Parlamentskorrespondenz Nr. 184 vom 11.04.2000

SICKL: FRAUENPOLITIK IST EIN "HARTES PFLASTER"

Interministerielle Arbeitsgruppe für Gender-Mainstreaming

Wien (PK) - In der anschließenden Diskussionsrunde des Budgetausschusses befassten sich die Abgeordneten mit dem Themenbereich Frauen, der nun in den Kompetenzbereich des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen fällt. Der Budgetvoranschlag sieht dafür, bezogen auf den Zeitraum vom 1. April 2000 bis 31. Dezember 2000, Ausgaben in der Höhe von 56,7 Mio S. vor. Davon sollen 44,8 Mio S. Fraueninitiativen zugute kommen, 11,9 Mio S. will man der Aufarbeitung frauenspezifischer Themenschwerpunkte widmen.

Im Mittelpunkt des Interesses standen die weiteren Rahmenbedingungen für Frauenberatungs- und Frauenservicestellen, Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen und Kindern sowie Möglichkeiten zur Hebung der Frauenerwerbsquote und die Verbesserung der Chancengleichheit durch das sogenannte Gender-Mainstreaming. Danach sollen alle vorgeschlagenen Maßnahmen auch auf ihre Tauglichkeit in Richtung Verbesserung der Chancengleichheit überprüft, Hemmnisse für die Frauenerwerbstätigkeit beseitigt und der Segregation am Arbeitsmarkt entgegengewirkt werden.

Die rund 60 an sie gerichteten Fragen bezeichnete Bundesministerin SICKL als einen Beweis für die noch immer vorhandenen großen Defizite im Bereich Chancengleichheit für Frauen, um gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass es ihr in so kurzer Zeit unmöglich sei, all die in Jahrzehnten angehäuften Versäumnisse zu lösen. Vor allem sei es schwierig, die Schere zwischen der hinterlassenen Budgetlücke und einer engagierten Frauenpolitik - die sie mit Einsatzbereitschaft ausführen wolle - zu schließen. Frauenpolitik sei, so die Ministerin, ein "hartes Pflaster", auf das sie sich nicht scheue, sich zu begeben.

Da nicht alle gestellten Fragen in der vorgesehenen Zeit beantwortet werden konnten, einigte man sich nach einer kontroversiellen Diskussion darauf, dass auf diese bis zur Budgetdebatte im Plenum des Nationalrates schriftlich eingegangen wird.

Eingeleitet wurde die Fragerunde durch Abgeordneten Dr. EINEM (S), der wissen wollte, ob die Frauen trotz neuer Kompetenzverteilung auch weiterhin eine Anwältin über die Ressortgrenzen hinaus haben, und die Ministerin für eine baldige Umsetzung der Frauenförderpläne sorgen werde. Er wies auf die Notwendigkeit der Weiterentwicklung des Gewaltschutz-Gesetzes hin und erkundigte sich nach der Vorsorge für den Weiterbestand und die Ausweitung der Interventionsstelle gegen Gewalt.

Abgeordnete Mag. PRAMMER (S) fragte, bis wann die Information über die konkrete Dotierung von einzelnen Frauenprojekten vorliegt, weiters schnitt sie den Frauenkunstpreis und das Projekt Cosmos an, dem 1,8 Mill. S fehlen. Ein Anliegen waren ihr auch arbeitsmarktintensivierende Maßnahmen für Frauen, die Unterstützung von Gründerinnen sowie der zukünftige Ausbau von Betriebskindergärten. Schließlich verlangte sie eine Konkretisierung in Bezug auf die Beitragszeiten in der Pensionsversicherung, um Klarheit darüber zu erlangen, ob es sich dabei um eine "Zu-Hause-Bleibe-Förderung" handle und wie nun jene Frauen berücksichtigt würden, die weiter ihren Beruf ausüben.

