28.2.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 55/4


BESCHLUSS (EU) 2022/313 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 24. Februar 2022

über eine Makrofinanzhilfe für die Ukraine

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 212,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union (im Folgenden „Union“) und der Ukraine entwickeln sich weiterhin innerhalb der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) und der Östlichen Partnerschaft. Ein Assoziierungsabkommen zwischen der Union und der Ukraine (2) (im Folgenden „Assoziierungsabkommen“), welches eine vertiefte und umfassende Freihandelszone umfasst, ist am 1. September 2017 in Kraft getreten.

(2)

Im Frühjahr 2014 leitete die Ukraine ein ehrgeiziges Reformprogramm ein, das darauf abzielt, die Wirtschaft zu stabilisieren und den Lebensstandard der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Die Korruptionsbekämpfung sowie Verfassungs-, Wahl- und Justizreformen zählen zu den wichtigsten Prioritäten auf der Agenda. Die Umsetzung dieser Reformen wurde durch fünf aufeinanderfolgende Makrofinanzhilfeprogramme unterstützt, in deren Rahmen die Ukraine Finanzhilfe in Form von Darlehen in Höhe von insgesamt 5 Mrd. EUR erhalten hat. Mit der jüngsten Makrofinanzhilfe, die im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie gemäß Beschluss (EU) 2020/701 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) gewährt wurde, wurden der Ukraine Darlehen in Höhe von 1,2 Mrd. EUR bereitgestellt; die Maßnahme wurde im September 2021 abgeschlossen.

(3)

Die ukrainische Wirtschaft wurde von der durch die COVID-19-Pandemie verursachten Rezession im Jahr 2020 in Mitleidenschaft gezogen und wird von anhaltenden Sicherheitsbedrohungen an der Grenze zu Russland beeinträchtigt. Die kontinuierlich zunehmende Unsicherheit hat in jüngster Zeit zu einem Vertrauensverlust geführt, der sich negativ auf die wirtschaftlichen Aussichten auswirkt und seit Mitte Januar 2022 einen Verlust des Zugangs zu den internationalen Kapitalmärkten zur Folge hatte. Die sich verschlechternden Finanzierungsbedingungen haben zu einer beträchtlichen und wachsenden verbleibenden Außenfinanzierungslücke beigetragen und belasten die Investitionen erheblich, wodurch die Resilienz der Ukraine gegenüber künftigen wirtschaftlichen und politischen Schocks abnimmt.

(4)

Die ukrainische Regierung hat ein starkes Engagement für die Umsetzung weiterer Reformen unter Beweis gestellt, wobei der Schwerpunkt in der aktuellen kritischen Phase kurzfristig auf Schlüsselbereichen wie der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit und Stabilität, Governance und Rechtsstaatlichkeit sowie Energie liegt.

(5)

Ein erneuertes Engagement für die Durchführung solcher Reformen und ein starker politischer Wille haben die ukrainischen Behörden dazu veranlasst, die Umsetzung der Reformen seit Sommer 2021 zu beschleunigen. Dies hat es der Ukraine auch ermöglicht, die Makrofinanzhilfeaktion im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie erfolgreich abzuschließen, da alle mit der Union in der Grundsatzvereinbarung festgelegten Reformmaßnahmen durchgeführt wurden.

(6)

Um im Kontext der Krise im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie mehr politische Flexibilität zu ermöglichen, genehmigte der Internationale Währungsfonds (IWF) im Juni 2020 eine 18-monatige Bereitschaftskreditvereinbarung für die Ukraine mit einem Volumen von 5 Mrd. USD. Diese Vereinbarung konzentriert sich auf vier Prioritäten: i) Abmilderung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise, unter anderem durch Unterstützung von Haushalten und Unternehmen; ii) weitere Gewährleistung der Unabhängigkeit der Zentralbank und eines flexiblen Wechselkurses; iii) Sicherung der Finanzstabilität bei gleichzeitiger Deckung der Kosten für Bankenabwicklungen; und iv) Fortschritte bei den wichtigsten Maßnahmen in den Bereichen Governance und Korruptionsbekämpfung, um die jüngsten Erfolge zu erhalten und zu vertiefen. Da die Umsetzungsbilanz uneinheitlich ausgefallen ist, wurde die erste Programmüberprüfung, in deren Rahmen auch eine Verlängerung des Programms bis Ende Juni 2022 vereinbart wurde, erst im November 2021 abgeschlossen. Infolgedessen entsprachen die Auszahlungen im Rahmen des laufenden IWF-Programms bislang insgesamt 2,8 Mrd. USD. Bis Ende des zweiten Quartals 2022 ist das Stattfinden zwei weiterer Überprüfungen geplant.

