19.39

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir diskutieren hier vier Rechnungshofberichte unter einem, und wie es so oft ist, konzentrieren sich die meisten Redner auf das kleinste der vier Probleme, nämlich auf diese Patientenmilliarde (Abg. Stögmüller: Eine Milliarde ist ja zu wenig! NEOS ist eine Milliarde wurscht! – Abg. Greiner: Ist das die gleiche Hypothese, Herr Kollege?), von der schon bei Präsentation des Gesetzes klar war, dass sie gar nie kommen kann. Dass wir aber 5 Milliarden Euro sinnlos für Tests ausgegeben haben, das wird eher ignoriert.

Oder: Dass der Bericht über die Impfstoffbeschaffung belegt, dass wir mit Rudi Anschober einen völlig überforderten und inkompetenten Minister hatten, der wenig Impfstoff bestellt hat, als wir ihn gebraucht hätten, und viel Impfstoff bestellt hat, als wir ihn nicht mehr gebraucht haben, das wird geflissentlich verschwiegen. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Kaniak.)

Zu dem größten Brocken, den Pensionen, hat Kollege Brandweiner kurz ein paar Takte verloren, aber darum geht es ja wirklich, denn dort fließen alleine im heurigen Jahr 30 Milliarden Euro hin, also 30 solcher Patientenmilliarden jedes Jahr. Da geht es wirklich um Geld. Darüber spricht man nicht so gerne.

Der Rechnungshof hat sich die Alterssicherungskommission, die eigentlich darauf achten sollte, dass die gesetzliche Altersvorsorge in Österreich gut ausbalanciert ist, sehr genau angeschaut. Diese hat seit über zwei Jahren keinen Vorsitz. Die erfolgreichste Seniorenlobbyistin der Republik, Ingrid Korosec, führt derzeit diese Kommission – und sie spürt gar nicht, dass sie da einen Interessenkonflikt hat, weil sie auf der einen Seite Seniorenlobbyistin ist und auf der anderen Seite auf die Balance des Systems achten sollte. Diesbezüglich empfindet sie auch keinen Schmerz, was sie uns im Ausschuss auch persönlich erklärt hat.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Leitung der Alterssicherungskommission“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, umgehend die Leitung der Alterssicherungskommission gemäß den Empfehlungen des Rechnungshofberichts zur ,Nachhaltigkeit des Pensionssystems‘ zu besetzen.“

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Aber nicht nur, dass die Kommission keinen Vorsitz hat, der Rechnungshof macht auch darauf aufmerksam, dass in der gesamten Kommission kein einziger Versicherungsmathematiker vertreten ist – ein Haufen Beamte aus allen Ecken der Republik, aber kein Versicherungsmathematiker.

Die Experten des Wifo und des IHS beispielsweise haben kein Stimmrecht – die Vertreter der Ministerien haben ein Stimmrecht.

Die Gutachten, die durch die Alterssicherungskommission gehen, werden zuerst von den Ministerien freigegeben, und wenn das Ministerium gesagt hat, der Bericht sei okay, der kann so beschlossen werden, dann beschließt die Kommission – breitest besetzt mit Leuten aus den Ministerien – diese Gutachten. Das letzte Langfristgutachten ist dem Nationalrat gar nicht zugeleitet worden. Herr Minister Rauch hat erklärt, das interessiere ihn auch nicht. Er wird es auch nicht nachträglich zuleiten. – Es ist eigentlich eh alles wurscht, es sind ja nur 30 Milliarden Euro in einem Jahr.

Dann kommt noch dazu, dass sich die Zahlen, mit denen die Kommission arbeitet, verschieben – und darauf wird gar nicht aufmerksam gemacht. Und zwar (eine Tafel mit einem Balkendiagramm und der Überschrift „Entwicklung der Annahmen zum Bruttoinlandsprodukt im Vergleich der ,Langfristgutachten‘“ auf das Redner:innenpult stellend): Das Bruttoinlandsprodukt, das ja gerne als Messgröße für die Zuschüsse ins Pensionssystem herangezogen wird, entwickelt sich nicht so dynamisch wie angenommen. (Auf das Balkendiagramm auf der aufgestellten Tafel weisend:) 2008 hat man noch gewaltige Steigerungen des Bruttoinlandsprodukts bis 2020 – das ist der graue Balken – und bis 2050 – das ist der blaue Balken – angenommen, und mit jedem Gutachten der Kommission gingen die Annahmen für die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts zurück.

Es ist natürlich ein Unterschied, ob 30 Milliarden Euro Pensionsloch bei einem hohen oder bei einem nicht so hohen Bruttoinlandsprodukt auftreten, und diese Dramatik der Entwicklung wird gerne ignoriert, wie überhaupt das Pensionsthema in diesem Haus gerne ignoriert wird.

