Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundesminister! Momentan ist ja die Situation im Tourismus, in der Hotellerie und in der Gastronomie recht angespannt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen auf der einen Seite nicht, ob sie ihren Job behalten werden. Auf der anderen Seite wissen die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nicht, ob sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder zurück in den Betrieb holen können, wenn es dann endlich losgeht. Die Unsicher­heit ist sehr groß.

Meine Frage dazu ist:

67/M

„Wie stellt sich nach Ihrer Einschätzung die Arbeitsmarktsituation im Tourismus heute und in der weiteren Entwicklung dar?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Vielen Dank. Ja, der Tourismus und die Gastronomie sind wirklich Bereiche, in denen es extreme Schwierigkeiten in vielerlei Hinsicht gibt: die langen Schließungen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer sind teilweise schon sehr lange nicht im Betrieb, zum Teil in Kurzarbeit, zum Teil in Arbeitslosigkeit. Es kommt dazu, dass die Belastung von vielen Menschen in diesem Bereich, die jetzt in Arbeitslosigkeit sind, besonders hoch ist, weil sie eben unter regu­lärer Beschäftigung zum Teil Trinkgelder bekommen, die jetzt nicht abgebildet werden können. Also eine ganz schwierige Lage. Deswegen ist es so wichtig, dass wir Öffnungs­schritte schaffen, dass wir den grünen Pass bekommen, um letztlich auch internationale Touristen wieder in Österreich begrüßen zu können.

Insgesamt ist es so, dass im Moment 75 000 Personen aus dem Bereich Beherbergung und Gastronomie in Arbeitslosigkeit oder in Schulungen beim AMS sind. Das sind um ungefähr 30 000 weniger als genau vor einem Jahr, in der Hochphase des ersten Lockdowns, aber um 30 000 mehr als vor zwei Jahren, 2019.

Also es ist eine große Herausforderung. Die Öffnungsschritte werden uns in diesem Bereich sicher eine Erleichterung bringen, aber es wird auch weiterer Maßnahmen bedürfen. Wir wissen aber aus der Erfahrung der Vergangenheit, dass gerade im Touris­mus die Nachfrage recht rasch zurückkommen kann, wenn es das Angebot wieder gibt. Die Gäste werden sicher wieder kommen, nicht nur aus dem Inland.

Wir wissen auch – es gibt ganz neue Daten von heute –, dass sich aufgrund der Unmög­lichkeit, manche Dinge zu tun, Konsum aufgestaut hat. Die Leute haben gespart, und wir werden alles daran setzen müssen, dass die Menschen ihr Geld in Österreich ausgeben, in der Gastronomie, im Tourismus, wenn das wieder möglich ist.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Ein großes Thema im Tourismus ist die Kontinuität beim Stammpersonal. Ein Problem sind die zum Teil sehr fordernden Arbeitsbedingungen und die notwendige Bereitschaft zur Mobilität. Was kann die Politik dazu beitragen, dass wir den Fachkräftemangel überwinden können?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Wir haben versucht, da möglichst viele Maßnahmen zu setzen. Erstens haben wir speziell im Rahmen der Corona­job­offensive versucht, gerade in den Bundesländern, in denen der Tourismus besonders wichtig ist, im Tourismusbereich Aufqualifizierungen zu fördern. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Aspekt. Damit werden bessere Arbeitsplätze geschaffen.

Wir fördern überregionale Vermittlung. Da gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die dann wirksam werden, wenn es wieder Öffnungen geben kann. Ein Beispiel sind Mobilitäts­hilfen, wo wir die Höchsteinkommensgrenzen erhöht haben. Wir fördern E-Job-Meetings; das sind Jobbörsen, die elektronisch, virtuell stattfinden, weil diese im Moment natürlich nicht in Präsenz stattfinden können. Es gibt Tourismuscoaches, eine Reihe von anderen Möglichkeiten, um Menschen zu unterstützen, die zum Beispiel aus dem Osten von Österreich in den Westen von Österreich gehen. Und wir haben auch die Maximal­gültigkeit von Wiedereinstellungszusagen verlängert.

