12.22

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Pandemie, die wir alle erleben müssen, ist die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, gerade weil sie nicht nur eine Gesundheitskrise ist, sondern auch massive Auswirkungen auf Wirtschaft und Beschäftigung hat, und je länger die Krise andauert, desto stärker wird auch die Belastung für jeden Einzelnen, desto stärker wird die psychische Belas­tung, desto herausfordernder wird es.

Ich glaube, es ist wichtig, auch offen auszusprechen, dass Frauen in vielen Fällen diejenigen sind, die noch stärker getroffen wurden. Frauen waren schon vor der Krise – und ich glaube, Hand aufs Herz, wir alle erleben das in den eigenen Familien – dieje­nigen, die oftmals mehr leisten, wenn es um Kindererziehung und -betreuung geht, die oftmals mehr leisten, wenn es um die Pflege von Angehörigen geht, und die oftmals mehr leisten, wenn es darum geht, abseits von Job und sonstigen Herausforderungen des Lebens einfach im Stillen und Verborgenen ihren Beitrag zu leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Gerade eine Krise wie diese Pandemie, die vieles erschwert, die die Pflege von Ange­hörigen verkompliziert, die durch das Homeschooling eine massive Belastung für Fa­­milien auslöst, ist natürlich auch eine Krise, die die Mehrfachbelastung verschärft. Diese Verschärfung der Mehrfachbelastung hat vor allem Frauen getroffen, und ich möchte in diesem Zusammenhang ganz besonders die Alleinerzieherinnen erwähnen. (Zwischen­ruf der Abg. Steger. – Abg. Kucharowits: Dann tun Sie endlich etwas!)

Wir haben als Bundesregierung versucht, mit der Sonderbetreuungszeit und anderen Maßnahmen gegenzusteuern, ich sage aber ganz bewusst „versucht“, denn in Wahrheit ist eine Schule, in der kein Präsenzunterricht stattfindet, egal welche Begleit- und Rahmenbedingungen man schaffen möchte, immer eine Belastung für Familien, und oftmals ganz besonders für Frauen. Daher bin ich froh, dass es vor einigen Wochen möglich war, die Schulen wieder in den Präsenzunterricht zurückzuführen, und möchte mich in diesem Zusammenhang auch ganz herzlich bei Bildungsminister Heinz Faßmann für das innovative Projekt der Selbsttests (Zwischenruf des Abg. Kickl) in den Schulen bedanken, weil das eine Möglichkeit war, früher als in anderen Ländern die Schulen wieder für den Präsenzunterricht zu öffnen (Abg. Belakowitsch: Zwei Tage die Woche!) und die Familien zu entlasten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Belakowitsch: Zwei Tage die Woche! – Abg. Steger: ... weil Sie sie geschlossen haben!)

Wir sind uns alle bewusst, dass der wirkliche Normalzustand erst dann wiederhergestellt wird, wenn auch ein vollständiger Präsenzunterricht für alle Altersgruppen wieder möglich ist, und ich hoffe sehr, dass uns das schon bald gelingt, denn gerade der Prä­senzunterricht ist ein wesentlicher Schritt in Richtung Normalität, ist ein wesentlicher Schritt zurück in unser normales Leben.

Sehr geehrte Damen und Herren, neben der Herausforderung in der Familienarbeit sind es aber natürlich oft auch finanzielle Auswirkungen der Krise und insbesondere auch Herausforderungen am Arbeitsmarkt, hinsichtlich derer wir alles versucht haben, um gegenzusteuern. Ich möchte in diesem Bereich die Kurzarbeit erwähnen, die Gott sei Dank einen Beitrag dazu geleistet hat, über eine Million Jobs in dieser Krise zu retten. Ich bin froh, dass wir gemeinsam mit dem Koalitionspartner auch einen Härtefallfonds gegründet haben (Abg. Belakowitsch – auf die Regierungsbank weisend –: Wo sind denn die überhaupt?), im Rahmen dessen fast 100 000 Familien mit im Durchschnitt über 1 000 Euro zusätzlich unterstützt worden sind. Wir sind bei den Hilfen Weltspitze – und das ist gut so. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf: Na nicht schon wieder!)

Nachdem in gewissen Branchen, deren Betriebe nach wie vor leider Gottes geschlossen sind (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), wie dem Tourismus oder der Gastronomie, überproportional viele Frauen tätig sind, haben wir insbesondere auch am Arbeitsmarkt diesbezüglich eine herausfordernde Situation. Frauen sind durch die Pandemie über­durchschnittlich oft mit Arbeitslosigkeit konfrontiert worden, von Arbeitslosigkeit betrof­fen, und auch da hoffe ich sehr, dass es uns gelingt, je mehr wir schrittweise wieder öffnen können, die Folgen dieser Krise reduzieren zu können. Insbesondere die Öffnung von Gastronomie, Tourismus, Sport- und Freizeitwirtschaft, aber auch der Kultur wird ein wesentlicher Schritt zurück zur Normalität sein, wird aber auch ein wesentlicher Schritt am Arbeitsmarkt sein und insbesondere viele Frauen wieder zurück in Beschäftigung bringen. (Abg. Belakowitsch: Die Frauen jubeln schon!)

