19.53

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren Kollegen! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Wenn man diese Debatte verfolgt, dann sieht man, dass sich Folgendes zeigt: Wenn man die Dinge unter der Lupe betrachtet, sieht man zwei Effekte: Der eine ist, dass das, was unter der Lupe betrachtet wird, größer erscheint, als es ist, und der andere, dass die Dinge rundherum, der Rest, verschwimmen. Was meine ich damit? – Es verschwimmt ein wenig, worum es eigentlich geht.

Es ist angeklungen, dass ungefähr 40 000 Verfahren ausgesetzt worden sind; gleich­zeitig sind aber die Gerichtssäle nicht dafür geeignet, dass in jedem einzelnen die Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit der Coronakrise umgesetzt werden kön­nen. Wenn wir uns vor Augen führen, dass dieses Haus regelmäßig Rechte einräumt, aber auch in Rechte eingreift, dann sieht man, dass dieser Eingriff natürlich auch im Rahmen von Schutznormen geschieht und dass die Abwägung das Wesentliche dabei ist.

Was aber gilt es abzuwägen? – Einerseits haben wir den Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der die Unmittelbarkeit und das faire Verfahren vorsieht, der aber auch sehr deutlich sagt, dass die Verfahren in angemessener Frist durchzu­führen sind. Zum anderen haben wir im Bereich der Unmittelbarkeit – denn die Münd­lichkeit ist durch die Videokonferenzen ja nicht beeinträchtigt – in den Rechtsordnun­gen sowohl im Zivilrecht als auch im Strafrecht schon jetzt Eingriffe: Im Zivilrecht ver­weise ich auf die Vernehmung im Rechtshilfeweg, bei dem der Unmittelbarkeitsgrund­satz ebenfalls durchbrochen ist, und im Strafrecht verweise ich auf die kontradiktori­sche Vernehmung – auch etwas, was gar nicht so unproblematisch ist, aber aus gutem Grund wegen des Opferschutzes so vorgesehen ist.

Wenn wir uns die Abwägung vor Augen führen, die da vorzunehmen ist, dann sehen wir, dass es dazu einen Erlass des Ministeriums gibt, der darauf verweist, dass es eine Kannbestimmung ist und dass als Orientierungshilfe das richterliche Ermessen in der Ausübung ein gebundenes ist. Zudem gibt es natürlich auch einen Leitfaden für die Rechtsprechung, um sich diese Orientierungshilfe zu holen.

Ich vermisse da ein wenig das Vertrauen der Opposition in die Rechtsprechung. An­scheinend ist das Vertrauen in die Rechtsprechung in diesem Bereich enden wollend, wenngleich das zum Beispiel bei der Einführung eines Eilverfahrens für den Verfas­sungsgerichtshof nicht so ist. Das ist auch ein wesentlicher Eingriff in die Verfahrens­vorschriften (Zwischenruf der Abg. Yildirim), ein Eingriff auch an der Schnittstelle zwi­schen Politik und Rechtsprechung. Das heißt, ich vermische das nicht. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Yildirim.) – Frau Kollegin, der Eindruck, der da entsteht, ist, dass Ihre politische Kompassnadel sich nach dem Magnetfeld der Parteitaktik richtet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Regelung hinsichtlich dieses Eilverfahrens, das da vorgesehen ist oder das ge­wünscht wird, ist im Übrigen eine unbefristete, und auch das wäre für Sie ganz ohne Begutachtung gegangen: ein wesentlicher Eingriff in die Verfahrensvorschriften vor ei­nem Höchstgericht. – Demgegenüber steht eine Befristung im Bereich von Videokon­ferenzen von einem Monat. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Yildirim.)

Meine Damen und Herren, es ist die Sache der Opposition, das Haar in der Suppe zu suchen. (Neuerliche Zwischenrufe der Abg. Yildirim. – Abg. Heinisch-Hosek: Das ist nicht unsere Aufgabe!) Ich sehe es als unsere Aufgabe, dafür zu arbeiten, dass wir überhaupt eine Suppe haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.57

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.