19.30

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Justizministerin! Ich darf mich den Ausführungen meiner Vorredner natürlich anschließen, sie sind über weite Strecken positiv; selbst bei Kollegen Bürstmayr muss man etwas Positives erwähnen, nämlich dass er dem Verteidigungskostenersatz wohlwollend zugestimmt hat. Das ist zwingend notwendig, wir kämpfen gemeinsam mit der Rechtsanwaltskammer seit Jahrzehnten dafür.

Ich bin auch – ich habe jetzt den Entwurf gelesen – vom GmbH-Recht positiv überrascht, dass wir da einen Schritt in die neue Richtung in Europa setzen, auch mit der Reduzierung des Grundkapitals oder Stammkapitals auf 10 000 Euro. Hoffentlich passiert nicht derselbe Fehler wie beim letzten Mal, als man vergessen hat, die Steuer zu berechnen, und dann wieder einen Schritt retour machen musste.

Zwei Punkte muss ich trotzdem offenlassen, da geht es um ein persönliches Anliegen. Ich hoffe, dass dem nähergetreten wird, weil das jetzt das fünfte Mal ist, dass ich diesen Antrag stelle; das betrifft eine Vereinbarung zwischen dem Sozialminister und dem Justizministerium. Es sind nämlich alle unsere Häftlinge in Österreich privat versichert. Als wir gestartet haben, waren wir bei 70 Millionen Euro, mittlerweile sind wir bei 128 Millionen Euro.

Es wird doch nicht unmöglich sein, dass sich ein Sozialminister mit der Justizministerin an einen Tisch setzt und unter Einbeziehung des Hauptverbandes eine Regelung herbeiführt, denn: Wie kommen der österreichische Steuerzahler und die österreichische Steuerzahlerin dazu, dass wir private Versicherungen für die Häftlinge abschließen? Das geht nicht an, daher gehört dieses Werk absolut reformiert, und das relativ rasch. (Beifall bei der FPÖ.) Wir haben das auch gemeinsam mit Kollegen Lausch ein paar Mal eingebracht, es war letztendlich nicht möglich.

Man muss es schon auch ein bisschen relativieren: Das Budget macht der Steuerzahler, nämlich insofern, als die höchsten Einnahmen im Justizbereich die Gebühren für das Grundbuch und die Pauschalgebühren für die Klagsverhandlungen sind. Wir haben mittlerweile eine Zweiklassenjustiz, nämlich insofern, als sich viele Menschen eine Klage gar nicht mehr erlauben können, weil sie die Pauschalgebühren nicht mehr entrichten können, da diese sich am Streitwert orientieren. Das ist eines der Hauptprobleme.

Der Grund dafür, dass Ihnen jetzt 200 Millionen Euro in diesem Budget abgehen – wenn Sie sich das anschauen: von 1 720 000 000 Euro auf 1 520 000 000 Euro –, sind die Transferzahlungen im Bereich des Immobiliensektors. Da haben Sie letztendlich auch die Verantwortung, die KIM-Verordnung nochmals zu evaluieren. Von 27 Staaten haben sie bis dato lediglich zwölf umgesetzt, die restlichen haben sich dagegen gesträubt. Italien und andere Südstaaten haben sich überhaupt geweigert, das umzusetzen.

Sie sehen das in Ihrem Budget abgebildet, und daher kann ich jetzt zusammenfassend nur noch einmal sagen: Es ist viel weitergegangen; gleichzeitig aber auch: Sorgen Sie dafür, dass die Schere in der Justiz nicht weiter auseinandergeht!

Abschließend darf ich noch einen Entschließungsantrag zu unserem Anliegen einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, insbesondere die Bundesministerin für Justiz und der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, welche die Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung vorsieht. Dieser Regierungsvorlage sollen folgende Eckpunkte zugrunde gelegt werden:

- Insassen-Status der Häftlinge als Versorgungs- und Abrechnungspfad [...]

- Herkunft der Häftlinge [...]

- Bisheriger Sozialversicherungsstatus der U-Häftlinge und Strafhäftlinge [...]

- Prüfung der Mitversicherungsmöglichkeit bei Angehörigen [...]

- Deckungsbeitrag durch Sozialbeitrag [...]

