13.18

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Volksan­wälte! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, jeder und jede von uns, der oder die Alten- und Pflegeheime besucht, mit Pflegekräften diskutiert hat, wird die Erfahrung gemacht haben, dass vor allem eine niedrige Einstufung von an Demenz erkrankten Personen ein großer Kritikpunkt ist.

Personen mit Demenz, Personen, die an Demenz erkrankt sind, haben erhöhten Betreu­ungsbedarf, etwa durch einen gestörten Tages- und Nachtrhythmus. Viele von ihnen sind nachtaktiv unterwegs und brauchen eben diese erhöhte Betreuung. Die Volks­anwaltschaft geht in ihrem Bericht auf diesen erhöhten Betreuungsbedarf ein und darauf, dass das trotz des Demenzzuschlages in der Pflegestufenermittlung nicht entsprechend abgebildet wird, weil – das haben wir schon gehört – bei der Pflegebedarfsermittlung vor allem körperliche Beeinträchtigungen im Vordergrund stehen.

Diese niedrige Einstufung der Pflegebedürftigkeit betrifft vor allem armutsgefährdete Personen. Wenn das Geld nicht da ist, die Finanzierung nicht da ist, um sich Hilfsmittel oder Therapien zu finanzieren, dann kann das auch negative Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf insgesamt haben. Wir haben es schon gehört und wissen aus der Angehörigenstudie des Sozialministeriums, dass vor allem pflegende Angehörige von Personen, die unter Demenz leiden, besonders belastet sind, und diese Belastung hat sich durch die Coronakrise verstärkt. Frau Kollegin Ribo, Sie haben das auch in Ihrem Redebeitrag erwähnt, und ich sehe, dass Sie erkennen, dass es da quasi auch einen Bedarf gibt. Ich würde mich freuen, wenn diese Personen, wenn die pflegenden Ange­hörigen und die an Demenz Erkrankten die notwendige Unterstützung auch für die Coronazeit bekommen würden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist dringend notwendig: Wenn man die Kritik der Volksanwaltschaft, die Kritik der Pflegefachkräfte, die Kritik der pflegenden Angehörigen, aber auch der von Demenz Be­troffenen selbst ernst nimmt, dann muss man über eine neue Pflegegeldeinstufung reden und dann müssen psychische Erkrankungen und Demenzerkrankungen auch ent­sprechend berücksichtigt werden.

Ich bringe deswegen folgenden Entschließungsantrag dazu ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pflegegeld-Einstufung von Demenzerkrankten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der die systematisch schlechtere Einstufung von Menschen mit Demenz oder einer psychischen Erkrankung gemildert wird, indem der Erschwerniszuschlag von derzeit 25 Stunden um zumindest das Doppelte angehoben wird.“

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Sehr geehrte Damen und Herren, wenn Sie diesen Bedarf erkennen – das haben Sie ja in Ihrem Redebeitrag getan –, dann gehe ich davon aus, dass dieser Antrag auch Ihre Zustimmung finden wird. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.21

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sabine Schatz, Rudolf Silvan,

Genossinnen und Genossen

betreffend Pflegegeld-Einstufung von Demenzerkrankten

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Volksanwaltschaftsausschusses über den 43. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2019) (III‑90/205 d.B.)

Schätzungen zufolge leben 130.000 Österreicherinnen aktuell mit einer dementiellen Erkrankung. 2050 wird diese Zahl auf etwa 260.000 angestiegen sein, denn je älter man wird desto höher werden die Zahl der Neuerkrankungen und die Prävalenz. Demenz umfasst Krankheitsbilder, bei denen die betroffene Person Beeinträchtigungen der kognitiven Funktionen wie Gedächtnis, Orientierung, Sprache, Auffassungsgabe, Ur­teilsvermögen und Lernfähigkeit erfahren kann. Die häufigste Demenzerkrankung stellt die Alzheimer-Krankheit dar.

Die Entwicklung ist eindeutig: wir müssen uns in den kommenden Jahren auf immer mehr Menschen mit Demenz einstellen, die auf Betreuung, Pflege und Unterstützung angewiesen sind. Ebenso bedarf es neuer Wohnformen, um mit Menschen mit Demenz zusammen zu leben und sie in ihrer Orientierung zu unterstützen. Der größte Teil der Betroffenen ist älter als 80 Jahre und weiblich, wie auch die Ergebnisse aus einer Studie von Badelt/Leichsenring (2000) oder der World Alzheimer Report (2014) belegen.

Aktuell kritisiert die Volksanwaltschaft in ihrem Jahresbericht an das Parlament jedoch massive Mängel im Umgang mit Demenz – konkret etwa, dass die Intensität des Einsatzes in der Betreuung von Menschen mit Demenz bei den Einstufungskriterien zur Bemessung des Pflegegeldes trotz des „Demenzzuschlages“ in den Pflegegeld­gut­achten nicht entsprechend abgebildet wird, weshalb das Erreichen höherer Pflege­geldstufen erschwert ist (2020, S. 69). Die sozialgerichtliche Praxis zeige, dass es gerade bei Personen mit dementieller Erkrankung überdurchschnittlich häufig zu – oft massiven – Fehleinschätzungen durch die Sozialversicherungsträger komme, weshalb die Volksanwaltschaft „eine angemessenere und korrekte Einstufung von geistigen und/oder psychischen Beeinträchtigungen“ umzusetzen (a.a.O., S. 56).

Im Regierungsprogramm 2020 wird gefordert, dass die Demenzstrategie österreichweit ausgerollt wird, mit Ressourcen versehen sowie in die Regelfinanzierung übernommen werden soll. Bisher ist das nur eine Ankündigung geblieben, dabei brauchen pflegende Angehörige und Menschen mit Demenz gerade jetzt unsere Unterstützung. Während schon die Angehörigenstudie des Sozialministeriums zeigte, dass die Betreuung von Demenzerkrankten für pflegenden Angehörigen besonders fordernd ist, sind nun in der Corona-Krise aufgrund der Ansteckungsgefahr mit SARS-COV2 Unterstützungen im Freundes- und Bekanntenkreis, Betreuungs- und Therapieangebote zusätzlich aus­gefallen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der die systematisch schlechtere Einstufung von Menschen mit Demenz oder einer psychischen Erkrankung gemildert wird, indem der Erschwerniszuschlag von derzeit 25 Stunden um zumindest das Doppelte angehoben wird.“

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