(7)

Angesichts der hohen Risiken im Zusammenhang mit Finanzierungen aus dem Staatshaushalt und vor dem Hintergrund einer langsamen Erholung von der Krise im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie sowie einer raschen Beschleunigung der Inflation beantragte die Ukraine am 16. November 2021 ein neues langfristiges MFA-Programm der Union im Umfang von bis zu 2,5 Mrd. EUR. Mit dieser Notfall-Makrofinanzhilfe wird insbesondere auf den drastischen und unerwarteten Anstieg des Außenfinanzierungsbedarfs der Ukraine reagiert, der durch den faktischen Verlust des Zugangs zu den Finanzmärkten ausgelöst wurde, sowie auf die zugrunde liegenden unmittelbaren Herausforderungen.

(8)

Da sich die ENP auf die Ukraine erstreckt, sollte sie als Land gelten, das für eine Makrofinanzhilfe der Union in Betracht kommt.

(9)

Die Makrofinanzhilfe der Union sollte ein außerordentliches Finanzinstrument in Form einer ungebundenen und nicht zweckgewidmeten Zahlungsbilanzhilfe sein, das zur Deckung des unmittelbaren Außenfinanzierungsbedarfs des Empfängers beitragen und die Umsetzung eines politischen Programms unterstützen soll, welches tiefgreifende unmittelbare Anpassungs- und Strukturreformmaßnahmen zur kurzfristigen Verbesserung der Zahlungsbilanzsituation des Empfängers und zur mittelfristigen Verbesserung der wirtschaftlichen Resilienz umfasst.

(10)

Da durch den Verlust des Marktzugangs und die Kapitalabflüsse eine signifikante Außenfinanzierungslücke in der Zahlungsbilanz der Ukraine entstanden ist, die die vom IWF und anderen multilateralen Einrichtungen zur Verfügung gestellten Mittel übersteigt, ist es unter den derzeitigen außergewöhnlichen Umständen als angemessene kurzfristige Reaktion auf die erheblichen Risiken für das Land zu betrachten, dass die Union der Ukraine die Notfall-Makrofinanzhilfe rasch gewährt. Die Makrofinanzhilfe der Union würde die wirtschaftliche Stabilisierung der Ukraine unterstützen und darauf abzielen, die unmittelbare Resilienz des Landes zu stärken, und, sofern dies derzeit möglich ist, die Strukturreformagenda der Ukraine in Ergänzung der im Rahmen der Finanzierungsvereinbarung des IWF bereitgestellten Mittel fördern.

(11)

Mit der Makrofinanzhilfe der Union sollte die Wiederherstellung einer tragfähigen Außenfinanzierungssituation der Ukraine und somit ihre wirtschaftliche und soziale Entwicklung unterstützt werden.

(12)

Es ist zu erwarten, dass die Makrofinanzhilfe der Union mit der Durchführung von Budgethilfen im Rahmen des mit der Verordnung (EU) 2021/947 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) geschaffenen Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit — Europa in der Welt einhergeht.

(13)

Die Höhe der Makrofinanzhilfe der Union wird auf der Grundlage einer quantitativen Bewertung des verbleibenden Außenfinanzierungsbedarfs der Ukraine festgesetzt, wobei ihre Möglichkeiten, sich mit eigenen Mitteln zu finanzieren, insbesondere die ihr zur Verfügung stehenden Währungsreserven, berücksichtigt werden. Die Makrofinanzhilfe der Union sollte die vom IWF und der Weltbank bereitgestellten Programme und Mittel ergänzen. Bei der Festsetzung der Höhe der Makrofinanzhilfe werden außerdem zu erwartende finanzielle Beiträge multilateraler Geber und die Notwendigkeit einer fairen Lastenteilung zwischen der Union und den anderen Gebern sowie ein bereits bestehender Einsatz anderer Außenfinanzierungsinstrumente der Union in der Ukraine und die Wertschöpfung durch das gesamte Engagement der Union berücksichtigt.

