17.49

Abgeordneter Christian Oxonitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es gibt in meinem Bezirk Ottakring eine nette Tradition: Die Abgeordnete Nurten Yılmaz hat jedes Jahr beim Gürtel Nightwalk anhand von Protokollen ein paar Schmankerl aus dem Nationalratsleben erzählt. Der Umgang mit diesem Antrag würde sich eigentlich auch ganz gut für zukünftige Lesungen eignen.

Worum geht es eigentlich in diesem Antrag? – Um etwas relativ Einfaches: Wir verlangen nicht die Neuerfindung des Internets oder künstliche Intelligenz, wir wollen einfach aufgrund der Tatsache, dass es eine Vielzahl von Ausbildungs­modellen gibt – in allen neun Bundesländern heißen sie unterschiedlich und existieren in unterschiedlicher Weise –, dass es ein einfaches Onlinetool geben soll, bei dem man eingibt: Ich komme aus Wien, ich habe drei Jahre in einem Kindergarten gearbeitet, ich habe Matura oder ich habe keine Matura, ich bin so und so alt – patsch, und es kommt heraus, welche Ausbildungsmodelle es für mich geben würde, wenn ich Elementarpädagoge werden will. – So nett, so einfach.

Also ich glaube, das kann wahrscheinlich sogar einer der Mitarbeiter im Minister­büro programmieren. (Abg. Matznetter – erheitert –: Nein!) Das war eigentlich das ganze Begehr, weil wir merken, dass viele Interessentinnen und Interes­senten einfach daran scheitern herauszufinden, unter welchen Voraus­setzungen sie welchen Lehrgang machen können.

Heraus kommt ein Antrag, bei dem man sagt, den will man ablehnen, dem will man nicht zustimmen. Es kommt ein neuer Antrag (ein Schriftstück in die Höhe haltend), bei dem man sagt, man soll die Ausbildungsoffensive fortsetzen – ja, in Gottes Namen.

Der zweite Punkt belegt eigentlich schon fast die Notwendigkeit eines solchen Tools, der lautet: Mit „der Schaffung der neuen Ausbildungsmöglichkeiten und insbesondere der Modelle für Quereinsteiger – den HLG ‚Elementarpädagogik‘, den HLG ‚Inklusive Elementarpädagogik‘, den HLG ‚Quereinstieg Elementar­pädagogik‘, den 2-semestrigen LG für Absolventen und Absolventinnen der BASOP, den Aufbaulehrgang“, bla, bla, bla.

Ich könnte jetzt noch ein paar aufzählen. Ich möchte jetzt nicht fragen, ob man weiß, welche Zugangsmöglichkeiten man zu diesem Bereich hat. (Abg. Matznetter: Den Minister fragen, ob er es weiß!) Man merkt also, wie dringend es notwendig wäre. Dann, um ein bisschen auf den Ursprungsantrag Bezug zu nehmen: eine „Online-Darstellung“, sprich ein Organigramm.

Warum man dem Ursprungsantrag nicht zustimmen kann, bleibt mir ein Rätsel. Sei’s drum! Ich glaube, es ist dringend notwendig. Ich werde draufbleiben. Etwas Einfacheres kann es eigentlich nicht geben.

Ich möchte aber, da es in der Elementarpädagogik insgesamt um einen wesentlichen Bildungsbereich geht und Sprachförderung dort eine Rolle spielt, auch bei diesem Tagesordnungspunkt folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Oxonitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Implementierung eines neuen Konzepts zur Sprachförderung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der die Abschaffung der Deutschförderklassen und die Implementierung eines neuen Konzeptes zur Sprachförderung an öster­reichischen Schulen vorsieht. Dabei sollen die Ergebnisse verschiedener Studien und Evaluationsberichte in einem ganzheitlichen Modell berücksichtigt werden und sich insbesondere am Sprachschlüssel-Konzept der Arbeiterkammer orientie­ren, um langfristige, individuelle und inklusive Sprachförderung zu ermög­lichen.“

*****

Wenn man dem Antrag (auf das Schriftstück deutend) nicht zustimmt, viel­leicht kann man ja dem (auf den soeben eingebrachten Antrag deutend) zustim­men. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.52

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Oxonitsch, Petra Tanzler,

Genossinnen und Genossen

betreffend Implementierung eines neuen Konzepts zur Sprachförderung

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 12 über den Antrag 3420/A(E) der Abgeordneten Christian Oxonitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines Online-Tools zur Orientierung über mögliche Ausbildungsprogramme in der Elementarpädagogik. (2133 d.B.)