In diesem Sinne darf ich einen weiteren Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellung der Nachhaltigkeit des Pensionssystems durch automatische Abbildung der Lebenserwartung im Pensionssystem“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, der Rechnungshof-Empfehlung entsprechend, eine Novelle vorzulegen, mit der die Entwicklung der Lebenserwartung automatisch im Pensionssystem abgebildet wird.“

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Es ist erfreulich, dass wir alle länger leben, aber das ist im Pensionssystem nicht abgebildet, und das bedeutet, dass jedes Jahr für jede neue Kohorte indirekt eine Pensionserhöhung stattfindet. Als 1973 Geborener lebe ich 0,2 Jahre länger als meine im Jahr 1972 geborenen Kollegen, muss aber nicht zusätzlich Beiträge zahlen. Ich bekomme für die gleiche Beitragsleistung die Leistung 0,2 Jahre länger bezahlt. Das kann sich auf Dauer nicht ausgehen.

Wie der Rechnungshof ausweist, gehen wir nicht einmal im selben Alter in Pension, wie unsere Vorfahren 1970 in Pension gegangen sind – nur leben wir inzwischen viel länger. Das ist schön, das ist erfreulich, aber wir müssen uns auch der Frage stellen: Wie finanzieren wir das? – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

19.44

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Leitung der Alterssicherungskommission

eingebracht im Zuge der Debatte in der 249. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Nachhaltigkeit des Pensionssystems – Reihe BUND 2023/29 (III-1038/2422 d.B.) – TOP 11

Der Rechnungshof kritisiert in seinem Bericht "Nachhaltigkeit des Pensionssystems" die fehlende Besetzung der Leitung der Alterssicherungskommission. Er sieht unter anderem aufgrund der fehlenden Besetzung das Risiko, dass die Alterssicherungskommission ihre Tätigkeit nicht umfassend und unabhängig ausüben kann.

Darüber hinaus haben z.B. vertretene Expert:innen kein Stimm- und Antragsrecht. Außerdem sind relevante Disziplinen wie die Versicherungsmathematik in der Kommission überhaupt nicht vertreten. Weisungsgebundene Beamt:innen mit Stimmrecht stellen im Ergebnis eine Mehrheit im Sinne der jeweiligen Regierung sicher.

Bekanntlich hat die Alterssicherungskommission seit mehr als zwei Jahren keine:n Vorsitzende:n. Interimistisch hat die Chefin des ÖVP-Seniorenbundes, Ingrid Korosec, die Aufgaben des Vorsitzes übernommen. Damit steht die erfolgreichste Pensionisten-Lobbyistin an der Spitze der Alterssicherungskommission.

Ein:e regulär bestellte:r Vorsitzende:r muss Experte oder Expertin im Bereich der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften oder des Arbeits- und Sozialrechts sein. Deren Zahl in Österreich ist so überschaubar, dass der Minister in den abgelaufenen zwei Jahren mit jedem davon ein ausführliches Gespräch führen hätte können.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, umgehend die Leitung der Alterssicherungskommission gemäß den Empfehlungen des Rechnungshofberichts zur "Nachhaltigkeit des Pensionssystems" zu besetzen."

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Sicherstellung der Nachhaltigkeit des Pensionssystems durch automatische Abbildung der Lebenserwartung im Pensionssystem

eingebracht im Zuge der Debatte in der 249. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Nachhaltigkeit des Pensionssystems – Reihe BUND 2023/29 (III-1038/2422 d.B.) – TOP 11

Der Rechnungshof kritisiert in seinem Bericht "Nachhaltigkeit des Pensionssystems (Reihe BUND 2023/29)", dass eine klare Strategie bei gesetzlichen Änderungen zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit des Pensionssystems fehle. Kurzfristige Unterstützungsmaßnahmen untergrüben diese seit sehr vielen Jahren, so der RH. Es brauche wesentlich mehr Disziplin bei Pensionsanpassungen. Es müsse die Entwicklung des Bundeshaushalts insgesamt mit den Pensionsanpassungen und dem effektiven Pensionsantrittsalter abgestimmt werden.

Nachfolgende Grafik aus dem gegenständlichen Rechnungshofbericht veranschaulicht die seit Jahrzehnten herrschende Divergenz zwischen dem effektiven Pensionsantrittsalter in der gesetzlichen Pensionsversicherung und der Lebenserwartung:

Glücklicherweise werden wir im Schnitt immer älter. Gleichzeitig sind eine steigende Lebenserwartung und ein stagnierendes effektives Pensionsantrittsalter auf Dauer nicht miteinander vereinbar.

Der Rechnungshof empfiehlt dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und dem Bundesministerium für Finanzen in Empfehlung 26:

"(26) Unter Einbeziehung der Entwicklung der Lebenserwartung wäre ein strategisches Ziel zum effektiven Pensionsantrittsalter zu definieren, dessen Einhaltung regelmäßig zu prüfen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Zielerreichung zu setzen."

Die einfachste Möglichkeit, die Lebenserwartung in die Zielsetzung mit einzubeziehen, ist eine automatische Abbildung der Lebenserwartung im Pensionssystem.

Quelle:

https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/2023_29_Nachhaltigkeit_Pensionssystem.pdf

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, der Rechnungshof-Empfehlung entsprechend, eine Novelle vorzulegen, mit der die Entwicklung der Lebenserwartung automatisch im Pensionssystem abgebildet wird."

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Die beiden Anträge sind ordnungsgemäß eingebracht und stehen somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Abgeordneter Johann Singer. – Bitte, Herr Abgeordneter.