Wenn die Öffnungen möglich sind, ist der Tourismus, glaube ich, gut unterstützt, aber es ist eine große Herausforderung, gerade Fachkräfte in diesem Bereich zu halten.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Hauser.

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Der Touris­mus ist tatsächlich jene Branche, die durch den Dauerlockdown der Regierung massiv geschädigt wurde. Andere Staaten wie die Schweiz haben ja vorgezeigt, dass es auch ohne Dauerlockdown geht. Ich bin der Tourismussprecher unserer Partei. Wir haben aufgrund unseres Engagements Gott sei Dank größeren Schaden auch für die Privat­vermieter und für die kleinen gewerbetreibenden §-28-Betriebe abwenden können, aber der Tourismus hat neben den zum Teil noch ausstehenden Förderungen jetzt auch ein Riesenproblem mit den fehlenden Mitarbeitern, und dies deswegen, weil viele der Mitarbeiter seit Ende September, Mitte Oktober arbeitslos sind.

Wir haben aufgrund dieser langen Arbeitslosigkeit im Parlament mehrmals Anträge ge­stellt, beim Arbeitslosengeld die Nettoersatzrate von 55 Prozent auf 70 Prozent zu erhöhen. Diese Initiative unsererseits wurde aber leider abgelehnt. Aufgrund fehlender Gelder haben nun zu viele Mitarbeiter im Tourismus diese Branche verlassen.

Herr Minister, wie hoch, glauben Sie, ist der Anteil all jener, die die Tourismusbranche verlassen haben, weil beim Arbeitslosengeld die Nettoersatzrate nicht von 55 Prozent auf 70 Prozent erhöht wurde?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Glücklicherweise ist es so, dass auch der Tourismus – und das war, glaube ich, auch das große Ziel – die Kurzarbeit sehr gut genutzt hat. Wir haben im Tourismus, in der Gastronomie immer noch Zehntausende Personen in Kurzarbeit. Das war nicht klar, dass das passiert, weil die Kurzarbeit ja früher vor allem ein Instrument für die Industrie war. Deshalb hat die Kurzarbeit da vieles abgemildert. Es wird eine Herausforderung sein. Solche Krisen führen natürlich zu einem Ungleichgewicht am Arbeitsmarkt. Ich glaube nicht, dass da eine generelle Erhöhung des Arbeitslosengeldes viel verändert hätte. Wir werden den Tourismus aber auf jeden Fall weiterhin unterstützen, wenn es darum geht, im Aufschwung, im Wiederaufbau Arbeitskräfte zu finden. Das ist natürlich klar.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage von Herrn Abgeordneten Schellhorn. – Bitte sehr.

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Guten Morgen, Herr Minister! Sie haben eingangs auch erwähnt, dass der Tourismus sehr schnell wieder hochfahren wird, wenn dann die Öffnungen da sind. Es gibt halt Unterschiede zwischen Städte- und Ferien­tourismus. Ich glaube, in der Stadt wird es ein bisschen länger dauern. Das heißt auch, Stichwort Mobilität und Bereitschaft, die hohe Arbeitslosigkeit in den Städten und der hohe Bedarf in den Ferienregionen werden nicht ausgeglichen werden können.

Grundsätzlich hat ja der Tourismus am Arbeitsmarkt ein Strukturproblem, und es ist ja so, dass wir eigentlich ein Ganzjahresarbeitszeitmodell mit längeren Durchrechnungs­zeiträumen bräuchten. Gibt es in Ihrem Ministerium auch Überlegungen, das umzu­setzen? Das heißt auch, dass wir vor allem die hohen Schwankungen der Zwei­saiso­nalität im Ferientourismus entsprechend ausgleichen können, damit wir die Mitarbeiter in den Ferienregionen ansiedeln können, damit es auch eine Ganzjahresanstellung gibt.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Völlig richtig, ich stimme da völlig zu. Ich glaube auch, dass es da wichtig ist, zu unterscheiden. Wir haben es letztes Jahr im Sommer gesehen: Der Ferientourismus gerade an den Seen zum Beispiel hat ein sehr gutes Jahr erlebt, aber in der Stadtgastronomie, in der Stadthotellerie gab es letztes Jahr ein großes Problem, und das wird auch heuer im Sommer natürlich nicht ganz gelöst sein. Es wird auch dauern, bis der Kongresstourismus zurückkommt. Das ist, glaube ich, völlig nachvollziehbar.