(14)

Die Kommission sollte sicherstellen, dass die Makrofinanzhilfe der Union rechtlich und inhaltlich mit den wichtigsten Grundsätzen, Zielsetzungen und Maßnahmen in den verschiedenen Bereichen der Außenpolitik und mit anderen relevanten Politikbereichen der Union in Einklang steht.

(15)

Die Makrofinanzhilfe der Union sollte die Außenpolitik der Union gegenüber der Ukraine stützen. Die Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst sollten im Verlauf der Makrofinanzhilfeaktion eng zusammenarbeiten, um die Außenpolitik der Union zu koordinieren und um sicherzustellen, dass diese in sich kohärent ist.

(16)

Die Makrofinanzhilfe der Union sollte die Ukraine bei ihrem Eintreten für die Werte, die sie mit der Union teilt, unter anderem Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, verantwortungsvolle Governance, Achtung der Menschenrechte, nachhaltige Entwicklung und Bekämpfung der Armut, sowie bei ihrem Eintreten für die Grundsätze eines offenen, auf Regeln beruhenden und fairen Handels unterstützen.

(17)

Eine Vorbedingung für die Gewährung der Makrofinanzhilfe der Union sollte darin bestehen, dass die Ukraine sich wirksame demokratische Mechanismen — einschließlich eines parlamentarischen Mehrparteiensystems — und das Rechtsstaatsprinzip zu eigen macht und die Achtung der Menschenrechte garantiert. Die spezifischen Ziele der Makrofinanzhilfe der Union sollten zudem die Effizienz, Transparenz und Rechenschaftspflicht der öffentlichen Finanzverwaltungssysteme stärken und die Strukturreformen mit dem Ziel der Unterstützung eines nachhaltigen, breitenwirksamen Wachstums, der Schaffung von angemessenen Arbeitsplätzen und der Haushaltskonsolidierung fördern. Die Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst sollten sowohl die Erfüllung der Vorbedingungen als auch die Erreichung dieser Ziele regelmäßig überprüfen.

(18)

Um einen wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der Union im Zusammenhang mit dieser Makrofinanzhilfe zu gewährleisten, sollte die Ukraine geeignete Maßnahmen treffen, um Betrug, Korruption und andere Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dieser Hilfe zu verhindern bzw. dagegen vorzugehen. Darüber hinaus sollte vorgesehen werden, dass die Kommission Kontrollen und der Rechnungshof Prüfungen durchführen und die Europäische Staatsanwaltschaft ihre Zuständigkeiten ausübt.

(19)

Die Freigabe der Makrofinanzhilfe der Union lässt die Befugnisse des Europäischen Parlaments und des Rates als Haushaltsbehörde unberührt.

(20)

Die Beträge der für die Makrofinanzhilfe der Union benötigten Rückstellungen sollten mit den im mehrjährigen Finanzrahmen vorgesehenen Haushaltsmitteln vereinbar sein.

(21)

Die Makrofinanzhilfe der Union sollte von der Kommission verwaltet werden. Um sicherzustellen, dass das Europäische Parlament und der Rat in der Lage sind, die Durchführung dieses Beschlusses zu verfolgen, sollte die Kommission sie regelmäßig über die Entwicklungen in Bezug auf diese Hilfe informieren und ihnen die einschlägigen Dokumente zur Verfügung stellen.

(22)

Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieses Beschlusses sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) ausgeübt werden.

(23)

Die Makrofinanzhilfe der Union sollte an wirtschaftspolitische Auflagen geknüpft sein, die in einer Grundsatzvereinbarung festzulegen sind. Im Interesse einheitlicher Durchführungsbedingungen und aus Gründen der Effizienz sollte die Kommission die Befugnis erhalten, diese Bedingungen unter Aufsicht des in der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 vorgesehenen Ausschusses aus Vertretern der Mitgliedstaaten mit den ukrainischen Behörden auszuhandeln. Das Beratungsverfahren nach jener Verordnung sollte grundsätzlich in allen Fällen, die in jener Verordnung nicht genannt werden, angewandt werden. Da Hilfen von mehr als 90 Mio. EUR möglicherweise bedeutende Auswirkungen haben, sollte bei Transaktionen oberhalb dieser Grenze das Prüfverfahren gemäß der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 angewandt werden. In Anbetracht des Umfangs der Makrofinanzhilfe der Union für die Ukraine sollte bei der Verabschiedung der Grundsatzvereinbarung und bei jeder Verringerung, Aussetzung oder Einstellung der Hilfe das Prüfverfahren angewandt werden.

