10.05

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrtes Hohes Haus! Ich habe eigentlich eine Rede vorbereitet, ich muss sie aber leider zum Teil verwerfen, denn, Herr Finanzminister, man muss ja fast auf Ihre Aussagen heute hier eingehen. (Bundesminister Brunner: Gerne!) – Gerne, sagen Sie.

Die Faktenlage ist nämlich klar: Die Inflation ist ungebrochen hoch. Wir liegen in Österreich mit immer noch circa 8 Prozent Inflation deutlich höher als in vergleichbaren Ländern, auch höher als im EU-Schnitt. (Abg. Obernosterer: Hast nicht zugehört?) 8 Prozent Inflation, das bedeutet auch, dass die Produkte weiterhin um 8 Prozent teurer werden; also wir haben weiterhin einen Preisanstieg zu verzeichnen. Und die Teuerung geht munter weiter. Wir haben jetzt drei Tage lang Sitzungen, in denen in keinen einzigen Preis eingegriffen wird – um auch das noch einmal zu sagen. Wir hätten also jetzt wieder drei Tage lang die Chance, aber wir ändern daran nichts. Dann stellen Sie sich als Finanzminister – verantwortlich für diese Inflation (Abg. Obernosterer: Natürlich! Natürlich! Natürlich!) – her, schauen dabei zu, wie wir nicht in die Preise eingreifen, und sagen: Die Inflation sinkt ja eh!, und feiern die tolle Regierungs­arbeit ab. Da muss man schon entweder sehr, sehr mutig oder aber sehr, sehr gleichgültig sein, um heute hier so eine Nummer zu bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Und jetzt kommt es: Wenn man dann, während die Preise davongaloppieren und der Urlaub für die hart arbeitenden Menschen in Österreich kaum leistbar ist – jede vierte Familie bleibt zu Hause, weil es sich nicht ausgeht –, im selben Atem­zug sagt: Die Löhne dürfen aber nicht steigen!, dann macht man einfach Politik gegen arbeitende Menschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie machen Politik gegen arbeitende Menschen! Das ist einfach so.

Wir diskutieren derzeit aber eigentlich eine Aktuelle Stunde der NEOS mit dem Titel: „Steuern und Abgaben auf Arbeit senken“. – Grundsätzlich begrüßens­wert – so weit schenke ich euch das, liebe NEOS –, denn ja, wir haben tatsäch­lich sehr hohe Steuern sowohl auf Lohn als auch sonst im Bereich der Einkommensteuer – auch höher als im EU-Schnitt, auch höher als im OECD-Schnitt. (Abg. Pfurtscheller: Die Sozialleistungen und Familienleistungen sind auch höher!) Das ist natürlich ein Problem, und das benennen wir als SPÖ schon seit Jahren, also ja, diese Steuern müssen runter.

Aber: Stimmt das Bild vom Höchststeuerland Österreich, das die NEOS und auch die ÖVP, auch der Herr Finanzminister, auch die FPÖ hier zeichnen? – Na ja, nur zum Teil. (Ruf bei den NEOS: Es geht schon noch höher!) Sie können nicht immer nur die halbe Wahrheit erzählen. Hier werden die ganze Zeit die OECD-Zahlen zitiert, laut denen Österreich bei den Steuern am vierten Platz liegt – absolut korrekt (Abg. Scherak: Wir sollten Erster werden, oder?) –, aber genau dieselben Zahlen zeigen auch, dass wir, was die Besteuerung von Vermögen betrifft, ganz unten liegen, am fünftletzten Platz; da kommt nach uns fast gar nichts mehr. (Abg. Meinl-Reisinger: Aber dann schauen Sie sich einmal die Gesamtsteuerbelastung an!) Sie sagen immer nur die halbe Wahrheit. Die arbeitenden Menschen besteuern wir sehr, sehr hoch; die Millionäre und Milliardäre in diesem Land besteuern wir kaum. (Abg. Meinl-Reisinger: Aber schauen Sie sich die Gesamt­steuerbelastung an!) Das ist die Ungerechtigkeit, die wir angehen müssen und die wir beenden müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Mehr als 80 Prozent des gesamten Steueraufkommens zahlen die arbeitenden Menschen, die Pensionist:innen, die Konsument:innen – mehr als 80 Prozent! Nur 20 Prozent kommen aus Steuern auf Vermögen oder Gewinne. Diese Schieflage werden wir hoffentlich beenden. Deswegen: Ja, Steuern auf Arbeit runter!, aber auch: Ja, Steuern auf Vermögen endlich rauf! (Beifall bei der SPÖ.)

