15.21

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordne­te! Der Verlust des Arbeitsplatzes oder die Gefahr, den Arbeitsplatz zu verlieren, ist wahrscheinlich eine der dramatischsten Erfahrungen, die man machen kann. Es ist nicht nur für den Einzelnen dramatisch, sondern es ist oft ein Drama für die ganze Familie, für den Ehepartner, für die Kinder und für viele andere, die oft dranhängen. Ich kenne das Thema nur zu gut, weil ich mitverfolgt habe, wie mein Vater, als ich damals Schüler war, seinen Job verloren hat und wie schwierig es nicht nur für ihn, sondern für die gesamte Familie war, wie hart der Weg zurück und wie unglaublich belastend diese Situation war. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Und genau vor dieser Situation stehen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von MAN am Standort Steyr derzeit – einer Situation der Ungewissheit, im Moment einer Situation der Hoffnungslosigkeit und einer Situation der Angst, wie es weitergeht.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, es wäre schön, wenn das Thema ein so einfaches wäre, das sich mit einer Parlamentsrede von Ihnen, mit einer Pressekonferenz von Ihrer Parteivorsitzenden oder auch mit der Verstaatlichung lösen lassen würde. (Zwischenruf des Abg. Rainer Wimmer.) Die Situation am Standort Steyr, die Situation im MAN-Werk ist ernst, sie ist angespannt, und die Lösung ist keine leichte. Die Bundesregierung ist entschlossen, alles zu tun, was wir beitragen können, um die Arbeitsplätze an diesem Standort zu schützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwi­schenrufe der Abgeordneten Leichtfried und Belakowitsch.)

Der Standort ist nicht nur ein wichtiger Forschungsstandort, der weit über die Region hinausstrahlt, der Standort ist ein wichtiger Ausbildungsstandort für Hunderte Lehrlinge und er ist ein wichtiger Arbeitgeber für Tausende Mitarbeiter im Betrieb selbst, mit einer Auswirkung auf unzählige andere Zuliefer- und Partnerbetriebe in der Region. (Rufe bei der SPÖ: Das wissen wir eh!)

Dass sich der Mutterkonzern von MAN entschlossen hat, die Standortvereinbarung nicht einzuhalten, ist dramatisch, und dass der Konzern jetzt auch so weit gehen möchte, die­ses Werk zu schließen, ist noch dramatischer. Wir als Bundesregierung sind von Anfang an mit der oberösterreichischen Landesregierung und auch mit den Sozialpartnern, mit Präsident Katzian und mit Präsident Mahrer, in Kontakt und versuchen, alles zu tun, um einen Weg zu finden, die Arbeitsplätze am Standort zu retten.

Wir sind selbstverständlich auch bereit (Zwischenruf des Abg. Rainer Wimmer) – Herr Abgeordneter, ich habe Ihnen auch zugehört, vielleicht können Sie so freundlich sein; wenn Sie nicht wollen, kann ich es auch nicht ändern, vielleicht sind Sie aber zumindest so freundlich und schenken mir einen Moment Ihre Aufmerksamkeit (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen – Zwischenrufe bei der SPÖ) –, wir sind selbstver­ständlich bereit, rechtliche Schritte zu unterstützen, sollte die Belegschaft der Meinung sein, dass diese rechtlichen Schritte zielführend sind. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das oberste Ziel sollte aber sein, die Arbeitsplätze dort zu sichern und zu erhalten.

Wir sind daher als Bundesregierung gemeinsam mit der Landesregierung, aber auch den Sozialpartnern übereingekommen, dass wir alle Maßnahmen im Bereich der Unter­stützung für potenzielle Interessenten ergreifen wollen, um diesen Standort zu sichern. Gemeinsam mit der Landesregierung und den Sozialpartnern sind die Wirtschafts­ministerin und der Arbeitsminister bereit, Pakete zu schnüren, um den Standort attrakti­ver zu machen und zu gewährleisten, dass ein Maximum der Jobs erhalten werden kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Leider Gottes gibt es keine Gewissheit dafür, dass rechtliche Schritte die Arbeits­plätze retten würden, sondern, ganz im Gegenteil, es gibt diesen rechtlichen Schritten gegenüber auch vonseiten der Belegschaft viel Skepsis, da das oberste Ziel ja nicht ein Rechtsstreit ist, sondern die Arbeitsplätze zu erhalten.

