Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Ich darf die heutige Fragestunde mit dem so wichtigen Thema Gewaltschutz und Gewaltprävention einleiten (Unruhe im Saal – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen müssen.

Deswegen bin ich sehr froh, dass sich mit dem Ministerratsvortrag vom Dezember nunmehr alle beteiligten Ministerien zusammengefunden haben und zwei Pilotprojekte zu Gewaltambulanzen in einer Süd- und einer Ostregion installieren wollen. Ich denke, diese Gewaltambulanzen sind unbedingt notwendige Mittel, damit wir Straftäter effektiv verfolgen können. Wir haben leider oftmals sehen müssen, dass die Verurteilung von Gewalttätern deswegen nicht passieren konnte, weil ein Mangel an Beweisen vorlag – daher sind diese Einrichtungen eben so unbedingt notwendig.

Es ist uns klar, dass die Sicherung von Spuren nicht nur von entscheidender Bedeutung ist, sondern es natürlich auch für die Betroffenen – meistens Frauen und Kinder – eine enorme Anforderung darstellt, sich dort hinzubegeben und diese Beweise sichern zu lassen.

Frau Bundesministerin, ich darf Ihnen daher die Frage stellen:

321/M

„Welche Leistungen sollen von den angekündigten Gewaltambulanzen konkret erbracht werden?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Gewaltambulanzen – Sie, Frau Abgeordnete, haben es angesprochen – können ein wesentlicher Beitrag zum Durchbrechen der Gewaltspirale sein. Von Gewalt Betroffene sollen dort die Möglichkeit bekommen, sich kostenlos, niederschwellig und verfahrensunabhängig untersuchen zu lassen – Spuren können also schon unabhängig von einem Verfahren festgemacht werden.

Der Katalog an Leistungen, die die Gewaltambulanzen zu erbringen haben, ist natürlich sehr umfassend: In erster Linie geht es um eine fach- und opfergerechte forensische Untersuchung, es geht um Spurensicherung, um Dokumentation von Gewalt. Ich betone noch einmal: Das ist verfahrensunabhängig, denn bisher hat man, wenn kein Verfahren gelaufen ist, kleinere Verletzungen nicht gerichtsfest machen können, und im Spital wurde man weggeschickt, denn wegen eines blauen Flecks geht man nicht ins Spital – und genau deswegen besteht eben diese Lücke. Ich bin sehr froh, dass da vier Ministerien an einem Strang gezogen haben und wir jetzt die Gewaltambulanzen auf den Weg bringen können.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Frau Bundesministerin, vielleicht können Sie uns noch Auskunft darüber geben, in welchem Zeitraum nach den Pilotprojekten dann eine Ausweitung vorgesehen ist. Es erscheint mir auch besonders wichtig, dass die Bevölkerung einfach darüber informiert ist, dass es diese Möglichkeit gibt.

Gibt es dazu Überlegungen, wie diese Information an die Bevölkerung gebracht werden soll?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Die erste Phase startet im Osten und im Süden, das ist in Wien, in Niederösterreich, im Burgenland, in der Steiermark und in Kärnten. Es ist vorgesehen, dass es zusätzlich zu den fixen Einrichtungen auch mobile Teams gibt, damit die Menschen überall erreicht werden können. Es muss möglich sein, mit den mobilen Teams überall dorthin zu fahren, wo Gewalt stattfindet.

Die zweite Phase der Pilotierung startet Anfang nächsten Jahres. Da geht es um den Westen. Es werden schon nächsten Monat Gespräche mit Innsbruck und gleich auch mit Salzburg geführt, damit wir da auch möglichst rasch vorwärtskommen.

Der Plan ist also, das Ende nächsten Jahres wirklich flächendeckend ausgerollt zu haben.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Brandstötter. – Bitte.

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Guten Morgen, Frau Minister! Es gibt ja in Österreich kaum Gerichtsmediziner – leider. Jetzt sollen vorhandene Ambulanzen in einzelnen Krankenhäusern als Pilotprojekt zu Gewaltambulanzen ausgebaut werden. Wir begrüßen das sehr, nichtsdestotrotz stellt sich die Frage: Wie kommen wir zu mehr Personal, zu mehr Gerichtsmedizinerinnen und Gerichtsmedizinern?

Deshalb meine Frage: Welche Maßnahmen setzen Sie gemeinsam mit anderen Ministerien, damit für diese Ambulanzen genügend Personal rekrutiert werden kann und auch die bisherigen Aufgaben uneingeschränkt erledigt werden können?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Das ist eine wichtige Frage, die Sie stellen, denn ja, es fehlt uns an Gerichtsmedizinerinnen und Gerichtsmedizinern. Wir waren in Wien, was die Gerichtsmedizin betrifft, einmal führend, jetzt sind wir das nicht mehr. Gerade dieses Projekt ist nun aber eine Chance, tatsächlich die Gerichtsmedizinerinnen und Gerichtsmediziner zu schulen und da auch einen Bedarf einzumelden.

Ja, mir ist durchaus bewusst, dass es dauern wird, bis Gerichtsmediziner:innen – unter Anführungszeichen – „am Markt“ sind. Deswegen werden entsprechend geschulte Allgemeinmediziner vorerst einmal die Arbeit übernehmen.

