13.10

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Steinacker hat heute schon ein bisschen gezeigt, wohin die Reise geht, indem sie festgestellt hat, dass der Redebeitrag von Frau Kollegin Fürst aus unseren Reihen unangebracht ist. Ja, vielleicht ist es eben das, worum es hier ein bisschen geht.

Ich möchte für die FPÖ und für Frau Kollegin Fürst schon klarstellen, dass es uns ein großes Anliegen ist, dass Menschen vor Beleidigung, Herabwürdigung, Mobbing, Dro­hungen, Gewaltaufrufen und so weiter geschützt werden, und zwar ganz besonders im Internet und ganz besonders jene Personen, die am schwächsten in der Gesellschaft sind, also Minderjährige und unterstützungsbedürftige Erwachsene. Für die gilt das, das ist uns ein großes Anliegen. Es ist uns auch ein besonderes Anliegen, dass es schnell geht, dass diese Menschen im Internet geschützt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Gleichzeitig muss es ein rechtsstaatliches Vorgehen und eine möglichst geringe Ein­schränkung der Meinungsäußerungsfreiheit geben. Das sind unsere Grundsätze, mit denen wir an das Thema herangehen. Was die Regierung aber unter dem reißerischen Titel Hass im Netz vorlegt, geht in eine ganz andere Richtung. Das beginnt schon bei der Diktion. Das Wort Hass beschreibt ein Gefühl, und ein Gefühl ist insofern nicht Teil einer Rechtsordnung, da diese nicht definiert, was damit gemeint ist. Auch Liebe kommt im Gesetz nicht vor, auch im Eherecht kommt Liebe nicht vor. Sie ist keine Vor­aus­setzung für eine Ehe. Ebenso wenig ist Hass ein juristischer Begriff. Das ist nun einmal so. Es handelt sich um ein Gefühl. Es ist daher höchst problematisch, auf diesem Begriff ein derartiges Gesetzespaket aufzubauen.

Wenn wir uns nur das Zitat der Frau Justizministerin in Erinnerung rufen, das sie am Anfang dieser Diskussion erwähnt hat und das mir gut gefallen hat: „Wenn wir ehrlich sind, hat jeder auch ein gewisses Gespür dafür, ob eine Grenze überschritten wird oder nicht.“ – Genauso ist es. Es gibt dafür ein Gespür. Somit stellt sich eben die Frage: Ist es Hass oder reden wir von wirklichen Delikten? – Dann ist es etwas anderes.

Ein ähnliches Problem haben wir mit dem Begriff der Fakenews, also mit Falsch­mel­dungen. Es ist so heikel, diesen Begriff so hervorzuholen. Wer bestimmt, was Fakenews sind? Wer bestimmt das? Haben wir eine moderne Inquisition, die das festlegt? Schauen wir zurück ins Mittelalter oder in die frühe Neuzeit, als bestimmt wurde, wer die Wahrheit sagt? Wer nicht die Wahrheit sagte, wurde möglicherweise sogar exekutiert. Ist es das, ganz überspitzt formuliert? Wer bestimmt das?

Wir wissen genau, wobei es sich um Fakenews handelt. Soll doch jemand sagen: Die Erde ist eine Scheibe!, auch wenn es wissenschaftlich widerlegt ist. Das tut uns doch nicht weh. Es gibt genug Menschen, die das vielleicht glauben oder es zumindest pro­pagieren. Die Schöpfungsgeschichte aus der Bibel, also wie die Erde entstanden ist, ist zum Beispiel insofern Fakenews, als dass sie wissenschaftlich widerlegt ist. (Zwi­schenruf des Abg. Drozda. – Heiterkeit des Abg. Scherak.) Trotzdem würden wir niemals auf die Idee kommen, sie zu verbieten und da vielleicht das Strafrecht anzu­setzen. Letztendlich kommen wir aber dorthin, wenn wir diese Begriffe so verwenden. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Scherak.)