- Heranziehung von Privatversicherungsleistungen, wo vorhanden bzw. wenn von Angehörigen oder Dritten zur Verfügung gestellt

[...]“

*****

Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

19.34

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Christian Lausch, Mag. Harald Stefan

und weiterer Abgeordneter

betreffend Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung

eingebracht im Zuge der Debatte über den TOP 9, eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 9, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (2178 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2024 (Bundesfinanzgesetz 2024 – BFG 2024) samt Anlagen (2300 d.B.) – UG-13

in der 239. Sitzung des Nationalrates, am 21.11.2023.

Insassen von Justizanstalten sind – sieht man von der Arbeitslosenversicherung für arbeitende Häftlinge ab – nicht sozialversichert. Die Kosten für ihre ärztliche Betreuung und medizinische Behandlung werden unabhängig von der Arbeitsleistung direkt vom Bund getragen. Ärzte und Krankenanstalten verrechnen dem Justizministerium den Tarif für unversicherte Privatpatienten, der deutlich über den von den Sozialversicherungsträgern eingehobenen Beiträgen liegt und in den letzten Jahren stets erhöht wurde.

An dieser massiven Geldverschwendung hat der Rechnungshof schon vor Jahren in seinem Bericht „Kosten der medizinischen Versorgung im Strafvollzug – Bund 2012/3“ deutliche Kritik geübt und Einsparungsmöglichkeiten aufgezeigt. „Die Ausgaben für die medizinische Versorgung von Häftlingen stiegen von 29,34 Mill. EUR (2000) auf 73,76 Mill. EUR (2010). Im Durchschnitt betrugen die Ausgaben pro Häftling 2009 8.418 EUR und waren damit rund dreimal so hoch wie die laufenden öffentlichen Gesundheitsausgaben pro Kopf in Österreich.“, ist weiters dem Bericht zu entnehmen.

Die Gesundheitsausgaben für die Insassen von Justizanstalten steigen trotz des in den letzten Jahren etwa gleichgebliebenen Gesamtbestandes an Insassen weiterhin ungebremst. Derzeit betragen sie schon weit mehr als 100 Millionen Euro (2022 bzw. Budget 2023), wie aus einer Beantwortung von Justizministern Dr. Alma Zadic im Budgetausschuss vom 14. November 2022 an Oppositionsabgeordnete von FPÖ, SPÖ und NEOS hervor geht:

Hafttagkosten pro Häftling 2022: € 162

Krankenanstalten sonstige gesamt 2022: € 12,4 Mio

Unterbringung in öffentlichen psychiatrischen Krankenanstalten

2022 gesamt 2022: € 67,8 Mio.

Zwischensumme öffentliche Krankenanstalten 2022: € 80,2 Mio

Praktische Ärzte, Fachärzte, Zahnärzte extern gesamt 2022: € 7,2 Mio

Zwischensumme externe med. Versorgung (Behandlung): € 87,4 Mio

Anstaltsärzte, Psychiater, Psychologen gesamt 2022: € 5,6 Mio

Eigenes Pflegepersonal 2022: € 6,2 Mio

Zwischensumme justizeigenes Personal: € 11,8 Mio

Personal über Justizbetreuungsagentur 2022: € 19,5 Mio

Zwischensumme zugekauftes medizinisches Personal: € 19,5 Mio

Medikamente 2022: € 9,8 Mio

Zahnersatz und sonstige Heilbehelfe 2022: € 03 Mio

Summe interne medizinische Versorgung: € 41,4 Mio

Gesamtsumme der medizinischen Betreuung: € 128,8 Mio

Krankenversicherung für Häftlinge: Ein Wiedergänger

ÖVP und Grüne wollen im Justizbereich prüfen, Häftlinge in die Krankenversicherung aufzunehmen, um Geld zu sparen. Das stößt bei der SPÖ auf Widerstand: Die Regierung wolle den Versicherten die Kosten für die Gesundheitsbetreuung von Häftlingen umhängen, so die Kritik. Ein Blick zeigt allerdings, dass die Debatte schon alt ist.