Was auch nicht hilft, ist (Zwischenruf des Abg. Leichtfried), jetzt überhastet mit einer staatlichen oder mit einer verstaatlichten Wirtschaft zu liebäugeln. Wir haben in der Ge­schichte Österreichs schmerzhaft erlebt, dass viele dieser verstaatlichten Fantasien zu einer Massenarbeitslosigkeit an den Standorten geführt haben, dass diese Ideen oftmals mehr Probleme geschaffen haben, als sie gelöst haben, und Tausende Arbeitsplätze vernichtet worden sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Dazu, sehr geehrte Damen und Herren, wollen wir nicht zurückkehren, denn wir wissen aus der Geschichte Österreichs, dass dieser Weg ein Weg war, der von Misserfolg und Ar­beitslosigkeit geprägt war und der es nicht würdig ist, wiederholt zu werden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Herausforderung, sehr geehrte Damen und Herren – und das ist die Realität –, ist: Wenn man sich mit der Sache im Detail beschäftigt, so sieht man, dass die Zahl der Interessenten leider derzeit überschaubar ist. Gott sei Dank gibt es Interessenten, und wichtig ist jetzt, dass alle Interessenten die Möglichkeit haben, ihre Konzepte vorzulegen. Ich bin der oberösterreichischen Landesregierung, den Sozialpartnern, aber auch den zuständigen Ministern dankbar, dass da der stetige Austausch mit allen potenziellen Interessenten geführt wird (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), um zu erarbeiten und zu bewerten, ob es geeignete Konzepte gibt, den Standort in einer wettbewerbsfähigen Art und Weise weiterzuführen, den Betrieb zu erhalten und die Arbeitsplätze zu sichern.

Die Herausforderung, die wir derzeit sehen, ist, dass es leider Gottes noch keine Eini­gung zwischen einem Interessenten und der Belegschaft gibt. Insofern hoffe ich, dass alle Beteiligten im Dialog bleiben. Ich bin auch mit Präsident Mahrer und Präsident Kat­zian einer Meinung, dass das der einzig richtige Weg sein kann, um die Arbeitsplätze dort zu sichern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Am Standort Steyr gibt es Tausende gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es gibt Fachkräfte, wie sie in weiten Teilen Österreichs, aber auch in der Region von anderen Betrieben dringend gesucht werden. Es gibt ein unglaubliches Know-how und eine stolze Geschichte eines erfolgreichen Betriebs. Wir sollten alles tun, was in unserer Macht steht, parteiübergreifend an einem Strang ziehen, um so viele Arbeitsplätze wie möglich zu sichern. Ich glaube nicht, dass es das richtige Thema ist, um parteipolitisches Kleingeld zu wechseln und parteipolitischen Profit schlagen zu wollen, sondern wir alle sollten versuchen, unseren Beitrag zu leisten, damit dieser Standort, vor allem aber auch die Jobs gesichert werden können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grü­nen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir, abschließend festzuhalten, dass ich trotz aller Schwierigkeiten, trotz dieser sehr verzwickten Situation, trotz des Bruchs der Abkommen, den es vom Mutterkonzern gegeben hat, trotz der Herausforderungen, mit denen Belegschaft und Interessenten konfrontiert sind, optimistisch bin, dass es möglich sein wird, eine Lösung zu finden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich bin optimistisch, weil das Wichtigste vorhanden ist, nämlich gut ausgebildete Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter, die über eine hohe Qualifikation und Leistungsbereitschaft verfügen, und insofern auch die Möglichkeit gegeben sein wird, dort weiter wettbewerbs­fähig zu produzieren, sobald die richtige Konstellation oder Lösung dafür gefunden ist.

Den österreichischen Arbeitsmarkt ganz allgemein betreffend bin ich auch optimistisch. Arbeitsminister Martin Kocher wird darauf noch im Detail eingehen. Wir haben ein he­rausforderndes Jahr der Pandemie hinter uns. Weite Teile der Industrie haben sich Gott sei Dank sehr schnell erholt und stehen heute wieder sehr gut da. Andere Branchen, die geschlossen werden mussten, sind natürlich nach wie vor massiv betroffen. Wir haben die Situation, dass wir bis zum nächsten Jahr 500 000 Menschen wieder in Beschäfti­gung bringen und so schnell wie möglich wieder das Vorkrisenniveau erreichen wollen. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Wir haben Hunderttausende Menschen, die nach wie vor in Kurzarbeit sind, und zu viele, die derzeit arbeitslos sind. Mit den Öffnungsschritten Mitte Mai haben wir die Chance, viele dieser Menschen wieder in Beschäftigung zu bringen. (Abg. Belakowitsch: Glau­ben Sie das, was Sie da sagen?)

Mit der Rückkehr zur Normalität im Sommer haben wir die Möglichkeit, dass unzählige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter endlich wieder ihrer Tätigkeit nachkommen können. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Mit Maßnahmen, die wir setzen, wie der Investitionsprämie, können wir Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land dabei unterstützen, Ar­beitsplätze zu schaffen, denn klar ist: Die Politik hat die Möglichkeit, die Rahmenbedin­gungen zu schaffen, die Arbeitsplätze selbst entstehen durch mutige Unternehmerinnen und Unternehmer und durch fleißige, gut ausgebildete und hart arbeitende Mitarbeiterin­nen und Mitarbeiter. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.32

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Klubob­frau Rendi-Wagner. – Bitte.