Das Ziel ist aber, dass in einer Gewaltambulanz Gerichtsmediziner:innen arbeiten.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Disoski. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Kollegin Steinacker hat es einleitend angesprochen: Gewalt gegen Frauen, gegen Mädchen ist ein Thema, das uns hier im Hohen Haus begleitet und das ja tatsächlich für jede dritte Frau, für jedes dritte Mädchen im Alltag auch Realität, schmerzvolle Realität ist.

Die Einführung von Gewaltambulanzen ist ein großer, großer Meilenstein, der von Gewaltschutzexpert:innen lange gefordert worden ist. Ich finde es sehr gut und sehr positiv, dass wir das jetzt mit einer Einigung der vier Ressorts umsetzen können.

In Ihrem eigenen Haus ist ja im Gewaltschutz, in der Gewaltprävention tatsächlich noch sehr viel mehr passiert. Können Sie uns vielleicht noch kursorisch die wichtigsten anderen Maßnahmen hervorheben und herausstreichen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Gewalt gegen Frauen und Gewalt im sozialen Nahraum war tatsächlich einer meiner Schwerpunkte im Justizministerium in dieser Legislaturperiode. Wir haben mehrere Maßnahmen gesetzt, um da entgegenzuwirken, weil wir – wie ich immer schon gesagt habe – an ganz, ganz vielen Schrauben drehen müssen, um Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen.

Wir haben mit einer ganz großen Frauenmordstudie gestartet und gemeinsam mit dem Innenministerium und auch dem Frauenministerium mit Blick auf die letzten zehn Jahre analysiert: Was führt denn letzten Endes zu einem Femizid? Wenn man nämlich diese Indikatoren herausgreift, dann kann man ja für die Staatsanwaltschaften und für die Gerichte, aber in erster Linie für die Ermittlungsbehörden auch eine gute Datenlage zur Verfügung stellen, damit sie Risikofaktoren möglichst rasch feststellen können.

Das andere: Abseits dieser Frauenmordstudie haben wir einen Erlass herausgegeben, in dem es darum geht, dass die Staatsanwaltschaft auch Beweise sammelt, dass die kontradiktorischen Einvernahmen stattfinden und natürlich die Teilnahme an Fallkonferenzen forciert wird.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Yildirim. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Ministerin, als ich diesen Antrag zur Installierung und Umsetzung von Gewaltambulanzen vor etwa zwei Jahren eingebracht habe, habe ich mich bereits an das steiermärkische, also das Grazer Modell der Gewaltambulanzen angelehnt, weil dort bereits ein Pilotprojekt – man muss eigentlich sagen, ein dauerhaftes Projekt, nicht einmal ein Pilotprojekt – existiert, das gut ist.

Die Kritik ist ja, dass es das sonst nirgends in Österreich gibt, und Sie sagen jetzt, Sie wollen noch einmal eine Modellregion im Süden und Osten von Österreich machen. Warum können Sie etwas, das bereits gut funktioniert, nicht gleich flächendeckend ausrollen? Warum sparen Sie den Westen aus? (Abg. Fürlinger: Das ist eine Fragestunde und keine ...! – Weitere Rufe bei der ÖVP: ... Fragestunde!)

Wir haben in diesem Jahr bereits 26 Femizide zu beklagen, und es gab 41 Mordversuche. Es müsste höchste Priorität haben. Daher noch einmal konkret: Wann bitte wird das vor allem in den Bundesländern, in denen es das nicht gibt, und vor allem sieben Tage in der Woche, 24 Stunden pro Tag – das ist ja das Konzept – ausgerollt werden?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Vielen Dank für die Gelegenheit zu dieser wichtigen Klarstellung. Die Gewaltambulanzen, die wir einrichten, bauen ja auf schon bestehenden Strukturen auf.

Sie haben Graz erwähnt. Graz hatte ja schon bisher eine sehr fortschrittliche Struktur. Es war eine sehr engagierte Leiterin, die mit aller Kraft eine Gewaltambulanz aufgebaut hat. Was es für die effiziente Strafverfolgung und die Erhöhung der Verurteilungsquote aber braucht, ist, dass ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen, damit die Gewaltambulanz auch 24 Stunden pro Tag, sieben Tage in der Woche, 365 Tage im Jahr verfügbar ist. Das heißt, wir haben gemeinsam mit der dortigen Leiterin einen Anforderungskatalog dafür, was eine Gewaltambulanz braucht, erarbeitet, und diese Gewaltambulanz wird jetzt weiter verstärkt und gerade umgebaut, damit sie das dann auch erfüllt.

In Wien passiert genau das Gleiche, und jetzt führen wir auch mit Innsbruck und Salzburg die ersten Gespräche. Das heißt, wir arbeiten mit Nachdruck daran, dass das Ganze auch in Innsbruck und Salzburg nächstes Jahr flächendeckend ausgerollt werden kann.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage wird von Abgeordneter Yildirim gestellt, es ist ihre Hauptfrage. – Bitte sehr. (Abg. Yildirim: Ja, sehr gerne!)