Sehr geehrte Damen und Herren, Frauenpolitik ist nicht nur während, sondern auch vor und nach der Coronapandemie eine ganz wesentliche Säule der Politik. (Zwischenruf bei der SPÖ. – Ruf: Danke!) Ich möchte in diesem Zusammenhang ein ganz herzliches Danke an die zuständige Ministerin Susanne Raab dafür sagen, dass sie in der gesamten Regierungsmannschaft immer eine Treiberin für diesen Themenbereich ist. (Abg. Steger: ... hat sich nicht durchgesetzt! – Abg. Kickl: Schaut ein bisschen über­rascht!) Ich möchte aber auch allen anderen Regierungsmitgliedern danken, die in diesem Bereich ihren Beitrag leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist dramatisch, dass wir uns im 21. Jahrhundert noch immer mit Themen wie Ge­waltschutz oder Gleichstellung am Arbeitsmarkt auseinandersetzen müssen, aber ich bin froh, dass es gerade in diesen Themenbereichen einen Schulterschluss in der Regierung gibt (Abg. Belakowitsch – auf die Regierungsbank weisend –: Na ja, das schaut nicht ganz so aus, weil da ist alles leer!), und möchte mich auch beim Arbeitsminister ganz herzlich dafür bedanken, dass er gerade ein Rekordbudget in die Hand nimmt, um die Unterstützung der Frauen am Arbeitsmarkt und beim Wieder­einstieg in den Arbeitsmarkt sicherzustellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Steger.)

Ich bin durchaus stolz darauf, dass ich jener Bundeskanzler in der Zweiten Republik bin (Zwischenruf bei der SPÖ), der als Erster eine Regierungsmannschaft anführen durfte, in der der Frauenanteil höher als 50 Prozent war. Ich bin froh, dass es gemeinsam mit dem Koalitionspartner gelungen ist, das Frauenbudget auf ein Niveau zu steigern, auf dem es überhaupt noch nie war: eine fast 50-prozentige Steigerung im Vergleich zum Budget von vor zehn Jahren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf bei der SPÖ: Stimmt nicht! – Zwischenruf der Abg. Steger.)

Es muss uns allen klar sein, dass es trotz aller Bemühungen, und auch das muss offen ausgesprochen werden, noch ein weiter Weg zu einer vollständig gleichberechtigten Gesellschaft ist. (Ruf bei der SPÖ: Vorschläge, Vorschläge!) In diesem Sinne darf ich mich ganz herzlich bei unserer Frauenministerin für ihre Arbeit bedanken, kann aber auch garantieren, dass ich mich stets bemühen werde, da meinen Beitrag zu leisten. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Belakowitsch: So lange Sie halt Zeit dazu haben!)

Geschätzter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, erlauben Sie mir aus gegebenem Anlass auch noch ein Wort zu den Geschehnissen am vergangenen Wochenende in Wien zu sagen. Ich möchte mich in diesem Zusammenhang nicht verschweigen, weil ich glaube, dass die Geschehnisse vom Wochenende etwas sind, zu dem nicht nur jeder eine Meinung haben sollte, sondern es ist auch notwendig, diese klar auszusprechen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Leichtfried und Belakowitsch.)

Wir alle gehen unterschiedlich mit dieser Pandemie um. Wir alle haben unterschiedliche Meinungen zu dieser Pandemie, zum Virus und zu den notwendigen Maßnahmen, und das ist auch gut so; das ist in einer Demokratie normal und wichtig. (Ruf bei der SPÖ: Zur Sache, Herr Präsident! – Ruf bei der FPÖ: Es braucht einen Ruf zur Sache!) Es gibt in der Bevölkerung ganz unterschiedliche Sorgen, was eine Erkrankung betrifft, und auch das ist normal und gut so. Es gibt auch ein unterschiedlich großes Risiko im Falle einer Ansteckung – junge, fitte Menschen haben wesentlich weniger Risiko als Menschen mit Vorerkrankungen oder ältere Menschen. Und es ist natürlich in einer Demokratie auch angebracht, möglich und sinnvoll, Unmut zu äußern, wenn man mit etwas nicht zufrieden ist. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Aber, und das ist ein ganz wesentlicher Punkt: Unter keinen Umständen ist Gewalt akzeptabel (Abg. Belakowitsch: Auch nicht die der Polizei!), und unter keinen Um­ständen ist Antisemitismus akzeptabel. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und Grünen sowie Beifall bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Steger: Fakenews!)

Beides haben wir am Wochenende in Wien erlebt. (Abg. Amesbauer: Lügenkanzler! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wurm.) Sieg-Heil-Rufe im 2. Bezirk in Wien sind beschämend (Abg. Amesbauer: Lügenkanzler! – Ruf bei der FPÖ: Sie lügen! – Abg. Wurm: Das ist ein Wahnsinn! – Abg. Hafenecker: Jeden Tag, wenn Sie den Mund aufmachen ...! Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), und eine Hooligan­men­talität, die zu Gewalt und zu einem schwer verletzten Wachmann führt, ist inakzeptabel. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Das stimmt doch nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Genauso (Abg. Hafenecker: Ihre Tage als Bun­deskanzler sind gezählt, Herr Kurz! Ihre Tage sind gezählt!), wie jeder in diesem Land Gott sei Dank das Recht hat, seine Meinung frei auszusprechen (Abg. Wurm: Noch! Noch habe ...! – Ruf bei der FPÖ: Lüge! Lüge!), habe auch ich dieses Recht (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Steger): Ich halte diese Ereignisse für inakzeptabel. (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) Es widert mich an, und ich bin auch der Meinung, dass so etwas in Österreich keinen Platz haben sollte. – Vielen Dank. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Hafenecker. – Abg. Kassegger hebt die Hand.)

12.33

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Abgeordneter Kassegger zu Wort gemeldet. – Bitte.

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