Parlamentskorrespondenz Nr. 140 vom 21.03.2000

BUDGET 2000, AKTUELLE STUNDE ÜBER FRAUENPOLITIK

Erstes Budget der VP-FP-Koalition

Wien (PK) - Finanzminister Mag. Karl-Heinz Grasser legte heute dem Nationalrat sein erstes Budget vor. Der Entwurf für den Bundesvoranschlag 2000 sieht Einnahmen in der Höhe von 726,7 Mrd. S und Ausgaben in der Höhe von 781,3 Mrd. S vor. Das ergibt ein administratives Nettodefizit in Höhe von 54,6 Mrd. S, das entspricht 2 % des Brutto-Inlandsprodukts.

Vor der Budgetrede stand die Frauenpolitik der Bundesregierung im Mittelpunkt: Die oppositionellen Sozialdemokraten hatten das Thema gewählt "Benachteiligungen der Frauen durch die neue Bundesregierung". Zu Beginn der Sitzung nahm Präsident Dr. FISCHER die Angelobung von Dr. Michael KRÜGER vor; Dr. Krüger war nach seiner Ernennung zum Justizminister aus dem Nationalrat ausgeschieden, nach seinem Rücktritt als Minister kehrte er jetzt in den Nationalrat zurück.

Auf der Tagesordnung der 16. Sitzung des Nationalrats nach der Budgetrede: der Rechnungshofbericht über das Verwaltungsjahr 1998, der Hochschulbericht 1999, der Bericht des Universitätenkuratoriums 1998 und ein Auslieferungsbegehren betreffend den VP-Abgeordneten HORNEK. Letzter Punkt der Tagesordnung ist die Wahl von Mitgliedern in die Parlamentarische Versammlung des Europarats. Diese Wahl ist durch das Ausscheiden von Dr. RIESS-PASSER und Abg. SCHEIBNER aus dem Nationalrat notwendig geworden. Seitens der F-Fraktion wurden die Abgeordneten Mag. SCHWEITZER und WESTENTHALER vorgeschlagen. Nach dem Verzicht von Dr. MERTEL (SP) auf ihre Ersatzmitgliedschaft hat die SP-Fraktion Mag. WURM (SP) als neues Ersatzmitglied vorgeschlagen.

AKTUELLE STUNDE: BENACHTEILIGUNGEN DER FRAUEN DURCH DIE NEUE BUNDESREGIERUNG

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"Frauenrechte sind Menschenrechte", sagte Abgeordnete Mag. PRAMMER (SP) in ihrer einleitenden Stellungnahme zur Frauenpolitik der neuen Bundesregierung und forderte den Bundeskanzler auf, die Präambel des Regierungsübereinkommens mit ihren Bekenntnissen zu den Menschenrechten ernsthaft umzusetzen und Superintendentin Knoll jenen Schutz zu geben, den jeder Mensch in diesem Lande braucht.

Das Regierungsübereinkommen und auch das seit heute vorliegende Budget sprechen laut Prammer eine eindeutige Sprache zu Lasten der Einkommensschwachen. Überdies habe die Erhöhung der Preise für Autobahnvignetten und die Steigerung der Stromkosten sehr viel mit Frauenrechten zu tun. Die Linie der neuen Bundesregierung in der Frauenpolitik bedeute, die Frauen zurück in die Kinderzimmer zu schicken, für sie sei Frauenpolitik nur noch eine Fußnote in einer konservativen Familienpolitik. Im einzelnen kritisierte die Abgeordnete die beabsichtigte Urlaubsaliquotierung, die Frauen besonders hart treffen werde, da sie oft auf Urlaubstage zurückgreifen müssen, wenn der Pflegeurlaub aufgebraucht ist. Dann wandte sie sich gegen die Kürzung von AMS-Mitteln für Qualifizierungsmaßnahmen, die für den Wiedereinstieg von Frauen in das Berufsleben wichtig sind. Von den geplanten Maßnahmen zur Stärkung des "Unternehmens Haushalt", also der Absetzbarkeit der Ausgaben für Haushaltshilfen, werde die Supermartkassierin wenig haben, klagte Prammer. - "Einkommen ist für Frauen der Schlüssel zur Unabhängigkeit, Macht ist ihr Schlüssel zur Gerechtigkeit" lautet das Credo der ehemaligen Frauenministerin.

Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL, der bis zum Inkrafttreten der neuen Kompetenzverteilung am 1. April als "Frauenminister" fungiert, zeigte sich zunächst erfreut darüber, dass die SPÖ nicht mehr über die Abschaffung des Frauenministeriums klage, das bisher ein eigenartiges Konglomerat von Frauenangelegenheiten, veterinärmedizinischen Kompetenzen und Giftwesen gebildet habe. Das neue Ministerium für Generationenfragen werde unter der Obhut von Frau Ministerin Sickl erstklassige Arbeit für Frauen, Familien und in der Sozialpolitik leisten, zeigte sich der Bundeskanzler überzeugt. Schüssel wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die neue Bundesregierung erstmals eine Vizekanzlerin aufweise und ein Drittel der Ministerpositionen von Frauen besetzt sind. "Starke, erstklassige Frauen stehen an der Spitze von Ressorts mit Kompetenzen. Das ist gelebte Frauenpolitik, wie wir sie verstehen."

Diese Bundesregierung plane keinen Rückschritt in der Frauenpolitik, widersprach der Bundeskanzler der ehemaligen Frauenministerin. Die Steuerreform, ein guter und wichtiger Impuls zur Stärkung der kleinen Einkommen und der Familien, bleibe aufrecht. Dazu komme ein Paket zur Senkung der Mieten und der Wohnungskosten und schon in den nächsten Wochen werde die neue Bundesregierung ein Programm zur Reduzierung der Strom- und Gaskosten ausarbeiten.

Die aktuelle Konjunkturprognose zeige, dass die Beschäftigung weiter wächst, wovon gerade auch Frauen profitieren. Die weibliche Arbeitslosigkeit sei zuletzt um 14 % zurückgegangen, berichtete der Bundeskanzler. Die Behauptung, familienpolitische Zielsetzungen würden einen Rückschritt in der Frauenpolitik bedeuten, hielt Bundeskanzler Schüssel für unverständlich. Er bekannte sich zur Erhöhung der Karenzzeit für Frauen oder Männer. Es gelte, die "Unterväterung" der Gesellschaft zu überwinden, darin liegt für den Bundeskanzler der Schlüssel für ein höheres Mass an Partnerschaft in der Kindererziehung.

Bundeskanzler Schüssel kündigte die pensionsbegründende Anrechnung von Kindererziehungszeiten an und widersprach dem Vorwurf heftig, die neue Bundesregierung wolle die Frauen zurück an den Herd drängen. Es gehe ihr im Gegenteil darum, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Dem diene das Karenzgeld für alle - das sei keine Maßnahme gegen Frauen, sondern ein Fortschritt im Interesse der österreichischen Frauen.

Abgeordneter Dr. EINEM (SP) hielt es für unverzeihlich, dass der Bundeskanzler kein Wort zu den Angriffen gefunden habe, denen Superintendentin Knoll ausgesetzt sei. Den Regierungsparteien warf Einem vor, sie würden in ihren Aussagen zur Frauen- und Familienpolitik weder an eigenständige Frauen noch an die Männer denken und völlig übersehen, dass Elternschaft keine Besonderheit der Frauen sei. ÖVP und FPÖ hätten eine klare Rollenverteilung zugunsten des Mannes im Auge. "Sie setzen voraus, dass der Mann seinen Interessen nachgeht, während die Frau Haus und Kinder hütet." Die Freiheitlichen klagten über emotionelle Schäden, die Kinder erleiden, die von Fremden erzogen werden - sie stellen sich aber nie die Frage, ob Kindern nicht auch der Mangel an väterlicher Zuwendung schaden könnte, fragte Dr. Einem zurück.