Weiters interessierte sich die SPÖ-Fraktion für die Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft, für die Bereitschaft der Ministerin, bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz die Beweislastumkehr einzuführen, sowie für den EU-Anpassungsbedarf im Bereich der Beweislastrichtlinie und der Schadenersatzobergrenzen (Abgeordnete SILHAVY). Abgeordnete Mag. KUNTZL äußerte Befürchtungen für den Fortbestand feministischer Forschung und Lehre, Abgeordnete JÄGER erkundigte sich nach den Schwerpunkten für die Nachfolgekonferenz von Peking im kommenden Juni in New York, und beschäftigte sich dann mit dem Thema der Vergewaltigung und der Menschenrechtsverletzungen (insbesondere Verstümmelungen im Genitalbereich) als Asylgrund. Abgeordnete Sophie BAUER sprach die Wiedereinstiegshilfen an, Abgeordnete Mag. WURM kam auf die Umsetzungsmöglichkeiten des Frauenvolksbegehrens zu sprechen. Mit notwendigen Maßnahmen im Bildungsbereich, um geschlechtsspezifischen Sozialisationsprozessen entgegenzuwirken, beschäftigte sich Abgeordnete SCHASCHING in ihrem Diskussionsbeitrag.

Ob die pensionsbegründende Anrechnung von Kindererziehungszeiten an der Gewerkschaft scheitern könnte, wollte Abgeordnete Rosemarie BAUER (V) wissen. Ihr ist es wichtig, der Familienarbeit zu einer höheren Akzeptanz zu verhelfen, weshalb sie sich von Ministerin Sickl diesbezügliche Aktivitäten erhofft. Um schriftliche Auskunft bat sie zu den Frauenservicestellen in Eisenstadt, Hollabrunn und Salzburg. Auch Abgeordnete STEIBL (V) thematisierte die Frauenservicestellen und plädierte für eine Evaluierung der Beratungseinrichtungen, um Qualität in diesem Bereich sicherzustellen.

Abgeordnete LENTSCH (V) konzentrierte sich auf die Formen der Kinderbetreuungseinrichtungen und deren Stellenwert, Abgeordnete Dr. BRINEK (V) verlangte Aufklärung über konkrete Beträge für Fraueninitiativen.

Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) legte eine Reihe von Fragen, die konkrete Budgetzahlen betreffen, schriftlich vor und ersuchte auch um eine schriftliche Beantwortung. Unter Heranziehung eines Entwurfes zum PraktikantInnen-Unterrichtsgesetz richtete sie die Aufforderung an die Ministerin, sich für die Abschaffung der sprachlichen Diskriminierung in Bundesgesetzen einzusetzen. Ein weiterer Fragenkomplex betraf die Frauenerwerbstätigkeit. Österreich, so die Mandatarin, sei von der EU auch wegen der großen Unterschiede in der Erwerbsquote von Frauen und Männern - sie nannte dabei eine Differenz von 21 Prozentpunkten - kritisiert worden. Deshalb erkundigte sie sich, inwieweit Bundesministerin Sickl ihre Koordinationsfunktion wahrnehmen und sich für das sogenannte Gender-Mainstreaming einsetzen werde. Konkret galt ihr Interesse dem Steuerrecht, dem Vertragsrecht und Infrastrukturinvestitionen. Sie befürchtete auch, dass die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen zum Kinderbetreuungsgeld den Unterschied in der Lohndifferenz von Männern und Frauen verstärken werde. Abschließend hielt sie fest, dass es im Bereich des Frauenhandels oft deshalb nicht zu Verurteilungen komme, weil die Zeuginnen vorher abgeschoben würden. Ihr sei deshalb ein verbesserter Zeugenschutz ein besonderes Anliegen.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) sprach einmal mehr die Pflichtarbeit für Langzeitarbeitslose an und gab zu bedenken, dass durch die geplante Regelung der Entlohnung erstmals ein ungleiches Entgelt für gleiche Arbeit festgeschrieben werde. In Bezug auf die Kinderbetreuungszeiten ersuchte er um Auskunft darüber, wie diese konkret angerechnet würden, wenn beispielsweise nach einem Jahr Teilzeitkarenz in Anspruch genommen wird.

Seitens der FPÖ galt das Interesse der Umstellung in der Förderungspraxis. Abgeordnete ZIERLER fragte, ob man auch hier in Richtung Objektförderung gehen wolle und ob allgemein die Förderung von Frauenhäusern sichergestellt sei.

Abgeordnete HALLER bat die Ministerin um Auskunft, wie sie sich die Änderungen bei der Anrechnung von Kindererziehungszeiten vorstelle. Unter Bezugnahme auf ein von der vormaligen Frauenministerin angekündigtes Gleichbehandlungspaket wollte die Mandatarin genauere Informationen über Inhalt und finanzielle Auswirkungen eines etwaigen neuen Pakets.