(24)

Da das Ziel dieses Beschlusses, nämlich die Bereitstellung von Notfall-Makrofinanzhilfe für die Ukraine zur Unterstützung insbesondere ihrer wirtschaftlichen Resilienz und Stabilität, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr wegen des Umfangs und der Wirkungen der Maßnahme auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht dieser Beschluss nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(25)

Wegen der Dringlichkeit, die sich aus den außergewöhnlichen Umständen infolge der COVID-19-Pandemie und den damit einhergehenden wirtschaftlichen Folgen ergibt, wird es als angemessen angesehen, eine Ausnahme von der Achtwochenfrist nach Artikel 4 des dem EUV, dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft beigefügten Protokolls Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union vorzusehen.

(26)

Damit die in diesem Beschluss vorgesehenen Maßnahmen zügig angewendet werden können, sollte dieser Beschluss aus Gründen der Dringlichkeit am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten —

HABEN FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

(1)   Die Union stellt der Ukraine eine Makrofinanzhilfe (im Folgenden „Makrofinanzhilfe der Union“) in Höhe von höchstens 1,2 Mrd. EUR zur Verfügung, um die Ukraine bei der wirtschaftlichen Stabilisierung des Landes und einem weitreichenden Reformprogramm zu unterstützen. Der volle Betrag der Makrofinanzhilfe der Union wird der Ukraine in Form von Darlehen gewährt. Die Freigabe der Makrofinanzhilfe der Union erfolgt vorbehaltlich der Billigung des Haushaltsplans der Union für das betreffende Jahr durch das Europäische Parlament und den Rat. Mit der Finanzhilfe wird ein Beitrag zur Deckung des im IWF-Programm festgestellten Zahlungsbilanzbedarfs der Ukraine geleistet.

(2)   Um die Makrofinanzhilfe der Union zu finanzieren, wird die Kommission ermächtigt, im Namen der Union die erforderlichen Mittel auf den Kapitalmärkten oder bei Finanzinstituten aufzunehmen und als Darlehen an die Ukraine weiterzuverleihen. Die Laufzeit der Darlehen beträgt im Durchschnitt höchstens 15 Jahre.

(3)   Die Freigabe der Makrofinanzhilfe der Union erfolgt durch die Kommission im Einklang mit den zwischen dem IWF und der Ukraine getroffenen Übereinkünften und Absprachen und den wichtigsten Grundsätzen und Zielen der Wirtschaftsreformen, die in dem im Rahmen der ENP vereinbarten Assoziierungsabkommen, einschließlich der vertieften und umfassenden Freihandelszone, festgelegt sind.

Die Kommission unterrichtet das Europäische Parlament und den Rat regelmäßig über Entwicklungen bezüglich der Makrofinanzhilfe der Union, einschließlich über deren Auszahlung, und stellt diesen Organen die einschlägigen Dokumente rechtzeitig zur Verfügung.

(4)   Die Makrofinanzhilfe der Union wird für die Dauer von 12 Monaten ab dem ersten Tag nach Inkrafttreten der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Grundsatzvereinbarung bereitgestellt.

(5)   Sollte der Finanzierungsbedarf der Ukraine im Zeitraum der Auszahlung der Makrofinanzhilfe der Union gegenüber den ursprünglichen Prognosen erheblich sinken, wird die Kommission die Hilfe nach dem in Artikel 7 Absatz 2 genannten Prüfverfahren kürzen oder ihre Auszahlung aussetzen oder einstellen.

Artikel 2

(1)   Eine Vorbedingung für die Gewährung der Makrofinanzhilfe der Union besteht darin, dass die Ukraine sich wirksame demokratische Mechanismen — einschließlich eines parlamentarischen Mehrparteiensystems — und das Rechtsstaatsprinzip zu eigen macht und die Achtung der Menschenrechte garantiert.

