Parlamentskorrespondenz Nr. 330 vom 22.05.1997

BUCH ÜBER SÜDTIROL IM HOHEN HAUS PRÄSENTIERT

Altlandeshauptmann Magnago: Lücke wurde geschlossen

Wien (PK) - Zahlreiche National- und Bundesräte, Journalisten, Historiker und Juristen wohnten heute mittags der Präsentation des jüngsten Werkes von Dr. Oskar PETERLINI, "Autonomie und Minderheitenschutz in Trentino-Südtirol", im Parlament bei. Neben dem Autor, der auch Präsident des Regionalrates der Autonomen Region Trentino-Südtirol ist, sprachen VP-Klubobmann Dr. Andreas KHOL sowie der Südtiroler Altlandeshauptmann Dr. Silvius MAGNAGO.

Khol begrüsste zunächst die Anwesenden, darunter die Witwe des ehemaligen Aussenministers Gruber sowie den Altlandeshauptmann Magnago, von dem er meinte, "er ist die Autonomie". Alle Tiroler seien ihm ob seines Wirkens zu Dank verpflichtet. Nach den Kämpfen um die Südtiroler Autonomie, also nach den "Mühen des Berges", sei man jetzt angesichts einer relativ gesicherten Autonomie mit der konkreten Ausgestaltung dieser Regelung, also mit den "Mühen der Ebene", konfrontiert. Viele Rechtsvorschriften seien für den Laien nicht leicht zu interpretieren, weshalb Peterlinis Buch einen wertvollen und wichtigen Beitrag zur Klärung komplexer Materien liefere. Es sei dem Autor zu danken, dass er in der Tradition Felix Ermacoras ein wichtiges Handbuch verfasst habe, von dem zu hoffen stehe, es werde bald als Standardwerk gelten.

Peterlini führte in seinem Beitrag aus, er habe drei konkrete Zwecke mit dieser Veröffentlichung verfolgt. Erstens wollte er eine Gesamtschau über Geschichte, Recht und Politik bieten, da selbst den Bewohnern der Region diese Dinge mitunter nicht vollständig vertraut sind. Diese Darstellung sollte zweitens alle ehemaligen Tiroler Landesteile umfassen und drittens im In- und im Ausland um Verständnis für die Probleme Trients und Südtirols werben. Anlass zu dieser Schrift habe ihm der Umstand geboten, dass nach dem Fall der Berliner Mauer zahlreiche Minderheitenvertreter, aber auch Politiker und Politologen aus Osteuropa in die Region gekommen seien, um an den Erfahrungen der Südtiroler zu partizipieren. Doch auch im eigenen Lande solle das Interesse für die Autonomie und für deren geschichtliche Grundlage verstärkt werden. Vor allem für die Jugend sei es wichtig, die Errungenschaften in der Selbstverwaltung und Selbstgesetzgebung kennenzulernen, um damit aktiver und bewusster am demokratischen Leben teilzunehmen und mitzuwirken, so Peterlini.

Sein Ziel sei es weiter gewesen, möglichst viele Standpunkte einfliessen zu lassen, weshalb er verschiedenste Lektoren, vom ehemaligen Südtiroler Landeshauptmannstellvertreter Alfons Benedikter bis zu den Trentiner Politikern Carlo Alessandrini und Vincenzo Passerini, Historiker wie Gianni Faustini oder Martha Stocker bis hin zu Vertretern der ladinischen Volksgruppe, so Carlo Willeit, um eine kritische Durchsicht seines Manuskripts ersucht habe.

Das Buch, das vorerst in einer Auflage von 6.300 Stück in einer deutschen, einer italienischen, einer ladinischen und einer englischen Ausgabe - weitere vier Editionen in osteuropäischen Sprachen seien in Vorbereitung - erscheint, solle einem zweifachen Anspruch genügen. Es soll einerseits wissenschaftlich exakt und objektiv, andererseits aber auch anschaulich und lebendig sein, weshalb auch zahlreiche Abbildungen den Text illustrieren. Peterlinis Absichten gehen noch einen Schritt weiter: "Wenn unsere Autonomie einen Anstoss - und mehr kann es nicht sein - zur Lösung der vielfältigen Volksgruppenprobleme in Europa und anderswo auf der Welt und einen Beitrag zum Frieden, auch im eigenen Land, bieten kann, so sind wir dafür dankbar."

Magnago ging vor allem auf das Pariser Abkommen ein und meinte, Peterlini habe die Frage der Klagbarkeit dieses Vertrages durchleuchtet und die verschiedenen Standpunkte zu den Fragen, die Südtirol bewegen, objektiv gesammelt und eingebracht. Da die österreichische Sicht ebenso dargestellt sei wie die italienische, da UNO-Resolutionen und Vertragstexte abgedruckt seien, sich auch Auszüge aus den Verhandlungen im Buch finden, könne sich der Leser ein genaues Bild der Problematik machen und sich so seine eigene Meinung bilden. Magnago: "Ein solches Buch hat bis jetzt gefehlt, eine Lücke schliesst sich." Es sei Zeit gewesen, so der Altlandeshauptmann, eine derartig profunde Darstellung vorzulegen, wofür Peterlini gedankt werden müsse.

Magnago berichtete in der Folge über die historische Genese des Südtirol-Pakets und sagte, im nachhinein habe es sich, wiewohl er anfänglich nicht wirklich glücklich über den Vertragstext gewesen sei, als Glück für Südtirol erwiesen, dass der Pariser Vertrag so allgemein geblieben ist, denn je unpräziser dieser war, desto mehr konnte man aus ihm herauslesen, was sich auch für die Autonomie positiv auswirkte. So wichtig es war, für das Paket eine Mehrheit zu bekommen, so war auch die hohe Anzahl an Nein-Stimmen von Bedeutung, die Rom signalisierten, "mehr war uns nicht zumutbar", erinnerte sich der ehemalige Südtiroler "Landesvater".

Peterlinis Buch gliedert sich in mehrere Abschnitte, die den Überkapiteln "Geschichte", "Recht" und "Politik" folgen. Den ersten Teil bildet eine umfangreiche Darstellung der historischen Entwicklung der Region von der Antike bis herauf in unsere Tage, wobei sich ein gesondertes Kapitel mit dem Ringen um eine Südtirol-Lösung nach 1945 befasst. Das Südtirol-Paket und die daraus resultierende Streitbeilegungserklärung stellen einen eigenen Punkt dar. Schliesslich geht Peterlini auf die Fragen des Minderheitenschutzes unter besonderer Berücksichtigung der Sprachenregelung und des Proporzes ein. Ein umfangreicher Anhang, in dem, zum Teil erstmalig im vollen Wortlaut, die einzelnen Schlüsseldokumente abgedruckt sind, runden den informativen und detailreichen Band ab. Oskar Peterlinis "Autonomie und Minderheitenschutz in Trentino-Südtirol" ist im Verlag Braumüller erschienen, umfasst 298 Seiten und ist um 380 Schilling über den Buchhandel beziehbar. (Schluss)