Parlamentskorrespondenz Nr. 37 vom 22.01.1998

DIE WAHL FÄLLT AUF RUDOLF MÜLLER ALS NEUES VfGH-MITGLIED

Der Nationalrat hat seine Entscheidung getroffen

Wien (PK) - Abschliessend kommt der Nationalrat zur

ERSTATTUNG EINES VORSCHLAGES FÜR DIE ERNENNUNG EINES VERFASSUNGSRICHTERS

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Abgeordneter Dr. KOSTELKA (SP) betont, der Nationalrat habe sich bei der ihm zukommenden Bestellung eines neuen VfGH-Mitgliedes "sehr viel Mühe gegeben" und in einem Hearing mit allen Bewerbern diskutiert. Er bedauert, dass sich nur zwei Frauen für die vakante Stelle gemeldet haben, von denen keine als Freiberuflerin oder Rechtsanwältin tätig sei. Eine Rechtsanwältin bzw. einen Rechtsanwalt habe man aber als Nachfolger des ausgeschiedenen VfGH-Mitglieds Rudolf Machacek gesucht. Der von SPÖ und ÖVP gemeinsam vorgeschlagene Rechtsanwalt Rudolf Müller hat Kostelka zufolge vielfältige berufliche Erfahrungen und stellt in seiner Person auch einen Konnex zwischen VwGH und VfGH dar.

Abgeordneter Dr. KHOL (VP) unterstreicht, dass von den 24 KandidatInnen ein ganz überwiegender Teil "hervorragend ausgebildet und bestens geeignet" sei. Er gebe Abgeordneter Stoisits recht, die im Vorfeld von der "Qual der Wahl" gesprochen habe. Die letztliche Entscheidung für Rudolf Müller ist laut Khol deshalb getroffen worden, weil dieser Rechtsanwalt ist und es ihm ein Anliegen sei, dass freie Berufe im VfGH in einem gewissen Ausmass vertreten sind.

Abgeordneter Mag. STADLER (F) bezweifelt, dass die vakante Stelle beim VfGH objektiv besetzt wird, und spricht von einem "ganz üblen Postenschacher". Er behauptet, die SPÖ habe der ÖVP zugesichert, den Verfassungsrichter Dr. Korinek zum Vizepräsidenten und in fünf Jahren zum Präsidenten des VfGH zu machen, dafür dürfe sie den jetzt vakanten Posten besetzen. Stadler gibt bekannt, dass seine Fraktion Bernhard Raschauer für die offene Stelle vorschlage.

Abgeordneter Dr. KIER (L) bezeichnet es als Desavouierung der Kandidaten, dass Journalisten schon Stunden vor der geheimen Abstimmung informiert worden seien, wie diese ausgehen wird. Damit tue man weder dem VfGH noch dem Nationalrat etwas Gutes, bekräftigt er, dies hätte sich auch der "sehr, sehr gut qualifizierte Kandidat" der Koalitionsparteien nicht verdient. Kier appelliert an alle Abgeordneten, bei der Wahl höchstpersönlich zu entscheiden und sich nicht dem Klubzwang zu unterwerfen. Die Entscheidung der Liberalen für Gabriele Kucsko-Stadlmayer begründet Kier damit, dass bei gleichen Qualifikationen eine Frau vorgezogen werden sollte.

Abgeordneter WABL (G) regt zur Klärung des Verdachts, im Umfeld dieser Abstimmung seien Absprachen getroffen worden, an, eine Sitzungsunterbrechung vorzunehmen. Präsident Dr. NEISSER vermag sich diesem Begehren nicht anzuschliessen. Die Sitzung wird fortgesetzt.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) erinnert an den einstimmig beschlossenen Antrag, bei den nächsten Ernennungen zur Hebung des Frauenanteils im Verfassungsgerichtshof Frauen vorzuschlagen, dies auch, um in dieses Gremium, wie es im Beschluss heisst, "weibliche Sozialisationserfahrung" einzubringen. Sie zweifle zwar nicht im geringsten an den Fähigkeiten von Hofrat Müller, doch dürfe nicht übersehen werden, dass sich im Verfassungsgerichtshof nach wie vor nur zwei Frauen unter den 14 Mitgliedern befinden. Die bereits erworbene Erfahrung als Ersatzmitglied gelte im übrigen auch für die beiden Bewerberinnen. Es sei Zeit für Frauen im Verfassungsgericht, bekräftigt Stoisits. Diese Gelegenheit dürfe nicht ungenützt verstreichen.

Abgeordneter Dr. KRÜGER (F) meint, das Vertrauen in die Rechtspflege sei ein wichtiges Fundament der Rechtssprechung. Dies könne nur vorhanden sein, wenn auch das Vertrauen in die Bestellung der Richter gegeben sei. Hier sei insofern Systemkritik angebracht, als man sich fragen müsse, ob die Art der Bestellung für das Verfassungsgericht dem Pluralismus dienlich sei. Entweder greife man, wie auch sonst üblich, auf das Prinzip der Selbstergänzung zurück oder man sichere eine pluralistische Bestellungsweise. Die ÖVP solle sich von ihrem Klubobmann nicht "am Nasenring" hier zur Abstimmung führen lassen, sagt der Redner und ruft die VP-Fraktion dazu auf, ihr Stimmverhalten noch einmal zu überdenken.

Abgeordnete Mag. KAMMERLANDER (G) sagt, es sei überraschend, dass immer, wenn von der gleichen Qualifikation die Rede ist, plötzlich noch eine Zusatzqualifikation, in diesem Fall der "Berufsmix", eingezogen werde. Es sei keine Voraussetzung gewesen, den Beruf des Rechtsanwaltes ausüben zu müssen. Dieses Argument sei also nicht stimmig. Übrig bleibe der "schale Geschmack, dass es hier um etwas anderes gegangen ist". Es stimme bedenklich, dass ein Hearing und eine geheime Abstimmung, ein parlamentarischer Prozess, zur "Farce" würden, wenn bereits vor der Abstimmung Journalisten der Ausgang dieses Wahlvorgangs mitgeteilt werde.

Abgeordneter Mag. BARMÜLLER (L) vertritt die Auffassung, dass auch im Hinblick auf eine allfällige Einführung der "dissenting opinion" der Anteil der Frauen im Verfassungsgericht anzuheben sei, damit diese ihre Meinung nicht alleine vertreten müssen. In diesem Fall, kritisiert Barmüller, sei die geheime Wahl nicht mehr gegeben, weil augenscheinlich das Ergebnis bereits vorher feststehe.

In geheimer Wahl wird Prof. Dr. Rudolf Müller - bei 166 abgegebenen Stimmen, davon 161 gültig - mit 87 Stimmen für die Ernennung eines Mitgliedes des Verfassungsgerichtshofes vom Nationalrat vorgeschlagen.

Auf Prof. Dr. Bernhard Raschauer entfallen 45, auf Prof. Dr. Gabriele Kucsko-Stadlmayer 23 Stimmen. Für Prof. Dr. Johannes Hengstschläger wurden fünf Stimmen abgegeben, Dr. Manfred Matzka erhielt eine Stimme. (Schluss)


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