22.01

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich weiß nicht, wer von Ihnen sich jemals die Mühe gemacht hat, das grüne Wahlprogramm zu lesen. Es ist – wenig überraschend und aus meiner Sicht bedauerlicherweise – nicht gleichlautend mit dem Regierungsprogramm. (Abg. Loacker: Sie sind die Einzige, die auf ... hinweist!) Ich habe die Position der Grünen, die sich dort wiederfindet, in den letzten Wochen sehr oft klargemacht, und meine Vor­rednerin von den Grünen hat das hier heute auch unmissverständlich am Rednerpult getan.

Gerade was die Themen Migration und Asyl anbelangt, ist auch schon länger bekannt, dass es da zwischen den Koalitionspartnern eine geringe Schnittmenge gibt. Das ist die Wahrheit. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich möchte jetzt nur auf zwei unterschied­liche Einschätzungen eingehen, die sich in den Anträgen der NEOS wiederfinden. Aus unserer Sicht ist Afghanistan nicht sicher, das sagt auch das UNHCR. Die Verteilung von Flüchtlingen wäre sinnvoll und notwendig und Österreich sollte sich an der Allianz der Willigen in Europa beteiligen. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Dass Asyl ein Men­schenrecht ist, ist nicht ausschließlich die Position der Grünen, sondern europäisches Recht. (Beifall bei den Grünen.)

In Bezug auf Abschiebezentren in Serbien gibt es aber abseits der grünen Position durchaus eine Einigung mit der ÖVP, nämlich dass die Idee des ehemaligen Innen­ministers Kickl in dieser Form nicht umgesetzt werden kann. Weswegen? – Weil wir uns auf eine Prüfung geeinigt haben, ob beziehungsweise unter welchen Vorausset­zungen solche Abkommen überhaupt möglich sind. Diese Voraussetzungen sind im Moment nicht gegeben, weil Serbien kein sicherer Drittstaat ist. (Zwischenrufe des Abg. Kickl und der Abg. Meinl-Reisinger.)

In aller Kürze: Es gibt innerhalb der Koalition keine Einigung über einen europäischen Verteilmechanismus, aber eine Einigung über einen wirklich engagierten Einsatz für ei­ne gemeinsame europäische Lösung in der Asylfrage – mehr Hilfe vor Ort und huma­nitäre Hilfe außerhalb Europas oder in Europa, wie zum Beispiel eine logistische, medi­zinische und finanzielle Unterstützung für Griechenland, was auch laufend erfolgt. (Bei­fall bei Grünen und ÖVP.)

Wir haben die Nichtunterzeichnung des UN-Migrationspakts nicht rückgängig machen können, aber wir haben uns auf eine gesamtstaatliche Migrationsstrategie, samt Koor­dinierung und Umsetzung dieser mit anderen Staaten geeinigt. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Genauso gab es gestern im Innenausschuss einen Abänderungsan­trag in Bezug auf die Abschiebungen nach Afghanistan, der die Covid-Krise in Betracht zieht. Und ja, dass das Recht auf Asyl weiterhin gilt, das ist Fakt, das hat auch die Europäische Kommission erst kürzlich wieder klargestellt. Und nein, gerade im Bereich Menschenrechte, Migration und Asyl gibt es mit uns Grünen keine Fortführung der Feindbildpolitik. (Heiterkeit des Abg. Scherak.) Was es mit uns gibt, ist ein ungebro­chener Einsatz für Grundrechte und mit Sicherheit kein Abweichen vom internationalen Recht. Ich verstehe Oppositionsarbeit, aber es ist schon gewagt, zu behaupten, dass unser Einsatz da geringer wäre. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist genau das, was ihr ge­rade mittragt! – Zwischenruf bei der SPÖ.) Es ist nämlich das Gegenteil der Fall! (Neu­erlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

In der Opposition ist es einfacher, darauf zu pochen, was der eigenen Position ent­spricht. In einer Koalition muss man tatsächlich verhandeln und um den demokrati­schen Kompromiss ringen (Zwischenrufe bei der SPÖ – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), der trotzdem genau das widerspiegelt, was beiden Koalitionspartnern wichtig ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wenn wir hier in Zukunft vielleicht mehr zusammenarbeiten, anstatt den Fokus dau­ernd darauf zu richten, was nicht geht, wird dieser Einsatz mit Sicherheit auch effi­zienter sein. In einem gebe ich den NEOS, aber auch der SPÖ an dieser Stelle recht, nämlich dass es genau in diesen Bereichen enorm viel Druck und Engagement braucht. Wir bleiben auch dabei, dieses Engagement innerhalb der Reihen der Grünen weiterzuführen, das Gespräch mit dem Koalitionspartner zu suchen und menschen­würdige Lösungen zu finden, auf die wir uns mehrheitlich einigen können.

In diesem Sinne: Ich bin dankbar für diesen Druck, aber Sie werden auch verstehen, dass wir als Grüne da nicht den Pfad der Grundrechte verlassen (Abg. Meinl-Rei­singer: Das haben Sie eh schon gemacht!), sondern im Gegenteil gerade als kleinerer Koalitionspartner der ÖVP umso vehementer darauf pochen. Dass wir das weiter tun werden, darauf können Sie sich verlassen! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Loacker und Kickl.)

22.07