21.46

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Die Regierungsfraktionen haben es sich leider zur Angewohnheit gemacht, Abänderungsanträge und sogenannte §27-GOG-Anträge möglichst knapp vor der Ausschusssitzung an die Oppositionsparteien zu übermitteln. Das passiert nicht nur im Familienausschuss, das passiert auch in vielen anderen Ausschüssen.

Im vorliegenden Fall wäre diese Vorgehensweise gar nicht notwendig gewesen, denn es war ja völlig klar, dass die Anpassungen, die heute auf der Tagesordnung stehen, vorzunehmen sind. Es war auch klar, dass noch nach dem März 2024 aus der Ukraine vertriebene Menschen in Österreich leben werden und dementsprechend auch der Anspruch auf Familienbeihilfe oder Kinderbetreuungsgeld verlängert werden muss.

Es war auch klar, dass es eine jährliche Anhebung der Zuverdienstgrenze zum einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld geben wird – bereits im August wurden die voraussichtlichen Zahlen dazu veröffentlicht. Beschlossen wird das alles heute, erst heute zum letztmöglichen Zeitpunkt kurz vor Jahresende. Diese verspäteten Beschlüsse verunsichern Familien und erschweren den Institutionen ihre Tätigkeit aufgrund des vermehrten Beratungsaufwands. – Das wäre nicht nötig gewesen.

Bei anderen Themen wäre ich froh, wenn sie es überhaupt auf eine Tagesordnung schaffen würden: Das betrifft das alte, bekannte Thema des Nationalen Aktionsplans gegen Kinderarmut. Ich weiß nicht, wie oft ich es schon wiederholt habe, aber ich finde es einfach beschämend, dass Österreich neben Lettland das letzte Land in der Europäischen Union ist, das immer noch keinen Nationalen Aktionsplan umsetzt. Es ist einfach nur beschämend für Österreich, das immer wieder wiederholen zu müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine weitere langjährige Forderung wartet immer noch auf Umsetzung: Wann werden Sie endlich aktiv und reformieren das Kinderbetreuungsgeld? Wir wissen von vielen Fällen, bei denen es Probleme gibt, wir wissen, dass der Beratungsaufwand für das Kinderbetreuungsgeld für die Institutionen im Vorfeld enorm ist.

Der „Falter“ hat erst vorige Woche wieder das Schicksal einer Mutter auf die Tagesordnung gebracht, die aufgrund eines Krankenstandes den Anspruch auf das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld und damit auf 6 500 Euro jährlich verloren hat.

Das Problem ist bekannt, denn mein diesbezüglicher Antrag wurde mehrfach von Ihnen vertagt und dann schließlich von Ihnen, den Regierungsparteien, auch abgelehnt.

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn laufend Probleme auftreten, dann sollte man auch einmal genauer hinsehen.

Darum bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „erweiterter Beobachtungszeitraum für das Erfordernis der Erwerbstätigkeit beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt wird aufgefordert, dem Nationalrat die gesetzlichen Grundlagen zur Beschlussfassung vorzulegen, die sicherstellen, dass im Zusammenhang mit dem einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld statt des Erwerbstätigkeitserfordernisses von durchgängig 182 Tagen unmittelbar vor der Geburt bzw. unmittelbar vor Beginn des absoluten Beschäftigungsverbotes eine Erweiterung der Beobachtungsfrist auf ein Jahr, innerhalb der das Erfordernis einer 182-tägigen Beschäftigung (nicht zusammenhängend) erfüllt werden muss, vorgesehen wird. Darüber hinaus ist eine EU-rechtskonforme Ausgestaltung des Kinderbetreuungsgeldgesetzes erforderlich, die einen Krankenstand unabhängig von der Dauer mit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichstellt.“

*****

Was sich kompliziert anhört, ist für die Familien unglaublich wichtig.

Sehr geehrte Damen und Herren, nur weil die Reform des Kinderbetreuungsgeldes nicht im Regierungsprogramm steht, heißt das nicht, dass es diese Reform nicht braucht – also setzen Sie diese Initiativen, anstatt all unsere Oppositionsanträge immer zu vertagen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.50

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Wimmer, Christian Oxonitsch,

Genossinnen und Genossen

betreffend erweiterter Beobachtungszeitraum für das Erfordernis der Erwerbstätigkeit beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 3753/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird (2396 d.B.)

Um das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld (ea KBG) zu beziehen, müssen angehende Eltern - neben einer Reihe weiterer Anspruchsvoraussetzungen - nachweisen, dass in den 182 Kalendertagen vor der Geburt des Kindes bzw. unmittelbar vor Beginn des absoluten Beschäftigungsverbotes, eine in Österreich kranken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ununterbrochen ausgeübt wurde. Unterbrechungen wirken sich nur dann nicht schädlich auf den Bezug des ea KBG aus, wenn sie nicht länger als 14 Tage dauern.

Diese spezielle Anspruchsvoraussetzung für den Bezug des ea KBG wird auf Grund von Veränderungen am Arbeitsmarkt (z.B. COVID-19-Krise, Digitalisierung, Prekarisierung) für viele Eltern zu einem Problem. Die Corona-bedingte massive Steigerung der Arbeitslosigkeit in Österreich führte dazu, dass die ununterbrochen ausgeübte kranken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit während 182 Kalendertagen vor der Geburt nur schwer erreicht werden konnte. Ein wachsender Anteil der Arbeitnehmer:innen ist in instabilen, befristeten und prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt. Sie sind in hohem Maße von Kündigungen, Insolvenzen des Arbeitgebers, Job-Wechsel u.ä. betroffen, was dazu führt, dass das Erfordernis einer zumindest 182-tägigen ununterbrochenen Erwerbstätigkeit nicht erfüllt wird.

Um die Situation von jungen Familien und werdenden Eltern zu erleichtern wird daher vorgeschlagen, statt des Erwerbstätigkeitserfordernisses von 182 Tagen unmittelbar vor der Geburt bzw. unmittelbar vor Beginn des absoluten Beschäftigungsverbotes, einen erweiterten Beobachtungszeitraum von einem Jahr vorzusehen. Innerhalb dieses Beobachtungszeitraums müssen ArbeitnehmerInnen insgesamt 182 Tage beschäftigt sein, um Anspruch aufs ea KBG zu haben.

Darüber hinaus sind die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, die eine unionsrechtskonforme Gleichstellung des Krankenstandes unabhängig von der Dauer mit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit herstellen (in Analogie zum EU-Recht, wie im Beschluss der Verwaltungskommission zur Auslegung der EU-Verordnung 883/2004 Artikel 67 und Artikel 68 dargelegt).

Diese Maßnahme versteht sich als krisenfeste Familienpolitik - Väter, Mütter und Kinder profitieren davon gleichermaßen.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt wird aufgefordert, dem Nationalrat die gesetzlichen Grundlagen zur Beschlussfassung vorzulegen, die sicherstellen, dass im Zusammenhang mit dem einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld statt des Erwerbstätigkeitserfordernisses von durchgängig 182 Tagen unmittelbar vor der Geburt bzw. unmittelbar vor Beginn des absoluten Beschäftigungsverbotes eine Erweiterung der Beobachtungsfrist auf ein Jahr, innerhalb der das Erfordernis einer 182-tägigen Beschäftigung (nicht zusammenhängend) erfüllt werden muss, vorgesehen wird. Darüber hinaus ist eine EU-rechtskonforme Ausgestaltung des Kinderbetreuungsgeldgesetzes erforderlich, die einen Krankenstand unabhängig von der Dauer mit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichstellt.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Neßler. – Bitte sehr.