Damit ich auch etwas Positives sage: Natürlich umfasst dieses Paket auch positive Punkte. Frau Kollegin Fürst hat es zum Teil auch schon angesprochen. Wir sind für das Verbot unbefugter Bildaufnahmen. Das war auch eine Initiative, die wir mitgetragen haben. Wir sind für die Ausweitung der Maßnahmen gegen Cybermobbing. Wir sind froh, dass es eine Gebührenbefreiung bei Privatanklagen gibt, und auch der Opferschutz und die Prozessbegleitung gehören im Sinne meiner Aussagen zu Beginn meiner Rede zu jenen Themen, die wir unterstützen.

Erstaunlich ist allerdings der Zeitpunkt, zu dem dieses Gesetz vorgelegt wird. Wenn genau in diesen Tagen auf europäischer Ebene über dieses Thema unter dem Stichwort Digital Services Act debattiert wird und wir bereits vorweg Kritik dafür bekommen haben, dass wir das heute vorlegen, dann finde ich das wirklich erstaunlich, und zwar nicht weil es sich um einen Alleingang handelt – für einen solchen hätten wir als FPÖ durchaus Sympathie –, sondern weil das Paket genau von ÖVP und Grünen vorgelegt wird, die ja immer sagen: Es ist wichtig, dass wir europäisch vorgehen!

Denken wir zum Beispiel nur an die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei! Wie oft haben wir verlangt, dass wir diese endlich einstellen? Das große Argument lautete immer: Nein, das kann man nicht allein machen, kein Alleingang, da müssen wir gemeinsam vor­gehen! Man muss seine eigenen Argumente schon ernst nehmen, wenn man da so vorgeht. Dass man dieses Paket unbedingt heute vorlegen muss, zeigt, dass da irgendetwas im Busch ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt zu den konkreten Punkten des Kommunikationsplattformen-Gesetzes, eines Kern­stücks dieses gesamten Pakets: Wenn ein Nutzer ein Posting, das er für strafrechtlich bedenklich hält, sieht, meldet er dieses – so weit, so gut. Jetzt muss der Plattform­be­treiber dieses aber innerhalb fixer Fristen löschen – wenn es offensichtlich rechts­widrig ist, innerhalb von 24 Stunden, wenn es fraglich ist, innerhalb von sieben Tagen. Wer bestimmt nun, was offensichtlich und was vielleicht fraglich ist? Wer bestimmt überhaupt, dass etwas rechtswidrig ist? – Irgendein Mitarbeiter eines privaten Unternehmens be­stimmt das. Das ist kein rechtsstaatliches Vorgehen. Das ist ein Auslagern der Zensur an einen privaten Unternehmer. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Drozda.)

Welche Interessen hat der private Unternehmer? – Der private Unternehmer verfolgt ein Geschäftsmodell. Er will Gewinn machen. Ihm geht es nicht darum, den Rechtsstaat oder die Meinungsfreiheit zu fördern – keineswegs. Er will Gewinn machen. Wenn er Schwierigkeiten bekommt, wird er entsprechend handeln. Genau das ist der Punkt. Ich kann so gezielt Meldungen organisieren, ich kann mich gezielt – dafür muss ich mich nur mit anderen zusammenschließen – immer wieder über eine bestimmte Person beschwe­ren. Das führt zu einem Verfahren. Bei fünf Beschwerden innerhalb eines Monats – das geht relativ schnell – wird ein Verfahren eingeleitet, was wiederum dazu führen kann, dass dieses Unternehmen hohe Strafen bekommt.

Was wird im Zweifelsfall also passieren? – Das Unternehmen wird Postings schon im Vorfeld löschen. Genau das ist der Punkt. Ich kann somit also gezielt Menschen aus dem Internet vertreiben. Das trifft nicht nur Freiheitliche oder schon gar nicht nur Frei­heitliche, auch wenn Frau Kollegin Maurer das als großes Argument angeführt hat. Wenn ich eine solche Büchse der Pandora öffne, trifft es jeden. Das kann sich auch gegen Tierschützer richten (Abg. Deimek: Gegen die Grünen!), wenn sich der Bauernbund zusammenschließt und sagt: Wir machen eine Initiative gegen Tierschützer! Auf diese Weise werden die vielleicht aus dem Internet verdrängt werden. Das kann in jede Richtung gehen, vergessen Sie das nicht, wenn Sie das heute hier beschließen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Scherak.)