Sprachliche Fähigkeiten sind grundlegend für erfolgreiche Lernprozesse sowie Bil­dungs­wege und ermöglichen soziale Teilhabe. Die Förderung der sprachlichen Fähigkeiten soll die Potentiale der Kinder bestmöglich unterstützen und eine gute Grundlage für den Eintritt in die Schule legen. Elementarpädagog:innen kommt damit eine Schlüsselrolle in der sprachlichen Förderung zu. Die Aus- und Weiterbil­dung aller Pädagog:innen, aber auch die ausreichende Personalausstattung von Kindergärten sind dafür entscheidende Ansatzpunkte. Auch deshalb braucht es dringend eine geeignete Strategie um den Mangel an Pädagog:innen in der Elementarpädagogik zu bekämpfen. Das gilt in der weiteren Folge auch für den Schulbereich, der ebenfalls über einen Mangel an Lehrkräften klagt.

Dass mehr Lehrkräfte ein wichtiger Schlüssel in der Sprachförderung wären, bestätigt auch das Beispiel der Deutschförderklassen, die im Schuljahr 2018/19 unter türkis-blau eingeführt wurden. Zu große Klassen aufgrund fehlender Teilungszahlen bieten zu wenige Sprechgelegenheiten für Schüler:innen und machen Individualisierung der Förderung unmöglich.

Auch die kürzlich veröffentlichte Befragung der Universität Wien1 vom 26. Juni 2023 bestätigt erneut, was Expert:innen und Praktiker:innen bereits seit der Einführung wissen: Deutschförderklassen sind für die Schulpraxis unbrauchbar und führen zu weiteren Nachteilen für Kinder, deren Erstsprache nicht Deutsch ist2. Die Befragung zeigt, dass ein Drittel der Schuldirektionen die ministeriellen Vorgaben zur Deutschförderung in der Praxis nicht umsetzt. Zudem geben mehr als die Hälfte der Schulleiter:innen an, dass es ihnen an ausreichendem Raum und Lehrpersonal für Deutschklassen mangelt.

Die Deutschförderklassen wurden eingeführt, um Schüler:innen, die die Unterrichts­sprache nicht ausreichend beherrschen, zu fördern. Die Realität zeigt, dass derzeit ein Fünftel der Schulleiter:innen (aufgrund fehlender Förderressourcen) Kinder die nicht ausreichend Deutsch sprechen, als außerordentliche Schüler:innen in Vorschulklassen einschiebt, obwohl diese eigentlich für nicht schulreife Kinder gedacht sind und nicht für Kinder die eine zusätzliche Sprachförderung benötigen. Es gibt auch Fälle, in denen Schülerinnen bewusst als außerordentliche Schüler:innen eingestuft werden, um mehr Sprachfördermittel zu erhalten. Die befragten Lehrkräfte bevorzugen überwiegend inklusive Modelle des Unterrichts und zweifeln an der ethischen Vertret­barkeit von Deutschförderklassen. Der Einstufungstest MIKA-D und die Regelung, dass ein Nichtbestehen des Tests zum Ende des ersten Semesters unausweichlich zur Wiederholung der Klasse führt, wird ebenfalls von über zwei Drittel der Lehrkräfte abgelehnt. Hier beginnt das Aussortieren von Tag eins, das Kindern wertvolle Zeit auf ihrem Bildungsweg raubt. Für die Betroffenen und deren Eltern, die gerade versuchen in Österreich Fuß zu fassen, ist es unerträglich, dass Kinder durch mehrmaliges Wiederholen einer Klasse auf dem Bildungsweg zurückgelassen werden. Es meldeten sich vor allem ukrainische Familien und zweifeln daran, noch in Österreich zu bleiben, wenn ihre Kinder hier keine ausreichende und gleichwertig Bildung bekommen3. Zwar wurde für das heurige Jahr eine Lösung gefunden, diese wurde aber den Schulen erst drei Tage vor Schulende mitgeteilt. Warum die präsentierte Regelung nur für ein Jahr gilt, ist völlig unverständlich. Die Probleme werden sich nicht innerhalb von 12 Monaten in Luft auflösen. Laut Auskunft des Bundesministers arbeitet das Ministe­rium nun an einer langfristigen Lösung, um jenen Schüler:innen, die den MIKA-D-Test erst mit Jahresende bestanden haben einen Übertritt in eine andere Schulform zu ermöglich4.

