10.52

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zahl des heutigen Tages lautet 212 000; innerhalb von nur vier Monaten sind 212 000 Menschen an dieser größten Pandemie seit über 100 Jahren verstorben. Das klein zu reden verstehe ich persönlich absolut nicht.

Widmen wir uns doch gemeinsam dem ganz großen Ziel: die Opferzahl in Österreich möglichst klein zu halten, um möglichst gut durch diese Krise zu kommen. Ich kann Ihnen sagen – ich würde Ihnen lieber etwas anderes sagen –, aus meiner Sicht, nach meiner Überzeugung sind wir längst nicht durch. Diese Krise ist längst noch nicht überstanden. Es wird noch vieler, vieler Handlungen bedürfen, damit wir Opfer mög­lichst vermeiden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Was wir heute hier diskutieren, ist genau eine dieser vielen Maßnahmen, die wir set­zen, damit Menschen, die in Österreich leben, in dieser Situation möglichst gut ge­schützt werden. Ich habe Ihnen eine kleine Statistik mitgebracht. (Der Redner hält eine Tafel mit einem Säulendiagramm in die Höhe.) Was ist das? (Abg. Amesbauer: Das ist ja immer wieder das Gleiche! – Zwischenruf des Abg. Schellhorn. – Abg. Ames­bauer: Das sehen wir jeden Tag!) – Das sind die Todeszahlen in Europa, nämlich auf 100 000 Einwohner gerechnet.

Sie sehen ganz unten: sechs Todesfälle pro 100 000 Einwohner und Einwohnerinnen. Ja, das sind sechs zu viel, aber wir sind vergleichsweise sehr, sehr gut unterwegs, mit einem ganz großen Unterschied zu vielen, vielen anderen Ländern. Meine sehr ver­ehrten Damen und Herren, dass das so passiert, ist kein Zufall, da es eben richtige Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt gegeben hat, die von Ihnen allen getragen und unterstützt und im Übrigen auch vielfach von Ihnen vorgeschlagen wurden. – Ich stehe nicht an, das auch zu sagen, denn gute Vorschläge sollte die Regierung übernehmen.

Wir haben gemeinsam entschieden und entschlossen gehandelt. Seien wir doch froh darüber, statt nun im Nachhinein des ersten Teils dieser Auseinandersetzung zu be­kunden, das wäre vielleicht gar nicht notwendig gewesen, da die Opferzahlen nicht so groß sind! Das ist ein Denkfehler, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir wissen ganz genau – die Vorrednerinnen und Vorredner haben es auch absolut korrekt dargestellt –, es gibt drei große Risikogruppen in diesem Zusammenhang: ei­nerseits ältere Menschen, andererseits ältere Menschen mit schweren Vorerkrankun­gen und dann drittens Erwerbstätige, die besonders schwere Vorerkrankungen hatten oder gerade an diesen leiden.

Ich kann Ihnen sagen, es gibt derzeit international kein Modell, auf das wir zurück­greifen können, wenn es um diese Abgrenzungen geht. Deswegen ist es gut und rich­tig, dass es einen wissenschaftlichen Prozess gab, der diese Abgrenzungen festgelegt hat, der genau definiert hat, bei welchen konkreten Krankheitsformen tatsächlich ein besonders hohes Risiko besteht, und damit die Voraussetzung dafür geschaffen hat, dass wir diese Personengruppen nun noch besser schützen können, als wir das in der Vergangenheit machen konnten.

Ich bin sehr froh und dankbar, dass das gut funktioniert hat. Wir haben damit die Mög­lichkeit, rund 90 000 Menschen ein Angebot zu machen. Es ist ein Angebot, etwas frei­willig zu tun. Ich verstehe auch Sorgen, die es betreffend dieses Angebot gibt, da es natürlich auch in unserer Gesellschaft noch nicht so ist, dass es zum Beispiel keine Stigmatisierungen aufgrund von Schwersterkrankungen gibt. Daher ist das Freiwillig­keitsprinzip, das wir da realisieren, besonders wichtig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bedanke mich in diesem Zusammenhang bei der Sozialversicherung, ich bedanke mich aber auch ganz besonders bei den Sozialpartnern. Es ist nicht selbstverständlich, dass man unter einem enormen Zeitdruck gemeinsam eine derartige Regelung erar­beitet und auch zu ihr steht. Es ist gut, dass wir immer versuchen, so etwas mit einem breiten Konsens zu realisieren.

Noch einmal: Wir sind absolut noch nicht am Ende dieser Krise. Das Schlimmste, das uns passieren könnte, wäre, eine zweite Welle zu riskieren. Was würde das bedeu­ten? – Es wäre das Schlimmste für unsere Gesundheit, für die Gesellschaft und – ganz laut gesagt – auch für die Wirtschaft. Eine zweite Welle würde bedeuten, noch einmal alles herunterzufahren, und das ist de facto denkunmöglich, das wollen wir nicht riskie­ren. Deshalb gehen wir sehr vorsichtige Schritte der Öffnung, sehr vorsichtige Schritte, die von Sicherungsmaßnahmen begleitet sind.

Ich bin froh, dass Sie heute hier eine dieser Sicherungsmaßnahmen beschließen wer­den, da sie uns wieder einen Schritt in Richtung mehr Sicherheit und mehr Gesund­heitserhalt für die Menschen, die in Österreich leben, bringt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.58

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Deckenba­cher. – Bitte.