Das wäre ausgewogen. Wer nämlich nur sagt: Steuern auf Arbeit runter!, ohne Gegenfinanzierungsmodell – und da geht es um Milliarden, von denen Sie hier sprechen, liebe NEOS, aber auch alle anderen konservativen Parteien dürfen sich angesprochen fühlen –, wer kein Gegenfinanzierungsmodell liefert (Abg. Meinl-Reisinger: Haben wir! Haben wir!), der spricht natürlich entweder von Leistungskürzungen oder von neuen Schulden. So ehrlich muss man dann natürlich auch sein. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Die SPÖ ist gegen neue Schulden!)

Ich weiß schon, wir wollen das alles immer mit den Verwaltungsreformen finanzieren, aber – Entschuldigung! – diesen Schmäh haben wir auch schon zu oft erzählt bekommen. Erinnern wir uns noch an die Patientenmilliarde? Was hat es da nicht immer geheißen: Sparen im System! 1 Milliarde Euro für die Patient:innen! – So hörten wir es von ÖVP und FPÖ. – Nichts ist es geworden! Jetzt liegen die Zahlen vom Rechnungshof vor: Diese Reform kostet etwas! Nichts ist mit Sparen im System! Keine besseren Versicherungsleistungen gibt es! Draufzahlen tun wir! (Abg. Höfinger: Der Rechnungshof ist auch nicht ...! – Abg. Kickl: Meine Güte!)

Deshalb: Die NEOS sind ja wenigstens ehrlich. Ich habe Kollegen Scherak in der „ZiB“ zugehört, er hat ja Vorschläge gemacht. Auf die Frage, wo man sparen will, wurde angeführt: zum Beispiel im Gesundheitssystem. – Wenn ich höre: Sparen im Gesundheitssystem!, dann muss ich schon sagen, schauen wir einmal hin: Wir sehen einen Pflegemangel (Abg. Meinl-Reisinger: Föderalismus! Förderalismus!), wir sehen einen Mangel an Kassenärzt:innen, wir sehen Patient:innen, die monatelang auf einen Termin warten müssen, wenn sie überhaupt einen finden (Abg. Kickl: Besonders arg ist es in Wien!); es gibt ganze Regionen, wo man keinen Kinderarzt auf einer Kassenstelle mehr bekommt. (Abg. Kickl: Und besonders arg ist es in Wien!) Das ist die Situation im Gesundheits­bereich, und da reden Sie von Kürzungen?! (Beifall bei der SPÖ.)

Investieren müssen wir endlich, damit die Leistungen wieder passen. Es gibt ein Anrecht auf einen Termin beim Arzt – das ist der Punkt. (Abg. Loacker: Neue Partie der Sozialversicherung verzockt das Geld! ...! – Abg. Kucher: Wo ist denn die Patientenmilliarde?) Ja, jetzt ist da die große Aufregung. Jede Reform, durch die man mit dem Steuergeld effizienter umgeht, werden wir mittragen, aber diese Märchen, dass Sie durch irgendeine Verwaltungsreform Milliarden einsparen, die glaubt Ihnen niemand mehr, und das ist auch ganz einfach gesagt ein Blödsinn. (Abg. Scherak: Weil ihr nie eine Verwaltungsreform zusammengebracht habt! – Abg. Meinl-Reisinger: Weil ihr es nie macht!) Erzählen Sie keine Märchen! (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer. – Abg. Meinl-Reisinger: Die skandinavischen Länder, die skandinavische Sozialdemo­kra­tie ...!)

Ganz klar: Runter mit den Steuern auf Arbeit, rauf mit den Steuern auf Millionenvermögen! (Abg. Meinl-Reisinger: Arbeitsverweigerung ist das! Arbeits­verweigerung!) Dann haben wir eine gerechte Finanzierung und müssen nicht im Gesundheitsbereich oder im Bildungsbereich sparen, wo die Investitionen so dringend notwendig sind. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.10

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kassegger. – Bitte.