13.49

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich denke, bei einem sind wir uns einig, nämlich, dass diese Krise eine richtiggehende Katastrophe ist, für die gesamte Welt, für Europa, für Österreich, für die Demokratien (Zwischenruf des Abg. Wurm), aber auch für jede Einzelne und jeden Einzelnen von uns, und für bestimmte Gruppen eine besondere Katastrophe. (Zwischenrufe der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Loacker.)

Besonders hart getroffen hat die Coronakrise Selbstständige. In dieser Gruppe gibt es um gut zwei Drittel weniger Einkommen als vor der Krise, bei den Angestellten ist es knapp die Hälfte. Jeder zehnte Pensionist und jede zehnte Pensionistin spürt die Krise unmittelbar im Geldbörsel. Über 20 Prozent aller österreichischen Haushalte haben nun um bis zu 20 Prozent weniger Einkommen. 1,1 Millionen Menschen wurden bisher zur Kurzarbeit angemeldet. Besonders hart getroffen hat es die Bundesländer, in de­nen der Tourismus eine große Rolle spielt, und besonders betroffen sind auch die Menschen, die in Careberufen arbeiten.

Man kann es nicht oft genug wiederholen: Ohne all die Pflegerinnen, Kassiererinnen, Betreuerinnen, Migrantinnen, ohne all diese Frauen, die im Handel und in den Spitälern rund 70 Prozent der Beschäftigten ausmachen, wären wir in dieser Krise verloren. Es darf keine Debatte mehr darüber geben, auch in diesem Parlament nicht, dass wir ih­nen nicht nur unseren Dank entgegenbringen müssen, sondern dass all das auch fi­nanziell gewürdigt werden muss. (Beifall bei den Grünen.)

Die Armutskonferenz, deren Forderungen der Antrag der SPÖ enthält, legt den Finger zu Recht schon lange in die Wunde. Die Krise – das sehen wir – wirkt wie ein Rönt­gengerät, welches all die Ungleichheiten, die es zuvor schon gab, noch sichtbarer macht. Es zeigt sich gerade jetzt, wer sich in sein Ferienhaus auf dem Land verziehen kann, wer sich neben der Arbeit eine Lösung für die Kinderbetreuung überlegen muss oder wer in den Wald spazieren gehen kann, wenn die Spielplätze geschlossen sind.

Die Krise hat auch – das hören wir bei fast jeder Rede – starke wirtschaftliche Auswir­kungen auf Hotels, Restaurants, Geschäfte, EPUs, KünstlerInnen und vor allem auf je­ne Menschen, die davor schon prekär beschäftigt waren.

Alles in allem: Ja, wir stecken in einer gesundheitlichen Krise, in einer wirtschaftlichen Krise, und die soziale Krise, um die es bei diesem Tagesordnungspunkt geht, steht aufgrund der Coronakrise unmittelbar vor der Tür. Jetzt gilt es ganz sicher, die Sozial­partnerschaft zu stärken, genauso wie die soziale Infrastruktur, aber auch das Ge­sundheitssystem für alle zugänglich zu halten, genauso wie Abfederung für all diese unterschiedlichen Gruppen zu schaffen. All das – auch darüber werden wir uns über­parteilich einig sein – geht natürlich nicht ohne den Glauben an eine Solidargesell­schaft, die Armut nicht ausblendet, die die Schwächeren nicht im Stich lässt und die Überzeugung hat, dass jeder Mensch, ungeachtet der sozialen Herkunft, gleich viel wert ist.

Die Menschen – auch das war heute schon Thema – müssen sich darauf verlassen können, dass ihnen die Politik, die wir hier betreiben, Schutz und Sicherheit gewähr­leistet. Ja, es stimmt: Es gibt da zugegebenermaßen noch einiges zu tun. Wir werden diesen Antrag der SPÖ nicht eins zu eins übernehmen, wir Grüne kennen aber die For­derungen der Armutskonferenz, mit der wir selbst seit Jahren gut zusammenarbeiten, selbstverständlich gut und werden sie in die weiteren Verhandlungen einbringen. Es ist gut, dass die Armutskonferenz gerade jetzt dieses Röntgengerät unserer Gesellschaft darstellt und uns nicht vergessen lässt, dass sich Ungleichheit wie ein Virus ausbreiten kann und dass wir da gegensteuern müssen.

Diese Röntgenbilder müssen uns eine Lehre sein und sind natürlich ein politischer Auftrag. Das Ausspielen von armutsgefährdeten Gruppen gegeneinander wäre gerade in dieser Krise ein Armutszeugnis für uns alle hier. Ich darf annehmen, dass wir uns auch darüber alle einig sind und dass Armut in einem der reichsten Länder Europas nichts verloren hat und wir deshalb die Forderungen der Armutskonferenz, die sich in diesem Antrag wiederfinden, nicht nur ernst nehmen, sondern in die Verhandlungen aufnehmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.55

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hammer. – Bitte.