Abgeordnete Dr. FEKTER (VP) konterte der Behauptung Einems, ÖVP und FPÖ seien nicht an eigenständigen Frauen interessiert, indem sie auf die vielen Frauen hinwies, die in diesen beiden Parteien Spitzenpositionen einnehmen. Der häufig erhobenen Kritik an der Abschaffung des Frauenministeriums hielt die Rednerin entgegen, dass die Frauenagenden, die bis dato ein Anhängsel des Konsumentenschutzes dargestellt haben, nunmehr gemeinsam mit dem Sozial- und Familienministerium ein Ressort mit Kompetenz und wesentlich mehr Budget bilden. Das sei ein grosser Vorteil für die Frauen. Das neue Kinderbetreuungsgeld werde vielen Frauen die Wahl erleichtern, bei ihren Kindern zu Hause zu bleiben oder berufstätig sein zu wollen, sagte Fekter und bezeichnete die Anerkennung der Kindererziehungszeiten bei der Pensionsbegründung als einen Quantensprung in der Frauenpolitik.

Frauenpolitik sei nicht gleich Familienpolitik, es gehe der ÖVP aber auch nicht um eine strenge Trennung zwischen beiden. Familienpolitik war immer schon ein Stück Frauenpolitik, sagte Fekter. "Wir lassen nicht zu, dass Sie Frauen, die sich zu Hause der Kindererziehung widmen, herablassend als Nur-Hausfrauen abqualifizieren", sagte Fekter in Richtung SPÖ.

Abgeordnete ZIERLER (FP) meinte, es wäre wichtiger, Frauen an allen politischen Entscheidungen teilnehmen zu lassen, als ein Frauenministerium ohne eigenes Budget aufrechtzuerhalten. Sie wies in diesem Zusammenhang auf skandinavische Beispiele hin, die zeigen, dass sich die Lage der Frauen mit ihrem Anteil an politischen Entscheidungen verbessere. Zierler begrüßte die Anrechenbarkeit der Erziehungszeiten bei der Pensionsbegründung, das sei eine wichtige Maßnahme gegen die Frauenarmut. Nachdrücklich bekannte sie sich dazu, den Frauen die Wahl zu erleichtern, in den ersten Jahren bei ihren Kindern zu bleiben.

Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) hielt dem Bundeskanzler entgegen, das von ihm zitierte "Jobwunder auf österreichisch" - das nicht die Frucht dieser Bundesregierung sei - erweise sich bei genauer Betrachtung als ein "Wunder an Geringfügigkeit", wobei die Zahl der Frauen, die mit Jobs unter 12.000 S brutto monatlich auskommen müssen, wieder zunehme.

75 % der Frauen, führte Petrovic aus, wollen arbeiten, aber nur 60 % können diesen Wunsch realisieren, was bedeutet, dass 15 % der Frauen, vorwiegend aus Mangel an öffentlichen Verkehrsmitteln und hochwertigen Kinderbetreuungseinrichtungen nicht berufstätig sein können. Den Freiheitlichen warf die Rednerin schließlich vor, die Drohungen gegen Superintendentin Knoll durch Aufrufe provoziert zu haben.

Abgeordnete Mag. KUNTZL (SP) unterstrich den Vorwurf an die Bundesregierung, in der Frauenpolitik Rückschritte einzuleiten. "Sie haben sich vom frauenpolitischen Ziel der Eigenständigkeit verabschiedet. Sie konzipieren eine Frauenpolitik der Belastungen und neuer Abhängigkeiten." Kuntzl klagte darüber, dass sich die neue Bundesregierung vom Frauenministerium als einem wichtigen Instrument der Frauenpolitik verabschiedet und darauf verzichtet habe, den nächsten notwendigen Schritt zu tun, die Errichtung eines eigenständigen Frauenministeriums.

Kuntzl vermisste Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sie forderte das Recht auf Teilzeitarbeit, den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen und kritisierte die beabsichtigte Kürzung der Mittel für Wiedereinstiegshilfen. Der Arbeitsmarkt sei weiterhin geteilt, analysierte die Rednerin und lehnte eine Politik ab, die Männern die existenzsichernden Jobs vorbehalte, während Frauen in die Geringfügigkeit, die Scheinselbstängigkeit und die Teilzeitfalle geraten.