Hintergrund ist, dass derzeit die anfallenden Kosten für die medizinische Betreuung von Häftlingen aus dem Budget bezahlt wird. Dabei fallen vergleichsweise höhere Kosten an, weil es keine Gesamtverträge mit Ärztekammer oder Spitälern gibt, wie sie Krankenkassen für ihre Versicherten aushandeln. Laut einer parlamentarischen Anfrage wurden 2018 95 Millionen für die medizinische Versorgung von Häftlingen ausgegeben.

Plan von ÖVP-FPÖ, aber auch SPÖ-ÖVP

Denn der Punkt findet sich nicht nur im aktuellen Regierungsprogramm, sondern ähnlich auch in früheren Regierungsabkommen: „Einbeziehung der Insassen in die gesetzliche Krankenversicherung ohne Einbeziehung der Angehörigen“ hieß es wörtlich im ÖVP-FPÖ-Regierungsprogramm von 2017. Aber auch SPÖ und ÖVP hatten das in ihrer letzten gemeinsam Koalition paktiert. Freilich mit dem Unterschied, dass es dort als Kann-Bestimmung formuliert war: „Prüfung der Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung“.

Ins türkis-grüne Regierungsprogramm wurde die Formulierung von ÖVP und FPÖ wortident übernommen. Allerdings gibt es noch den Zusatz, „Prüfung organisatorischer Alternativen zur Sicherung der medizinischen Versorgung der Insassen". Genannt werden dabei etwa verstärkte Zusammenarbeit mit öffentlichen und privaten Trägern mittels Gesamtvertrags statt vieler teurer Einzelverträge“, „zeitliche Ausweitung der ärztlichen Leistungen in den Anstalten“ und „Kooperation mit Bundesheer“.

Zwei grüne Ressorts zuständig

Zuständig für die Umsetzung sind zwei grüne Ressorts: das Justizministerium von Alma Zadic und das Sozialministerium von Rudolf Anschober. Aus dem Kabinett Anschobers wurde gegenüber ORF.at betont, beide Ressorts würden gemeinsam eine Lösung erarbeiten. Konkrete Schritte gab es bisher keine. Von Grünen-Seite wurde zudem betont, dass die Finanzierung via Krankenversicherung keineswegs fix sei – und auf die im Regierungsübereinkommen festgehaltene Prüfung von Alternativen verwiesen.

Muchitsch: „Das ist unglaublich“

In einer Aussendung hatte Sozialsprecher Josef Muchitsch nach einer Beratung des Regierungsprogramms im Sozialausschuss vor einer zusätzlichen Belastung der Versichertengemeinschaft mit 100 Millionen Euro jährlich gewarnt. „Das ist unglaublich! Das ist Aufgabe des Staates und nicht die der Krankenversicherten“, sagte er.

Krankenversicherung für Häftlinge: Ein Wiedergänger - news.ORF.at

Es geht aber nicht um eine „Verlagerung“ der Kosten in einen Sozialversicherungsträger, wie etwa der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), sondern es muss Kostenwahrheit herrschen und Kriterien wie der Insassen-Status der Häftlinge, die Herkunft der Häftlingen sowie der bisherige Sozialversicherungsstatus herangezogen werden.

Ausgangspunkt - es sitzen aktuell ca. 10.000 Personen in Österreich in Justizhaft - ca. 6.000 Personen verbüßen eine Strafhaft, weitere 4.000 Personen sind in Untersuchungshaft usw.

Wenn die Person, die einer Straftat verdächtig oder beschuldigt wird und deshalb in Untersuchungshaft (U-Haft) kommt eine Krankenversicherung (e-card) hat, läuft diese mal bis zur Hauptverhandlung (rechtskräftiges Strafurteil) weiter. Das heißt bei einer U-Haft (Unschuldsvermutung) könnte man das Justizbudget in Sachen medizinischer Versorgung um 70 Prozent entlastet. Das würde auch in der Justizverwaltung eine Vereinfachung bewirken, da ca. 20 Prozent der Untersuchungshäftlinge bereits vor der Hauptverhandlung wieder auf freien Fuß kommen.

Die ca. 6.000 Strafhäftlinge sind zur Arbeit in der Justizanstalt gesetzlich verpflichtet.  Ihnen wird auch ein Sozialbeitrag (Kranken- und Arbeitslosenversicherungsbeitrag) vom Arbeitsverdienst abgezogen. Wenn er aus der Strafhaft entlassen wird, haben sie deshalb auch Anspruch auf Arbeitslosengeld. Hier könnte man auch zu einem gewissen Deckungsbeitrag für die medizinische Versorgung kommen.

