09.45.18

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Guten Morgen, lieber Herr Bundes­minis­ter! Ich möchte auf das bereits angesprochene Problem der 190 000 Langzeit­arbeits­losen zurückkommen, diesen Sockel, den es ja schon lange gibt. Jetzt können wir damit rechnen, dass es durch neue Technologien, auch durch den Klimaschutz, neue Jobs geben wird. Allerdings haben wir das Problem, dass die Langzeitarbeitslosen in diese neuen Anforderungen oft nicht wirklich hineinpassen, und wir müssen gleichzeitig damit rechnen, dass Jobs durch den Klimawandel auch verloren gehen – ich denke zum Bei­spiel nur an den bereits angesprochenen Wintertourismus. Da wird man wahrscheinlich langfristige Bildungsmaßnahmen brauchen, damit dieser Übergang, diese Just Transition, gelingt.

Meine Frage diesbezüglich wäre: Was meinen Sie, wie viele Menschen in Österreich müssen pro Jahr solche länger dauernden Bildungsprogramme durchlaufen und auch zu anerkannten Abschlüssen kommen, damit dieser Übergang gelingt?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 76/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie viele Menschen in Österreich müssen Ihrer Ansicht nach zukünftig pro Jahr Zugang zu längerdauernden Bildungsprogrammen mit formal anerkannten Abschlüssen kom­men, um die Anforderungen erfüllen zu können, die sich aus dem Technologie- und Strukturwandel sowie der drohenden Klimakatastrophe ergeben?“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Idealerweise durchlaufen alle unselbstständig Beschäftigten letztlich laufend Bildungsprogramme. Es ist ganz klar, dass der Strukturwandel, der jetzt noch einmal durch die Coronakrise beschleunigt wurde, große Herausforderungen an alle stellt: an die Betroffenen, die sich lebenslang weiterentwickeln müssen, an die Unternehmen, die in Weiterbildung investieren müssen, an den Staat und die öffentliche Hand, die das unterstützen müssen.

Die Zahl kann man, glaube ich, nicht genau nennen, aber ich denke, es wird aufgrund der demografischen Entwicklung und aufgrund – Sie haben es angesprochen – der Klimakrise und des Strukturwandels durch Digitalisierung einen noch stärkeren Bedarf an Qualifizierung geben, als es schon vor der Coronakrise der Fall war.

Wir werden in dem Bereich gemeinsam schauen müssen, dass wir möglichst viele Instrumente bereitstellen, das ausbauen – und auch alle Menschen mitnehmen. Das ist nämlich nicht nur eine Arbeitsmarktfrage, sondern das ist auch eine sozialpolitische Frage – auch das haben Sie angesprochen –: Es geht auch darum, die mitzunehmen, die zum Beispiel nur einen Pflichtschulabschluss haben und sich besonders schwertun in einer Zeit, in der gerade Arbeitsplätze, die sehr stark automatisierbar sind, leichter wegfallen können. Das ist wahrscheinlich die größte Aufgabe der Bildungspolitik, der Arbeitsmarktpolitik und der Standortpolitik, da möglichst alle mitzunehmen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Eine konkrete Zielgröße an Abschlüssen ist wahrscheinlich schwer zu nennen – aber vielleicht geht es so: Wie viel mehr an Mitteln braucht das AMS dafür, diese Zahl an Menschen in diese Bildungsprogramme zu bringen? – Vielleicht ist das leichter.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Auch das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Wir haben jetzt diese zwei Jahre die 700 Millionen Euro für die Job­offensive. Da, glaube ich, haben wir genügend Mittel, und wir werden uns als Arbeits­ressort natürlich dafür einsetzen, dass wir auch in den nächsten Jahren für Qualifizierung Mittel zur Verfügung haben werden.

Ein Punkt, der mir in diesem Zusammenhang wichtig ist, ist, dass wir die Fach­kräfte­prognosen, die wir in einzelnen Bereichen haben, noch umfangreicher erstellen, damit wir eben genau beantworten können: Welche Mittel braucht es? Welche Qualifizierungs­programme braucht es? Und: Wie kommen wir da hin, dass wir diese Nachfrage nach Fachkräften auch mit inländischen Arbeitskräften besetzen können? – Das große Problem nach der Finanzkrise war, dass ein sehr starker Beschäftigungsaufbau passiert ist, aber 80 Prozent der Menschen, die dort neu beschäftigt worden sind, kamen nicht aus dem Pool der Arbeitslosen. Also es wird eine ganz große Aufgabe werden, nach der Coronakrise da die richtigen Voraussetzungen zu schaffen. (Abg. Hamann: Danke!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage, 78/M, stellt Frau Abgeord­nete Fiedler. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.