9.53

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich bitte eingangs ein paar Worte zu 75 Jahre Zweite Re­publik sagen, da das gestern ja doch ein sehr wichtiger Tag in Österreich war – ei­gentlich ein Tag zum Feiern und ein Grund, um auf das stolz zu sein, was erreicht wurde, ein Tag, um in Dankbarkeit zurückzudenken, vor allem in Dankbarkeit dafür, wie viel gegeben wurde, um für diese Freiheit, für den Wohlstand und für den Frieden zu kämpfen.

75 Jahre Frieden und Wohlstand, das haben wir nicht alleine geschafft. Es ist mir wich­tig, heute zu betonen, dass die Errungenschaften von Freiheit, Wohlstand und Frieden gesamteuropäische waren und gerade auch in der europäischen Einigkeit gelegen sind. Wenn ich eine Vision oder einen Ausblick auf die Zukunft Österreichs geben möchte, dann ist es mir wichtig, dass diese Einigkeit in Europa auch weiter Bestand hat, weil sie ein Garant, wenn Sie wollen, der einzige Garant für Frieden, Freiheit und Wohlstand ist. (Beifall bei den NEOS.)

Ich glaube, in der Zukunft braucht es mehr Liberalität und definitiv nicht weniger. Illibe­ralität und Autoritarismus sind nicht die Zukunft, die wir in Österreich sehen wollen. Es braucht mehr Transparenz, mehr Vertrauen, mehr Rechenschaft von den Regierenden, mehr Verlässlichkeit und nicht weniger. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte jetzt nicht im Detail darauf eingehen, aber was es in der Zukunft definitiv nicht braucht, ist eine Politik der Angst oder mit der Angst. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Freiheit in Verbundenheit – wenn ich eine Vision habe, dann diese. Lassen Sie uns gemeinsam diesen Weg beschreiten, in Freiheit und Verbundenheit!

Das bringt mich schon zu einem anderen Thema, das ich jetzt sehr aktuell aufbringen möchte. Ich habe ja heute um 8 Uhr die Pressekonferenz der Bundesregierung ver­nommen, und dankenswerterweise ist eine Presseinformation der Bundesregierung gleich mitgeschickt worden und auch an uns Klubs verteilt worden. Darin ist zum Thema Klarheit und Verlässlichkeit zu lesen, und auch Rechtsstaatlichkeit ist immer ein wichtiges Thema, das angesprochen wurde.

Ich zitiere jetzt nicht alles, aber zum Thema Ausgangsbeschränkungen steht da: „Auch im privaten Bereich empfehlen wir den Menschen, dass sie sich ebenfalls an diese Regelungen halten.“ – Dabei geht es um die Frage, wie viele Personen, nämlich maxi­mal zehn Personen und mit Abstand. – „Es wird im privaten Bereich allerdings vorerst keine Kontrollen dazu geben.“ (Heiterkeit des Abgeordneten Kickl.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das trägt nicht gerade dazu bei, dass es Ver­trauen, Zuversicht und Verlässlichkeit gibt! Rechtssicherheit bedeutet auch, dass ich heute von Ihnen die Garantie haben möchte, dass Sie uns im privaten Bereich, in un­seren Wohnungen zukünftig bitte in Ruhe lassen! (Beifall bei NEOS und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Verlässlichkeit und Vertrauen sind auch gute Stichwörter für die Frage der Wirt­schaftshilfen. So radikal die Regierung beim Shutdown vorgegangen ist, mit großer Geste, so wesentlich wäre Gewissenhaftigkeit und vor allem Praxisnähe danach gewe­sen. Und ich sage das gerne zum hundertsten Mal – weil ich auch oft den Eindruck bekomme, dass Sie gerne in die Polarisierung gehen, Kritik als Skepsis abtun, und das dürfen Sie bitte nicht verwechseln –: Wir haben die Maßnahmen im März nicht nur mit­getragen, wir haben sie zum Teil auch angestoßen und angeregt – das ist mir wichtig –, gleichzeitig aber betont, wie wichtig es ist, auf diese Balance zwischen Gesundheit, Gesellschaft und Wirtschaft zu achten, und wie wichtig der praxisnahe Blick auf die Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft ist.

Die große Geste war auch da – nicht ganz zu Beginn, aber relativ bald, nach einigen Mahnungen –, als dann gesagt wurde: „Koste es, was es wolle!“ – Das ist natürlich ei­ne Aussage, die manchen Unternehmerinnen und Unternehmern, die jetzt, Wochen und unzählige Bürokratiestunden danach, feststellen, dass sie sich die Krise vornehm­lich selber zu zahlen haben, den Hohn und den Spott vor Augen führt.

„Koste es, was es wolle!“ bedeutet, dass sich viele Unternehmerinnen und Unterneh­mer diese Krise selber zahlen. Und das wissen Sie auch! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich habe hier letzte Woche ein sehr leidenschaftliches Plädoyer dafür gehalten, dass Kinder und Familien eine verstärkte Lobby in dieser Regierung brauchen, und bin froh, dass das auch Wirkung gezeigt hat. Ich möchte heute dieses leidenschaftliche Plä­doyer für die vielen Unternehmerinnen und Unternehmer – EPUs, Künstlerinnen und Künstler, Start-ups – halten, die Sie in einem Bürokratiedschungel alleinlassen, der seinesgleichen sucht: Es braucht Transparenz und Verlässlichkeit, denn die Auswir­kungen sind massiv.

Sehr geehrte Frau Ministerin Aschbacher! Wie hoch ist denn die aktuelle Arbeitslosen­zahl? (Ruf: 600 000!) Mich würde das tatsächlich interessieren. (Abg. Loacker: ... Ka­binett imstande sein ...!) Wir haben die Zahl vom 1. April: 600 000 Menschen. Wir wissen, es gibt 1,1 Millionen Anträge für Kurzarbeit, das heißt, wir können davon aus­gehen, dass wir mit Ende April vielleicht schon fast die Hälfte der unselbstständig Be­schäftigten in Österreich ohne Arbeit haben werden – entweder arbeitslos oder in Kurzarbeit. Ihre Beteuerungen und Beschwichtigungen sind ein Hohn angesichts die­ser Zahlen, die Sie uns nicht einmal offenlegen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (fortsetzend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Echte Wirtschaftshilfe bedeutet, den Unternehmerinnen und Unter­nehmern rasch Geld zukommen zu lassen und sie nicht dabei alleinzulassen, sich die Krise selber zu finanzieren. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. Abg. Matznetter: Das ist jetzt aber gemein, Beate, ... sie weiß es ja nicht!)

9.59

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Melchior. – Bitte.