommen soll, und ihr erhebt das Normaldenken zur Staatstugend. Wisst ihr, was sich normal denkende Leute angesichts solch einer Prioritätensetzung denken? – Ihr veräp­pelt uns doch alle und es ist wirklich nicht normal, dass ihr auf solche Themen setzt, während es der Wirtschaft schlecht geht und die Preise immer weiter steigen.

Was tut ihr also, um die Inflation zu bekämpfen? – Na ja, nicht besonders viel, eigentlich nichts, sondern ihr befeuert sie auch noch. Sie, Herr Finanz­minister, haben das, was man expansive Fiskalpolitik nennt – koste es, was es wolle! –, gemacht, nämlich die ganz, ganz große Gießkanne auf Kosten der Steuerzahler und auf Kosten der nächsten Generation, also auf Pump, ausgepackt und sind mit dieser Gießkanne durchs Land gezogen: Im Zeitraum Jänner 2022 bis 2023 haben Sie Ausgaben im Ausmaß von 48,7 Milliarden Euro beschlossen; bis Ende dieses Jahres werden es 60 Milliarden Euro sein. (Beifall bei den NEOS.)

Das ist schon eine sehr große Gießkanne, die zulasten der Steuerzahler und natürlich zulasten der Schulden, die weiter steigen, geht. Jetzt könnte man auf die Idee kommen und sagen: Na ja, da geht es darum, treffsicher den ärmsten Haushalten zu helfen. – Schauen wir uns das ganz genau an: 9 von 10 Euro, die Sie ausgegeben haben – 9 von 10 Euro! –, haben Sie völlig einkommens­unab­hängig verteilt – die ganz, ganz große Gießkanne. Die Steuerzahler subventionie­ren einander diese Förderungen, Boni und die Stromrechnung, und das Ganze auch noch um den Preis von deutlich steigenden Schulden.

Sie, Herr Finanzminister, sind der größte Krisenprofiteur. Ich habe mir das ange­schaut: Bei der Umsatzsteuer verzeichnen Sie ein Plus an Mehr­einnahmen von 3 Milliarden Euro; bei der KESt, also der Kapitalertrag­steuer verzeichnen Sie ein Plus von 1 Milliarde Euro; bei der Lohnsteuer ist es ein Plus von 2 Milliarden Euro. Die Einnahmen sprudeln also. Allein über diese drei Steuerarten ist ein Plus zusätzlicher Einnahmen im Ausmaß von 6 Milliarden Euro in Ihr Säckel – natür­lich nicht in Ihre persönlichen Taschen, aber mehr oder weniger in die Säckel des Finanzministers – geflossen.

Jetzt, nachdem Sie monatelang mit der Gießkanne die Inflation befeuert haben, besinnen Sie sich, warnen vor der Lohn-Preis-Spirale, die es natürlich gibt, und mahnen Zurückhaltung bei den Löhnen ein. Das finde ich eine weitere Chuzpe, weil Sie das selber in der Hand haben, Herr Finanzminister. Sie haben es selber in der Hand, gute Politik, also nicht Ihre Politik, zu machen. (Ruf bei der ÖVP: Eure?!) Eine Politik, die die Menschen nicht im Stich lässt, würde jetzt tatkräftig anpacken und nicht Arbeitsverweigerung betreiben, wie Sie das tun. Krempeln Sie einmal die Ausgaben um und setzen Sie massiv auf steuerliche Entlastung, vor allem bei den Lohnnebenkosten! (Beifall bei den NEOS.)

Jetzt möchte ich das ganz konkret machen, ganz konkret, weil es ja oft so nebulos ist, damit man sich auch wirklich etwas Konkretes vorstellen kann: Wir stehen jetzt im Sommer vor der nächsten Lohnverhandlungsrunde, in der Arbeitgeberseite und Arbeitnehmerseite verhandeln werden, in welchem Ausmaß die Löhne steigen. Wie gesagt steht die Inflation im Mai immer noch bei 8,8 Prozent, also die Menschen spüren das schon.

Unser ganz konkreter Vorschlag: Packen Sie einmal die Gießkanne weg und nützen Sie die Mehreinnahmen, indem Sie die Betriebe und die Arbeitnehmer bei den Lohnnebenkosten im Ausmaß von 6,5 Prozent entlasten. Das ist ein Entlastungsvolumen von 8,9 Milliarden Euro. Die Details, wie das geht, hat uns Economica genau vorgerechnet. Das bringt einen Spielraum für 5 Prozent höhere Nettolöhne. Das heißt, alle Löhne könnten um 5 Prozent steigen, ohne dass die Kosten auf Arbeitgeberseite und damit die Preise weiter steigen würden. Das ist natürlich gute Politik, die den Menschen zugutekommt und nicht die Inflation weiter befeuert. (Beifall bei den NEOS.)

Damit man sich das vorstellen kann: Bei einem durchschnittlichen Einkommen eines Vollzeitangestellten, 3 200 Euro brutto, wäre das ein Mehr, ohne dass der Arbeitgeber noch zusätzlich etwas drauflegt und die Kosten steigen, von 1 600 Euro netto im Jahr. Mit mehr Einkommen besser auskommen – das ist unser Ansatz, das ist der Ansatz der NEOS.

Es geht darum, dass die Menschen in Österreich gut leben wollen und sollen, besser leben wollen und sollen, als sie das tun, und dass sie vor allem einen Spiel­raum haben, sich vielleicht auch wieder ein Vermögen aufzubauen, denn das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Das ist nämlich das, was die Menschen wollen: Die wollen vorankommen und sich etwas schaffen. Ihr aber habt die Leistungsträger in diesem Land nach knapp 40 Jahren ÖVP-Regierungsbeteili­gung schon lange im Stich gelassen. Nichts ist nämlich mit: Leistung muss sich wieder lohnen und faire Spielregeln für alle!, wenn die Steuerlast so enorm hoch ist und es sich manche – ja, manche! –, weil sie einen guten Draht zum Generalsekretär des Finanzministers oder des damaligen Finanzministers haben, auch mit der Steuer richten können, während Sie bei all jenen, die hart arbeiten, brutal hineinfahren. (Beifall bei den NEOS.)

Die Menschen wollen vorankommen, sie wollen sich etwas aufbauen, sie wollen nicht mit Gutscheinen alimentiert werden, sondern sie wollen mehr Netto vom Brutto und auch die Chance, sich etwas im Leben zu schaffen und aufzu­bauen, haben. Sie haben es in der Hand, das möglich zu machen! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

9.16

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundes­minister. Ich darf ihm das Wort erteilen.