Bundesministerin Dr. SICKL versicherte zunächst, dass seitens ihres Ressorts auch jene Gruppierungen und Projekte unterstützt würden, die nicht mit ihren eigenen Vorstellungen konform gingen, solange die Qualität sichergestellt sei. Sie hält Auffassungsunterschiede für wichtig und lud alle Abgeordneten ein, sich mit ihr an einen Tisch zu setzen um Prioritäten erarbeiten und Fragen gemeinsam lösen zu können. Eine Politik, Frauen zurück an den Herd zu drängen, sei keine Aufgabe einer modernen Politik, unterstrich die Ressortchefin dezidiert.

Sie nehme ihre Koordinationsfunktion sehr ernst und sei bereits mit der interministeriellen Arbeitsgruppe sowie den Frauenbeauftragten der Bundesländer zu einem Gespräch zusammengetroffen. Am 19. April habe sie einen Termin mit Frauenorganisationen, um den Dialog aufzunehmen und eine gemeinsame Plattform zu entwickeln, berichtete Sickl.

Auf die einzelnen Fragen eingehend, teilte Sickl den Ausschussmitgliedern mit, dass sie am 30. März eine Sitzung mit der interministeriellen Arbeitsgruppe gehabt habe. Frauenfragen fallen in die Zuständigkeit aller Ressorts, und dies sei eine große Herausforderung für sie. Sie werde mit Engagement die Bemühungen der anderen Ressorts unterstützen und begleiten und auch mitwirken, das Bewusstsein für frauenpolitische Anliegen in den einzelnen Ressorts zu schärfen. Sie plane, in jedem Ministerium eine Ressortbeauftragte zu installieren, die Zugang zu Informationen habe, in Entscheidungen eingebunden und auch entsprechend geschult werde. Gleichzeitig kündigte sie an, eine interministerielle Arbeitsgruppe für Gender-Mainstreaming ins Leben zu rufen, um die Chancengleichheit in möglichst allen Sektoren systematisch durchsetzen zu können. Sie machte jedoch darauf aufmerksam, dass die Erreichung der Zielsetzungen ein langer Prozess sei. Das  Projekt, die Diskriminierung in Gesetzestexten abzuschaffen, werde fortgeführt, stellte die Ministerin fest.

Eine Lanze brach Sickl für die Familienarbeit und ihren Stellenwert in der Gesellschaft. Die dort erworbenen Fähigkeiten sollten auch auf beruflicher Ebene genützt werden, zeigte sich Sickl überzeugt, und stellte fest, dass es Instrumentarien zur Erfassung und Bewertung von Qualifikationen, die in der Familie erworben wurden, geben müsse, um diese auch in Unternehmen umzusetzen. Familien hätten Bedeutung für die Entwicklung von Managerqualitäten, die im Berufsleben unverzichtbar seien.

Großen Wert legt Sickl auf die Qualität der Kinderbetreuungseinrichtungen, weshalb vorhandene Schwachstellen genau analysiert werden müssten. Sie würde gerne eine weitere Kindergartenmilliarde zur Verfügung stellen, das Budget stoße jedoch an seine Grenzen, sodass für 2000 nur 133 Mill. flüssig gemacht werden können. Sie werde sich aber weiterhin für Zweckzuschüsse des Bundes einsetzen. So notwendig Kinderbetreuungseinrichtungen seien, so wolle sie doch feststellen, dass grundsätzlich die Familie der beste Kinderbetreuungsplatz sei.

Gegenüber den derzeit zehn bestehenden Interventionsstellen werde sie ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommen, so die Ressortchefin. Gemeinsam mit dem Innenminister werde sie Gespräche hinsichtlich eines weiteren Ausbaues der Interventionsstellen führen. Vor allem sei ihr der Ausbau des Opferschutzes und die Prozessbegleitung ein besonderes Anliegen. Die Kampagne gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder werde weitergeführt, sie werde auch den Druck einer Informationsbroschüre veranlassen. Der Bericht über die Prozessbegleitung von sexuell misshandelten Kindern und Jugendlichen werde in Kürze veröffentlicht, ein neues Modell zunächst in Wien implementiert. Ihr gehe es in diesem Bereich auch darum, die Qualität der Arbeit in den Kinderschutzzentren sicherzustellen. Den Abgeordneten versicherte sie, dass sie um die gewissenhafte Fortsetzung der initiierten Projekte bemüht sei. Das Gewaltschutz-Gesetz sie wolle weiter entwickeln. Die wichtige Arbeit gegen den Frauenhandel werde von ihrem Ressort mit ca. 1,15 Mill. S unterstützt.

(Schluss)