Die derzeitige Situation und die neuen Befragungsergebnisse verdeutlichen erneut wie wichtig es ist, endlich eine zielführende und nachhaltige Alternative zu den segregierenden und benachteiligenden Deutschförderklassen zu finden. Zahlreiche Studien zeigen, dass der frühestmögliche Sprachkontakt mit gleichaltrigen Kindern, die in der Unterrichtssprache sprachlich kompetent sind, besonders wichtig für das Erlernen der Alltags- und Unterrichtssprache ist. Kinder lernen im sozialen Kontakt, im Spiel, auf dem Pausenhof, im normalen Unterricht – also in natürlichen Sprach­situationen. So wächst automatisch ihre Vertrautheit und Sicherheit im Umgang mit der deutschen Sprache. Überwiegend parallele Förderung, wie die Deutschförder­klassen sind nicht zielführend. Es braucht eine integrierte Förderung mit gegebenen­falls additiven Unterrichtseinheiten, aber keine gesonderten Klassen, die Kinder aufteilen und weitere Ungleichheiten schaffen5. Die Regierung muss endlich ins handeln kommen und diesen Fehler revidieren. Unsere Bildungseinrichtungen müssen Orte sein, wo Gemeinschaftsgefühl und Solidarität gelebt wird, wo alle Kinder einen Platz haben und individuell nach ihren Bedürfnissen gefördert werden. Es braucht einen Sprachförderung, die Kinder dort fördert, wo sie es brauchen und sie nicht mit Überprüfungen und Ausgrenzung konfrontiert. Konzepte, wie der AK Sprachschlüssel6 liegen auf den Tisch, sie müssen nur umgesetzt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzes­entwurf vorzulegen, der die Abschaffung der Deutschförderklassen und die Implementierung eines neuen Konzeptes zur Sprachförderung an österreichischen Schulen vorsieht. Dabei sollen die Ergebnisse verschiedener Studien7 und Evalua­tionsberichte8 in einem ganzheitlichen Modell berücksichtigt werden und sich insbe­sondere am Sprachschlüssel-Konzept der Arbeiterkammer orientieren um lang­fristige, individuelle und inklusive Sprachförderung zu ermöglichen.“

1 Ergebnisse_OnlineErhebung_DFK_Juni23.pdf (univie.ac.at)

2 Deutschförderklassen – Studie ortet Weiterentwicklungsbedarf (apa.at)

3 Jede dritte Schulleitung hält sich bei Deutschklassen nicht an Vorgaben - Bildung - derStandard.at › Inland

4 https://www.derstandard.at/story/3000000176523/ministerium-arbeitet-an-aufstiegsl246sung-f252r-ukrainische-sch252ler

5 AK_INFO_Sprachschlüssel_4.Fassung.indd (arbeiterkammer.at)

6 AK_INFO_Sprachschlüssel_4.Fassung.indd (arbeiterkammer.at)

7 Müller B., Schweiger H. (2022): Abschlussbericht Forschungsprojekt Deutschförderklassen an der VS Deckergasse. AK Wien und Universität Wien.

8 Spiel C., Popper V., Holzer J. (2022): Evaluation der Implementierung des Deutschfördermodells. BMBWF.

*****

Präsidentin Doris Bures: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Agnes Totter. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)