(2)   Die Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst überprüfen die Erfüllung der Vorbedingung gemäß Absatz 1 während der gesamten Laufzeit der Makrofinanzhilfe der Union.

(3)   Die Absätze 1 und 2 dieses Artikels werden gemäß dem Beschluss 2010/427/EU des Rates (6) angewandt.

Artikel 3

(1)   Die Kommission vereinbart gemäß dem in Artikel 7 Absatz 2 genannten Prüfverfahren mit den ukrainischen Behörden klar definierte, auf Strukturreformen und solide öffentliche Finanzen abstellende wirtschaftspolitische und finanzielle Auflagen, an die die Makrofinanzhilfe der Union geknüpft wird. Diese wirtschaftspolitischen und finanziellen Auflagen sind in einer Grundsatzvereinbarung festzulegen, welche auch einen Zeitrahmen für die Erfüllung dieser Auflagen enthält. Die in der Grundsatzvereinbarung festgelegten wirtschaftspolitischen und finanziellen Auflagen entsprechen den in Artikel 1 Absatz 3 genannten Vereinbarungen und Absprachen, einschließlich der von der Ukraine mit Unterstützung des IWF durchgeführten makroökonomischen Anpassungs- und Strukturreformprogrammen.

(2)   Mit den Auflagen nach Absatz 1 wird insbesondere bezweckt, die Effizienz, Transparenz und Rechenschaftspflicht der öffentlichen Finanzverwaltungssysteme in der Ukraine, auch im Hinblick auf die Verwendung der Makrofinanzhilfe der Union, zu stärken. Bei der Gestaltung der politischen Maßnahmen werden auch die Fortschritte bei der gegenseitigen Marktöffnung, der Entwicklung eines regelbasierten und fairen Handels sowie sonstigen außenpolitischen Prioritäten der Union angemessen berücksichtigt. Die Kommission überprüft regelmäßig die Fortschritte bei der Verwirklichung dieser Ziele.

(3)   Die finanziellen Bedingungen der Makrofinanzhilfe der Union werden in einer zwischen der Kommission und der Ukraine zu schließenden Darlehensvereinbarung im Einzelnen festgelegt.

(4)   Die Kommission überprüft in regelmäßigen Abständen, ob die in Artikel 4 Absatz 3 genannten Auflagen weiter erfüllt sind, darunter auch, ob die Wirtschaftspolitik der Ukraine mit den Zielen der Makrofinanzhilfe der Union übereinstimmt. Für die Zwecke der Überprüfung stimmt sich die Kommission eng mit dem IWF und der Weltbank und, soweit erforderlich, mit dem Europäischen Parlament und dem Rat ab.

Artikel 4

(1)   Vorbehaltlich der in Absatz 3 festgelegten Auflagen wird die Makrofinanzhilfe der Union von der Kommission in zwei gleichen Tranchen zur Verfügung gestellt, die jeweils aus einem Darlehen bestehen. Der Zeitplan für die Auszahlung jeder Tranche wird in der Grundsatzvereinbarung festgelegt.

(2)   Für die im Rahmen der Makrofinanzhilfe der Union gewährten Beiträge in Form von Darlehen werden erforderlichenfalls gemäß der Verordnung (EU) 2021/947 Rücklagen gebildet.

(3)   Die Kommission beschließt die Freigabe der Tranchen unter dem Vorbehalt, dass die nachstehenden Auflagen erfüllt sind:

a)

die in Artikel 2 Absatz 1 genannte Vorbedingung;

b)

eine kontinuierliche zufriedenstellende Erfolgsbilanz bei der Umsetzung einer nicht der Vorsorge dienenden IWF-Kreditvereinbarung;

c)

eine zufriedenstellende Erfüllung der in der Grundsatzvereinbarung festgelegten wirtschaftspolitischen und finanziellen Auflagen.

Die Freigabe der zweiten Tranche erfolgt grundsätzlich frühestens drei Monate nach Freigabe der ersten Tranche.

(4)   Werden die in Absatz 3 Unterabsatz 1 genannten Auflagen nicht erfüllt, so setzt die Kommission die Auszahlung der Makrofinanzhilfe der Union zeitweise aus oder stellt sie ein. In solchen Fällen teilt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat die Gründe für die Aussetzung oder Einstellung mit.

