15.36

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Sehr geschätzter Herr Präsident! Wer­ter Herr Minister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Vor in etwa drei Wochen bin ich hier am Rednerpult gestanden und habe vom Brodeln in der Bevölkerung gesprochen. Dieses Brodeln ist mittlerweile zu einem lauten Blub­bern mutiert und ist kurz vorm Überlaufen. Stichwort: 600 000 Menschen, die arbeitslos sind; der Härtefallfonds, der noch immer nicht bei allen greift; Aussagen, von Ihnen, Herr Präsident, zur Verpflichtung zu Apps; und – so wie heute – Eingriffe in unsere Grundrechte durch das Epidemiegesetz.

Ihre Schritte, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, sind in keiner Weise mehr nachvollziehbar. Sie wirken willkürlich, unakkordiert und völlig be­vormundend. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Vor sechs Wochen ist unsere Republik in einen Lockdownmodus gegangen. Es ging um unsere Gesundheit, es geht um unsere Gesundheit, das war ganz, ganz zentral, gar keine Frage. Jetzt aber kommen Fragen auf, und ich gehe davon aus, dass Ihre Mailboxen genauso voll sind wie unsere, Fragen darüber: Wieso gibt es die Locke­rungen und andere nicht? – Stichwort: Es finden Kulturevents statt, andere sind völlig untersagt. Wie soll man die Kindergartenverordnung mit Schutz und Distanz sozusa­gen wahren? Haben Sie schon einmal in einen Kindergarten geschaut, wie zum Teil Gruppengrößen beziehungsweise Räumlichkeiten gestaltet sind? Oder warum haben manche Geschäfte früher geöffnet als andere?

Die Krönung war die gestrige Berichterstattung! Es war uns untersagt beziehungsweise gab es diese Botschaften – etliche Male, in mehr als 60 Pressekonferenzen –, Freun­dInnen und Familien nicht zu besuchen – und gestern plötzlich doch! – Werte Bundes­regierung, was ist jetzt? Die Frage gilt es einfach zu stellen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Das Misstrauen wächst ganz einfach, auch die Angst um unsere Grundrechte, um unsere Demokratie, und dafür sind Sie verantwortlich. Ich darf in Erinnerung rufen: Wir wurden das erste Mal hellhörig, als es um Handybewegungsprofile ging, die an die Regierung gehen sollen, dann stand plötzlich die Entwicklung einer Immunitätsapp eines privaten Unternehmens im Raum, bei der es um die Reisefreiheit geht, und die schon erwähnte Aussage von Ihnen, Herr Präsident. Sie haben sie zurückgenommen, aber Sie haben es gesagt: die Verpflichtung zu einer App! – Das schafft ganz einfach Misstrauen.

Ich weiß, Contact-Tracing-Technologien sind im Einsatz gegen eine Pandemie im Mo­ment ganz hoch im Kurs, in aller Munde. Was aber nie passieren darf, ist, dass die Nutzung oder die Nichtnutzung darüber entscheidet, ob man arbeiten gehen darf, ob man in die Schule gehen darf, ob man zur Uni gehen darf oder ob man reisen darf. Wir haben uns für die Freiwilligkeit ausgesprochen. Machen wir es endlich ehrlich und wirk­lich fest! (Beifall bei der SPÖ.)

Heute fahren Sie mit Folgendem rein – ohne Begutachtung, eine Ho-ruck-Aktion –: Sie versuchen, im Rahmen des Epidemiegesetzes bestimmte Personen von Veranstaltun­gen, von Demos, von Kundgebungen auszunehmen. Wollen Sie denn, dass beispiels­weise nur mehr Menschen mit grauen Haaren an etwas teilnehmen dürfen? Oder wol­len Sie diese Gruppe zum Beispiel ausschließen? All das wäre nämlich mit Ihrer Lö­sung, auch wenn Sie sie vier Mal überarbeitet haben, ganz einfach möglich. Ich habe es oftmals gelesen, Herr Minister, oftmals! Sie haben heute vier Versionen ins Rennen geschickt. (Bundesminister Anschober: Ja, weil es neue ...!) Wir wissen haargenau, was drinnen steht.

Irgendwann einmal, geschätzte Kollegen und Kolleginnen, haben wir Abgeordnete die Stopptaste zu drücken, ganz einfach, weil wir auf die Verfassung vereidigt sind. Heute gilt es, ganz klar diese Stopptaste zu drücken (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeord­neten von FPÖ und NEOS), denn jede Pandemiebekämpfung hat ganz klare Grenzen: Grenzen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Grund- und Freiheitsrechte, und diese sind niemals verhandelbar. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten von FPÖ und NEOS.)

15.40

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Matz­netter. – Bitte.