9.33.15

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! In dieser Krise wünscht man sich häufig, dass die Expertinnen und Experten nicht recht behalten. Leider ist oft das Gegenteil der Fall: Die Arbeitsmarktexperten haben recht behalten, als sie einen Winter der Rekordarbeits­losigkeit für Österreich vorhergesagt haben. Eines muss man sagen: Durch jeden wei­teren Lockdown, durch jede weitere Lockdownwoche spitzt sich diese dramatische Si­tuation am Arbeitsmarkt zu. Wenn jetzt vom Licht am Ende des Tunnels im Som­mer 2021 die Rede ist, dann ist das hoffentlich der Fall, was die Gesundheitskrise betrifft. Für Hunderttausende Arbeitslose wird aber auch im Sommer 2021 noch nicht das Licht am Ende ihres Tunnels zu sehen sein. Genau das gilt es bei all den Maßnahmen und Entscheidungen zu bedenken, die seitens der Bundesregierung zu treffen sind.

Da stellen sich drei Möglichkeiten dar: Erstens, die Regierung nimmt das einfach so hin, sitzt es aus – nach dem Prinzip Hoffnung und es wird schon wieder –; zweitens, die Regierung tut so, als würde sie helfen, setzt aber auf Inszenierung, setzt auf leere Ver­sprechungen; oder drittens, die Regierung übernimmt Verantwortung, krempelt die Är­mel auf und macht das, was eine Bundesregierung zu tun hat: handeln, machen, tun, aktiv Arbeitslosigkeit bekämpfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Bisher, muss man sagen, war es eine Mischung aus den Varianten eins und zwei, eine Mischung aus Prinzip Hoffnung und Inszenierung. Herr Bundesminister, Sie haben es in der Hand – Sie sind neu in dieser Funktion –, diesen Kurs der letzten Monate zu ändern und endlich aktiv gegen diese dramatische Rekordarbeitslosigkeit vorzugehen. Führen Sie sich dabei bitte immer eines vor Augen: Es geht nicht nur um Zahlen, es geht nicht nur um Statistik, es geht nicht um Kurven – das ist in der Wissenschaft interessant, aber in der Politik geht es um Menschen. Es geht um Schicksale, um Familien, die betroffen sind, es geht um Menschen, die zwei, drei Jahre vor der Pensionierung stehen, Lehr­linge, die gerade ihre berufliche Laufbahn begonnen haben und keinen Platz mehr fin­den, um ihre Ausbildung fortzusetzen.

Wenn Sie es ehrlich damit meinen, Herr Bundesminister – und davon gehe ich als Opti­mistin aus –, diesen Menschen zu helfen, die nur eines wollen, nämlich arbeiten, eine Perspektive, eine Existenzsicherung für die Zukunft für sich und ihre Familien, wenn Sie es ernst meinen, diesen Menschen zu helfen, dann haben Sie in der SPÖ einen ehrli­chen Partner. (Beifall bei der SPÖ.)

Es braucht eine funktionierende Unterstützung, damit das passiert, endlich eine funktio­nierende Unterstützung für die Unternehmen des Landes und für die Arbeitslosen in Ös­terreich. Seit Sonntag gibt es jetzt wieder ein neues Instrument mit einem neuen Marke­tingnamen. Ich sage Ihnen eines: Es braucht keinen neuen Marketingnamen, es braucht einfach nur ein funktionierendes Instrument für die Wirtschaft, eine Wirtschaftshilfe, die unbürokratisch ist, die einfach und rasch funktioniert, die wirksam ist. Es braucht endlich die Erhöhung des Arbeitslosengeldes (Beifall bei der SPÖ) für eine halbe Million Men­schen in unserem Land, damit aus dieser Viruspandemie nicht eine Pandemie der Ar­mut, eine soziale Krise wird.

Das ist hinsichtlich dieser großen Zahl an Betroffenen, um die es hier geht, nicht nur menschlich geboten, nein, das ist auch wirtschaftlich vernünftig – das sollten gerade Sie wissen –, wenn es um die Ankurbelung der Kaufkraft und des Konsums geht.

Es braucht wirksame, in die Zukunft gerichtete Qualifizierungs- und Umschulungspro­gramme, zum Beispiel im Bereich der Pflege. Wir haben über eine halbe Million Arbeits­lose, und gleichzeitig wissen wir, dass wir in den nächsten Jahren mehr als 80 000 Pfle­gekräfte brauchen werden. Warum macht man nicht aus einem Problem plus noch einem Problem zwei Lösungen, Herr Bundesminister, und erklärt die Pflege zu einem Zukunfts­sektor für lokale Beschäftigung? (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, Sie haben 2018 in einem Interview zu einer Frage bezüglich des Wertes der Pflege gesagt, dass offenbar in diesem Bereich keine spezifischen Fähigkei­ten verlangt werden. Ich würde gerne wissen, ob das noch immer Ihre Haltung ist – ich kann das nicht nachvollziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, ich mache Ihnen ein Angebot: Erarbeiten wir gemeinsam mit den Sozialpartnern ein wirksames Modell zur Qualifizierung und Umschulung im Bereich der Pflege, damit wir im großen Stil Arbeitslose für den Pflegebereich gewinnen, umschulen und qualifizieren! Den Marketingnamen können gerne Sie mit der Bundesregierung aus­suchen. Wir kümmern uns nicht so viel um Marketing und Inszenierung, uns geht es um Inhalte, uns geht es um Lösungen, uns geht es um Perspektiven für die Menschen, um Zuversicht und Chancen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.38

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kasseg­ger. – Bitte.