Weitere Problembereiche und Kostentreiber sind:

•          Die Zugangsuntersuchung: Kosten hängen von steigenden Häftlingszahlen ab

•          Der Krankenhausaufenthalt: Der größte Kostentreiber

•          Drogenersatzstoffe: Der 2. größte Kostentreiber

•          Psychisch Kranke:  Der 3. größter Kostentreiber

•          Die Selbstbeschädigung: Mit Folgekosten verbunden

Hier ist eine Gesamtreform notwendig, die folgende Eckpunkte berücksichtigen muss:

-          Insassen-Status der Häftlinge als Versorgungs- und Abrechnungspfad (Untersuchungshäftlinge, Strafgefangene)

-          Herkunft der Häftlinge (Staatsbürger, Ausländer, sonstige EU-Staatsbürger, Drittstaatsangehörige, Staatenlose, Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte, Asylwerber) als Versorgungs- und Abrechnungspfad

-          Bisheriger Sozialversicherungsstatus der U-Häftlinge und Strafhäftlinge: ÖGK, SVS, BVAeB, KFA, Mitversichertenstatus, Sozialhilfe/Mindestsicherung, ausländischer Sozialversicherungsstatus usw.

-          Prüfung der Mitversicherungsmöglichkeit bei Angehörigen, die in ÖGK, SVS, BVAeB, KFA bzw. ausländischer Sozialversicherung versichert sind

-          Deckungsbeitrag durch Sozialbeitrag (Kranken- und Arbeitslosenversicherungsbeitrag) vom Arbeitsverdienst

-          Heranziehung von Privatversicherungsleistungen, wo vorhanden bzw. wenn von Angehörigen oder Dritten zur Verfügung gestellt

Gleichzeitig müssen in dieser Regierungsvorlage die Synergien bei der Verwaltung und Bereitstellung der Gesundheitsversorgung der Häftlinge und die Erstellung eines Basis-Leistungskatalogs und Ergänzungsleistungskatalog für U- und Strafhäftlinge  definiert und final festgelegt werden.“

Darüber hinaus sind im Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung von Untersuchungshäftlingen und Strafgefangenen folgende Fakten zu berücksichtigen bzw. Lösungsansätze zu bewerten und weiter zu verfolgen:

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, insbesondere die Bundesministerin für Justiz und der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, welche die Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung vorsieht. Dieser Regierungsvorlage sollen folgende Eckpunkte zugrunde gelegt werden:

-          Insassen-Status der Häftlinge als Versorgungs- und Abrechnungspfad (Untersuchungshäftlinge, Strafgefangene)

-          Herkunft der Häftlinge (Staatsbürger, Ausländer, sonstige EU-Staatsbürger, Drittstaatsangehörige, Staatenlose, Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte, Asylwerber) als Versorgungs- und Abrechnungspfad

-          Bisheriger Sozialversicherungsstatus der U-Häftlinge und Strafhäftlinge: ÖGK, SVS, BVAeB, KFA, Mitversichertenstatus, Sozialhilfe/Mindestsicherung, ausländischer Sozialversicherungsstatus usw.

-          Prüfung der Mitversicherungsmöglichkeit bei Angehörigen, die in ÖGK, SVS, BVAeB, KFA bzw. ausländischer Sozialversicherung versichert sind

-          Deckungsbeitrag durch Sozialbeitrag (Kranken- und Arbeitslosenversicherungsbeitrag) vom Arbeitsverdienst

-          Heranziehung von Privatversicherungsleistungen, wo vorhanden bzw. wenn von Angehörigen oder Dritten zur Verfügung gestellt

Gleichzeitig müssen in dieser Regierungsvorlage die Synergien bei der Verwaltung und Bereitstellung der Gesundheitsversorgung der Häftlinge und die Erstellung eines Basis-Leistungskatalogs und Ergänzungsleistungskatalog für U- und Strafhäftlinge definiert und final festgelegt werden.

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Mag.a Maria Smodics-Neumann. – Bitte, Frau Abgeordnete.