Ein Bonmot am Rande: Wenn ein solches Unternehmen Strafen bekommt, dann kann es sein, dass diese Strafen von jenen Unternehmen, die Werbeeinschaltungen machen, abgezogen werden. Das heißt, dass das österreichische Unternehmen, das zum Bei­spiel bei Facebook Werbeeinschaltungen bucht, angezapft wird. Dieses Unterneh­men muss dann die Strafe für jenes Unternehmen bezahlen, das tatsächlich zu bestrafen wäre, und muss darüber hinaus weiterhin für die Werbung beim Unternehmen bezahlen. Das heißt, dass das österreichische Unternehmen doppelt bezahlen muss. Es wird bestraft und diskriminiert. Das nur als Bonmot am Rande in Bezug auf dieses Gesetz. Das ist wirklich sehr durchdacht, das muss man schon sagen.

Ein Punkt noch, weil immer wieder von Netzsperren die Rede war: Netzsperren, also die Möglichkeit, eine Webseite überhaupt zu sperren, seien etwas ganz Furchtbares, heißt es. Dagegen sind viele Grüne sogar demonstrieren gegangen, sie haben sich massiv dagegen ausgesprochen. Im ersten Entwurf, den das Justizministerium vorgelegt hat, war diese Möglichkeit definitiv enthalten. Ich war sehr erstaunt, dass das von den Grünen geführte Ministerium überhaupt Netzsperren vorsieht. Dann wurde diese Möglichkeit im Zuge der Begutachtung entschärft. Man hat sie herausgenommen. In den Erläuternden Bemerkungen steht jedoch ausdrücklich: Vorläufig wird auf Netzsperren verzichtet. (Abg. Deimek: Das ist die Netzneutralität der Sigi Maurer!)

Was heißt vorläufig? – Man hat es grundsätzlich vor und sobald es technisch endlich einmal möglich ist, wird man es machen. Das heißt, das, wogegen eine Partei unter anderem angeblich gestanden ist, wird da umgesetzt. Das ist auch ein ganz massiver Eingriff. Dazu brauche ich dann eine Internetpolizei und eine Zensurinfrastruktur. Man kann sich anschauen, wie das funktioniert, China macht das sehr konsequent.

Ich komme damit schon fast zum Schluss. Es gäbe noch einige Punkte, die ich gerne anführen würde, aber dazu reicht meine Redezeit nicht. Ich würde gerne über die Verhetzung und diese fehlgeleitete Änderung im Verhetzungsparagrafen sprechen, der zur Definition der Begriffe Beleidigung und Verhetzung beinahe identische Formulie­rungen verwendet, was dazu führen wird, dass es am Bezirksgericht keine Ver­hand­lungen aufgrund von Beleidigung mehr geben wird. Stattdessen wird alles mit einer sechsfach höheren Strafdrohung an das Landesgericht weitergeleitet werden. Auch das ist eine völlig falsche Initiative, ein völlig falscher Schritt, der nur zu einer Kriminalisierung führt, die in der Form nicht notwendig ist.

Ich komme daher zum Schluss. Ich kann wirklich nur an Sie als Regierungsparteien appellieren, dass Sie das noch einmal überdenken, daran denken, auf welch gefähr­liches Terrain Sie sich mit diesem Gesetzespaket begeben. Sie riskieren damit eine massive Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit für einen wahrscheinlich relativ kurzfristigen medialen Erfolg, und das noch dazu zu einem völlig missglückten Zeit­punkt – also bitte: zurück an den Start! (Beifall bei FPÖ und NEOS.)

13.20

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a Agnes Sirkka Prammer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.