Abgeordnete Dr. BRINEK (VP) hob die Absicht der Bundesregierung hervor, die bezahlte Karenzzeit auf zwei Jahre auszudehnen, und begrüßte die Möglichkeit dazu zu verdienen und damit die Chancen der Frauen auf den beruflichen Wiedereinstieg zu verbessern. Wenn der Kindergarten eine Bildungseinrichtung darstellt, soll er gratis zur Verfügung gestellt werden, sagte Dr. Brinek und erinnerte die Wiener Sozialdemokraten daran, dass Kindergartenplätze in Niederösterreich kostenlos sind.  Ausdrückliche Zustimmung der Bildungspolitikerin fand der jüngste Beschluss der Labour-Party unter Tony Blair, das Konzept der Gesamtschule aufzugeben, eine Entscheidung, von der sich Abgeordnete Brinek bessere Bildungschancen für Mädchen erwartet.

Abgeordnete HALLER (FP) zeigte sich stolz auf das Programm der neuen Bundesregierung und hob vor allem das Kinderbetreuungsgeld, die Verlängerung der Karenzzeit und die besseren Zuverdienstmöglichkeiten hervor. Darüber hinaus bekannte sich Haller zum Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, wobei auf die pädagogischen Erfordernisse und kindgerechte Strukturen zu achten sei.

Bundesministerin Dr. SICKL forderte die Opposition dazu auf, in einen Dialog mit der Bundesregierung einzutreten und an guten gemeinsamen Lösungen in der Frauenpolitik zu arbeiten, wobei sie nach dem Vorbild der Umweltpolitik eine ressortübergreifende Vorgangsweise präferiere. Sickl berichtete von der Einsetzung von Frauenbeauftragten in jeder Sektion ihres Ministeriums, die die Frauenfreundlichkeit aller Maßnahmen zu prüfen haben. Als Mutter von vier Kindern, die immer berufstätig war, liege ihr die Eigenständigkeit von Frauen am Herzen, sagte Bundesministerin Sickl. Ihr geht es um Verbesserungen für Frauen mit geringfügigem Einkommen, sagte die Ministerin und kündigte an, trotz grosser Budgetbelastungen keinerlei Einschränkungen bei Frauenprojekten vorzunehmen. Frauen sollen die Möglichkeit haben, sich zu artikulieren, betonte Sickl. Fortschritte kündigte die Ministerin auch im Bereich der Gleichbehandlung an und wies auf die Einrichtung von Gleichbehandlungsanwältinnen in Graz, Salzburg und Klagenfurt hin. Verbesserungen seien auch bei den Kinderbetreuungseinrichtungen, speziell bei den Kindern bis zu drei Jahren, anzustreben.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) bemängelte, dass das Regierungsübereinkommen von ÖVP und FPÖ keine konkreten frauenpolitischen Förderungspläne enthalte. Mehr Gleichbehandlungsanwältinnen seien zu begrüssen, es wäre aber auch notwendig, Gleichbehandlungsmaßnahmen in der Privatwirtschaft zu setzen. In ihren weiteren Ausführungen brach Mag. Lunacek eine Lanze für Frauenquoten in der Politik und erinnerte an Anträge der Grünen, die Parteienförderung an die Einhaltung von Frauenquoten zu binden.

Präsident Dr. FISCHER teilte mit, dass es zu der schriftlichen Anfragebeantwortung 209/AB zu 159/J des Bundeskanzlers zu der parlamentarischen G-Anfrage betreffend "World Sports Award of the Century" eine Kurze Debatte um 15 Uhr geben wird. Im Anschluss daran erfolgt eine Kurzdebatte über den G-Antrag, dem Sozialausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 141/A betreffend Änderung des Arbeiterkammergesetzes eine Frist bis 25. April zu setzen.

Einstimmig beschlossen wurde auch, das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 in eine Erste Lesung zu nehmen.

AVISO: Den Wortlaut der Budgetrede finden Sie auf der homepage des Parlaments (www.parlament.gv.at ), Menüpunkt Parlamentskorrespondenz.

(Schluss)