Grundsätzlich ist das eine sehr interessante Idee, die auch bei uns im Haus überlegt wird. Wir können jetzt vielleicht auch ein paar Anleihen im Landarbeitsgesetz nehmen – in diesem Bereich gibt es ja auch saisonale Schwankungen. Das Landarbeitsgesetz wurde gerade im Parlament beschlossen, und da gibt es Möglichkeiten, die Beschäf­tigung so zu gestalten, dass sie eben nicht so stark saisonal schwankt. Das ist eine interessante Idee, die wir auf jeden Fall weiterverfolgen können und müssen, um damit auch das Ziel zu erreichen, dort noch attraktivere Arbeitsplätze zu schaffen. – Danke.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Neßler. – Bitte sehr.

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Guten Morgen, Herr Minister! Welche Angebote macht das AMS angesichts des vor uns liegenden Strukturwandels gerade in der Nied­riglohnbranche oder im Tourismus, um für wechselwillige Mitarbeiter und Mitarbeiterin­nen den nachhaltigen Wechsel vielleicht in Branchen mit besserer Bezahlung und bes­seren Arbeitsbedingungen zu ermöglichen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Wir haben natürlich mehrere Maßnahmen in der Coronajoboffensive – wie gesagt, gerade im Westen von Österreich, auch im Tourismus. Ich muss vielleicht dazusagen, dass es auch die Möglichkeit gibt, den Bildungsbonus zu bekommen, wenn man eine längere Ausbildung macht, und das halte ich für sehr wichtig. Das sind 180 Euro zusätzlich pro Monat, um eben die Lebens­haltungskosten abzudecken, wenn man länger in Ausbildung ist.

Wir werden im Moment nicht – das haben wir auch ganz klar kommuniziert, auch gemeinsam mit den Landes-AMS-Stellen – aktiv Menschen aus dem Tourismus um­schulen, um eben zu verhindern, dass Leute aus dem Tourismus rausgehen und dann dort ein Arbeitskräftemangel entsteht. Natürlich gibt es einzelne Personen, die das machen, die unterstützen wir, unterstützt das AMS auch, aber ich glaube, es ist wichtig, auch im Tourismus bessere Arbeitsplätze zu schaffen, attraktivere Arbeitsplätze zu schaffen, weniger saisonale Abhängigkeiten zu schaffen und die Menschen dort aufzu­qualifizieren. Das ist unser großes Ziel, gerade in den spezifischen Tourismusregionen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Drobits. – Bitte sehr.

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Gerade im Tourismus findet ja immer das Thema Lohn- und Sozialdumping Eingang. Der Pandemie geschuldet ist natürlich die Arbeitsmarktsituation nicht nur in Österreich, sondern auch in ganz Europa prekär.

Meine Frage ist: Wie wollen Sie die Ausbeutung von Arbeitnehmern im Tourismus ver­hindern beziehungsweise redliche Unternehmer gegenüber unredlichen Unternehmern schützen? Welche Maßnahmen wollen Sie setzen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Wir haben ja diese Woche, glaube ich, eine Novelle zum Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz in Begutachtung geschickt, im Zuge derer gerade der Bereich Unterentlohnung – und das ist der Bereich, der am häufigsten auftritt – besonders hohe Strafen nach sich zieht, höhere Strafen, als das davor schon der Fall war, die zum Teil ja auch kritisiert worden sind.

Also wir werden natürlich in diesem Bereich besonders genau hinschauen. Es gibt auch jetzt mehr Kontrollen mit der Finanzpolizei, mit der Gesundheitskasse, um das zu ver­meiden. Das ist mir ein wichtiges Anliegen, und die Novellierung dieses Gesetzes gibt uns auch mehr Möglichkeiten, gerade was Lohndumping betrifft.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage, 71/M, stellt Frau Abgeord­nete Nussbaum. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.