(5)   Die Makrofinanzhilfe der Union wird an die Nationalbank der Ukraine ausgezahlt. Vorbehaltlich der in der Grundsatzvereinbarung festzulegenden Bedingungen, einschließlich einer Bestätigung des verbleibenden Haushaltsbedarfs, können die Gelder der Union an das ukrainische Finanzministerium als Endbegünstigten überwiesen werden.

Artikel 5

(1)   Die Anleihe- und Darlehenstransaktionen im Zusammenhang mit der Makrofinanzhilfe der Union werden in Euro mit gleichem Wertstellungsdatum abgewickelt und dürfen für die Union keine Laufzeitänderungen mit sich bringen und die Union auch nicht einem Wechselkurs- oder Zinsrisiko oder sonstigen kommerziellen Risiken aussetzen.

(2)   Wenn die Umstände es gestatten und die Ukraine darum ersucht, kann die Kommission die notwendigen Schritte unternehmen, um sicherzustellen, dass eine Klausel über vorzeitige Rückzahlung in die allgemeinen Darlehensbedingungen und eine entsprechende Klausel in die Bedingungen der Anleihetransaktionen aufgenommen wird.

(3)   Wenn die Umstände eine Verbesserung des Darlehenszinssatzes gestatten und die Ukraine darum ersucht, kann die Kommission beschließen, ihr ursprüngliches Darlehen ganz oder teilweise zu refinanzieren, oder die entsprechenden finanziellen Bedingungen neu festsetzen. Refinanzierungen und Neufestsetzungen erfolgen nach Maßgabe der Absätze 1 und 4 und dürfen weder zur Verlängerung der Laufzeit der betreffenden Anleihen noch zur Erhöhung des zum Zeitpunkt der Refinanzierung bzw. Neufestsetzung ausstehenden Kapitalbetrags führen.

(4)   Alle Kosten, die der Union durch die in diesem Beschluss vorgesehenen Anleihe- und Darlehenstransaktionen entstehen, werden von der Ukraine getragen.

(5)   Die Kommission unterrichtet das Europäische Parlament und den Rat über die Entwicklungen in Bezug auf die in den Absätzen 2 und 3 genannten Transaktionen.

Artikel 6

(1)   Die Makrofinanzhilfe der Union wird im Einklang mit der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates (7) durchgeführt.

(2)   Die Makrofinanzhilfe der Union wird im Wege der direkten Mittelverwaltung durchgeführt.

(3)   Die in Artikel 3 Absatz 3 genannte Darlehensvereinbarung enthält Bestimmungen,

a)

die sicherstellen, dass die Ukraine die ordnungsgemäße Verwendung der aus dem Gesamthaushalt der Union bereitgestellten Mittel regelmäßig überprüft, geeignete Maßnahmen ergreift, um Unregelmäßigkeiten und Betrug zu verhindern und bei Bedarf rechtliche Schritte einleitet, um im Rahmen dieses Beschlusses bereitgestellten Mittel, die zweckentfremdet wurden, wieder einzuziehen;

b)

die im Einklang mit den Verordnungen (EG, Euratom) Nr. 2988/95 (8) und (Euratom, EG) Nr. 2185/96 des Rates (9), der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (10) und im Falle der an der Verstärkten Zusammenarbeit mit der Europäischen Staatsanwaltschaft teilnehmenden Mitgliedstaaten im Einklang mit der Verordnung (EU) 2017/1939 (11) den Schutz der finanziellen Interessen der Union sicherstellen, wobei insbesondere geeignete Maßnahmen vorzusehen sind, um Betrug, Korruption und andere Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu bekämpfen, die sich auf die Makrofinanzhilfe der Union auswirken;

c)

die das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) ausdrücklich ermächtigen, Untersuchungen durchzuführen, einschließlich Kontrollen vor Ort und Inspektionen einschließlich digitaler forensischer Maßnahmen und Befragungen;

d)

mit denen die Kommission und ihre Vertreter ausdrücklich ermächtigen werden, Kontrollen — einschließlich Kontrollen und Überprüfungen vor Ort — durchzuführen;

e)

