16.33

Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Menschen im Haus und zu Hause! Liebe Schülerinnen und Schüler! Liebe Lehrkräfte und liebe Eltern! Morgen ist im Westen Zeugnistag und die „Oberösterreichischen Nachrichten“ haben den Minister gefragt, welches Zeugnis er sich denn geben würde. Der Minister hat geantwortet: „Man benotet sich nicht selbst“. – Das ist bezeichnend. Das ist ein Bildungsminister, der das Grundprinzip des Lernens offenbar nicht verstanden hat: die Selbstreflexion. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Salzmann: Du bist Lehrerin! Würdest du dich selbst benoten?)

Zeugniszeit ist übrigens in den Schulen immer die stressigste Zeit. Besonders stressig wird es dann – und jetzt richten wir den Blick von Wien einmal nach Oberösterreich, in ein ÖVP-geführtes Bundesland –, wenn eine Woche vor Schulende das Zeugnisprogramm komplett geändert wird. Wie es in Österreich so üblich ist, funktionieren die Dinge dann immer einwandfrei, so einwandfrei, dass man fünfmal nachschauen muss, ob die Eingaben, die man gemacht hat, eh übernommen worden sind. Und wenn man dann auf Drucken drückt, kommen die Zeugnisse erst recht wieder falsch heraus, und man muss wieder von vorne beginnen. Das ist es, was die Menschen und die Lehrkräfte in Österreich so zermürbt.

Ein anderes Beispiel: Als Klassenvorstand habe ich pro Woche circa 2 Schul­stunden darauf verwendet, dass ich Herrin dieser ganzen Zettelwirtschaft werde – vom Einverständnis zur Verabreichung von Kaliumjodidtabletten über das Eintragen von Entschuldigungen. Darüber hinaus habe ich dann auch noch die Rolle des Sheriff of Nottingham übernommen und als Geldeintreiber fungiert (Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger) – für die Weihnachtskartenbestellung vom Jugendrotkreuz bis hin zum Werkbeitrag. Dabei musste ich nicht – und es ist so schön, dass der Landwirtschaftsminister auch dasitzt – auch noch als Schulmilchbrokerin tätig werden wie die Volksschullehrerin meiner Tochter.

In meinem Fall war es oft doppelt bitter, weil die Stunden, in denen ich das Organisatorische erledigen musste, doppelt besetzt waren. Das heißt, es sind 4 Wochenarbeitsstunden für das Organisatorische draufgegangen. Auf das Jahr gerechnet waren das 150 Arbeitsstunden für eine einzige Klasse – Stunden, in denen wir den Kindern eigentlich Lesen, Schreiben, Rechnen und den Rest hätten beibringen sollen. Diese Zeit hat für Beziehungsarbeit gefehlt. Das waren Stunden, die für den Klassenrat gefehlt haben. Das war Zeit, die gefehlt hat, um Konflikte zu lösen und Streit zu schlichten.

Um eine Lehrkraft übrigens vollends in Angst und Schrecken zu versetzen, muss man nur ein Wort in den Mund nehmen, und dieses Wort heißt Dienstweg. Damit komme ich zu den Bildungsdirektionen. Am 3. August 2022 habe ich ein Mail an die Bildungsdirektion Oberösterreich geschickt und nachgefragt, wie es denn ausschaut, ob sie mich wieder als Lehrkraft habe möchte und wie das mit dem Gehaltsschema sein würde. – Ich habe bis heute keine Antwort bekommen. (Abg. Salzmann: An die richtige Mailadresse?) Der Lehrkräftemangel kann also gar nicht so schlimm sein, Herr Minister, oder?

Was wir daraus lernen: Dieser Flaschenhals Bildungsdirektion muss einfach weg. Wir brauchen Servicestellen, die wirklich funktionieren, und ja, wir brauchen Schulautonomie. Es wurde so dargestellt, als ob es in Österreich so leicht sei, eine Lehrkraft einzustellen – ist es nicht. Es ist ein Pingpong zwischen Bildungs­direk­tion, den Bildungsregionen, die es auch noch gibt, und den Schulen. Dann gibt es noch Versetzungsanträge und Doppelbewerbungen. Die Direktionen müssen eine Lehrfächerverteilung in einem Moment machen, in dem sie nicht einmal noch wissen, wie viele Klassen sie im Herbst haben werden. Im Herbst dürfen sie dann dieselbe Arbeit noch einmal machen. Im schlimmsten Fall stehen sie dann ohne Lehrkräfte da, weil die sich mittlerweile schon woanders bewor­ben und dort eine Zusage bekommen haben.

Wie es anders laufen kann, zeigen uns zum Beispiel die Esten. Dort stellen die Schulen direkt die Lehrkräfte ein. Das heißt aber nicht, dass dort jeder sein eigenes Gehalt bekommt und die das individuell ausmachen. Es gibt ein Basisge­haltsschema, nach dem man sich richtet. In Estland gibt es nur zwei Ebenen. Dort gibt es die nationale Ebene, die vorgibt, was die Ziele sind. Dort hat man sich gemeinsam das Ziel gesetzt, man will das beste Bildungssystem der Welt haben. Die wissen, dass das ihre Ressource ist, mit der sie arbeiten können. Diesen Anspruch würde ich mir auch für Österreich wünschen. (Beifall bei den NEOS.)

Lieber Herr Bildungsminister, obwohl ich kein Fan von Ziffernnoten und vom Sitzenbleiben bin, könnte ich Ihnen als ehemalige Lehrkraft nichts anderes als ein Nicht genügend in allen Fächern geben. Nutzen Sie den Sommer für Nachhilfe, zum Beispiel in Estland, aber auch in Neuseeland, wo man sich ein gutes Modell der Schulfinanzierung sehr gut anschauen kann, oder, was die Leseförderung betrifft, in Großbritannien! Kinder, Eltern und Lehrkräfte haben sich eine bessere Performance verdient, jemanden mit Visionen und Ahnung – für die beste Bildung unserer Kinder. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

16.38

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Marchetti. – Bitte.