mit denen die Kommission und der Rechnungshof ausdrücklich ermächtigt werden, während und nach dem Zeitraum, in dem die Makrofinanzhilfe der Union bereitgestellt wird, Rechnungsprüfungen durchzuführen, darunter Dokumentenprüfungen und Rechnungsprüfungen vor Ort, wie etwa operative Bewertungen;

f)

die sicherstellen, dass die Union Anspruch auf vorzeitige Rückzahlung des Darlehens hat, wenn die Ukraine im Zusammenhang mit der Verwaltung der Makrofinanzhilfe der Union nachweislich Betrugs-, Korruptions- oder sonstige rechtswidrige Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union vorgenommen hat;

g)

die garantieren, dass alle Kosten, die der Union durch die im vorliegenden Beschluss vorgesehenen Anleihe- und Darlehenstransaktionen entstehen, von der Ukraine getragen werden.

(4)   Vor der Durchführung der Makrofinanzhilfe der Union prüft die Kommission mittels einer operativen Bewertung, wie solide die für die Finanzhilfe relevanten Finanzregelungen, Verwaltungsverfahren sowie Mechanismen der internen und externen Kontrolle der Ukraine sind.

Artikel 7

(1)   Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

(2)   Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

Artikel 8

(1)   Die Kommission unterbreitet dem Europäischen Parlament und dem Rat alljährlich bis 30. Juni einen Bericht über die Durchführung dieses Beschlusses im Vorjahr mit einer Bewertung der Durchführung. Darin

a)

prüft sie den bei der Durchführung der Makrofinanzhilfe der Union erzielten Fortschritt;

b)

bewertet sie die wirtschaftliche Lage und die wirtschaftlichen Aussichten der Ukraine sowie die bei der Durchführung der in Artikel 3 Absatz 1 genannten politischen Maßnahmen erzielten Fortschritte;

c)

erläutert sie den Zusammenhang zwischen den in der Grundsatzvereinbarung festgelegten wirtschaftspolitischen Auflagen, der aktuellen Wirtschafts- und Finanzlage der Ukraine und den Beschlüssen der Kommission über die Auszahlung der einzelnen Tranchen der Makrofinanzhilfe der Union.

(2)   Spätestens zwei Jahre nach Ablauf des in Artikel 1 Absatz 4 genannten Bereitstellungszeitraums legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Ex-post-Bewertungsbericht vor, in dem sie die Ergebnisse und die Effizienz der abgeschlossenen Makrofinanzhilfe der Union bewertet und beurteilt, inwieweit diese zur Verwirklichung der angestrebten Ziele beigetragen hat.

Artikel 9

Dieser Beschluss tritt am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Geschehen zu Brüssel am 24. Februar 2022

Im Namen des Europäischen Parlaments

Die Präsidentin

R. METSOLA

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

A. PANNIER-RUNACHER


(1)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2022 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 21. Februar 2022.

(2)  Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits (ABL. L 161 vom 29.5.2014, S. 3).

(3)  Beschluss (EU) 2020/701 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 2020 über die Bereitstellung einer Makrofinanzhilfe für Erweiterungs- und Nachbarschaftspartner vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie (ABl. L 165 vom 27.5.2020, S. 31).

(4)  Verordnung (EU) 2021/947 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juni 2021 zur Schaffung des Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit — Europa in der Welt, zur Änderung und Aufhebung des Beschlusses Nr. 466/2014/EU des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EU) 2017/1601 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 480/2009 des Rates (ABl. L 209 vom 14.6.2021, S. 1).

(5)  Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).

(6)  Beschluss 2010/427/EU des Rates vom 26. Juli 2010 über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (ABl. L 201 vom 3.8.2010, S. 30).

(7)  Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 (ABl. L 193 vom 30.7.2018, S. 1).

(8)  Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 312 vom 23.12.1995, S. 1).

(9)  Verordnung (Euratom, EG) Nr. 2185/96 des Rates vom 11. November 1996 betreffend die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durch die Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vor Betrug und anderen Unregelmäßigkeiten (ABl. L 292 vom 15.11.1996, S. 2).

(10)  Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. September 2013 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (Euratom) Nr. 1074/1999 des Rates (ABl. L 248 vom 18.9.2013, S. 1).

(11)  Verordnung (EU) 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) (ABl. L 283 vom 31.10.2017, S. 1).