Parlamentskorrespondenz Nr. 188 vom 11.04.2000

JUSTIZAUSSCHUSS BESCHLIESST NIEDERLASSUNG EUROPÄISCHER ANWÄLTE

Vereinfachtes Auslieferungsverfahren einstimmig beschlossen

Wien (PK) Europäische Themen standen im Mittelpunkt der Sitzung des Justizausschusses, die heute Nachmittag stattfand. Zunächst nutzte der Ausschuss die Debatte über die Regierungsvorlage über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwälten in Österreich (EuRAG) sowie über Änderungen der Rechtsanwaltsordnung zu einer Grundsatzdebatte. Die Vorlage wurde mit den Stimmen der Regierungsfraktionen angenommen. Einstimmig hat der Ausschuss ein Übereinkommen über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen Staaten der EU und Österreich angenommen. Zwei Anträge der SP-Fraktion zu Mietrechtsangelegenheiten wurden vom Ausschuss vertagt. Zu Beginn der Sitzung wurde F-Abgeordneter Mag. MAINONI auf Vorschlag der Vorsitzenden Dr. FEKTER einstimmig zum Schriftführer gewählt.

F-Abgeordneter Dr. OFNER wies auf die Qualität der österreichischen Ausbildung zum Rechtsanwalt hin, die in kaum einem anderen Land erreicht werde und plädierte dafür, die fünfjährige Ausbildungszeit im Einvernehmen mit den Anwälten und deren Vertretung abzusenken. Bezüglich der interdisziplinären Gesellschaften gelte es ein akzeptables Mittelmaß zu finden.

Abgeordneter Dr. TRINKL (V) ergänzte dazu, dass interdisziplinäre Gesellschaften von den Kunden gewünscht würden und dass Regelungen nur im Einvernehmen mit den Betroffenen erarbeitet werden sollten.

Die Dauer der Ausbildung zum Rechtsanwalt sei nicht identisch mit deren Qualität, stellte S-Justizsprecher Dr. JAROLIM fest und plädierte für eine Annäherung der österreichischen Regelungen an die europäischen, damit nicht unterschiedliche Wettbewerbsvoraussetzungen entstünden.

Die Gefahr einer Zwei-Klassen-Gesellschaft sah sein Fraktionskollege  Mag. MAIER auch im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Rechtshilfe gegeben und forderte gleiche Regelungen für alle ein. Maier kam sodann auf eine Zusage des Rechstanwaltskammertags zu sprechen, die Kunden bei Übernahme des Mandats über Honorarbestimmungen zu informieren und präsentierte einen Fall, in dem seiner Ansicht nach diese Information unterblieben und eine in ihrer Höhe unverständliche Honorarnote gelegt worden sei.

Ihre Fraktion werde der Vorlage nicht zustimmen, erklärte G-Abgeordnete Mag. STOISITS und begründete diese Ablehnung mit der in der Vorlage zum Ausdruck kommenden Diskriminierung durch die Definition des "europäischen Rechtsanwalts": Anwälte "vor den Toren Wiens" - in Györ, Bratislawa, Steinamanger  und Budapest - gelten nach der Vorlage nicht als "europäisch".

Den von Abg. Mag. Maier präsentierten Fall wertete Dr. KRÜGER (F) als exzessiven Einzelfall und warnte davor, das bestehende Kostensystem "über den Haufen zu werfen". An die Adresse der Abg. Stoisits gerichtet, meinte Krüger, dass jede Vereinigung für Nichtmitglieder diskriminierend sei.

Dr. GRAF (F) betonte, dass die vorgesehenen Regelungen nicht als Einbahnstraße zu sehen seien, sie würden ja auch für österreichische Anwälte gelten, die sich im EU-Ausland niederließen. Hinsichtlich der Tarifgestaltung warnte er davor, das Kind mit dem Bad auszuschütten. Hinsichtlich der Kosten sollten alle Kammern, auch die Arbeiterkammer, Transparenz herstellen, zumal die AK nicht in allen Fällen Rechtsschutz gewähre.

In einer zweiten Wortmeldung sprach sich Abg. Dr. OFNER (F) für eine grundsätzliche Tarifreform aus, und zwar dergestalt, dass der Tarif in den unteren Bereichen angehoben werden, dann aber flacher verlaufen sollte.

Bundesminister Dr. BÖHMDORFER anerkannte Kritik als berechtigt und merkte als Konsumentenschützer an, dass ein Abgehen von Pauschalvereinbarungen auf jeden Fall mitgeteilt werden müsse. Die betriebswirtschaftlichen Kosten einer Anwaltsstunde bezifferte er mit 3.000 bis 4.000 S.

Abg. Dr. PAPHAZY bezog sich auf § 10 der Vorlage und plädierte dafür, dass die Rechtsanwaltskammer vor Eintragung auf jeden Fall eine Bescheinigung verlangen sollte.

Ausschussvorsitzende Dr. FEKTER hielt fest, dass der Rechtsanwaltskammertag eine Forderung des Justizausschusses umgesetzt habe; wenn es schwarze Schafe gäbe, die sich nicht an Richtlinien hielten, dann sei dies nicht Sache der Legistik. Hinsichtlich der interdisziplinären Gesellschaften gebe es noch keine Einigung der Rechtsanwälte mit anderen Berufsgruppen. Sie sprach sich dafür aus, sich in dieser Frage auf die wirtschaftliche Klammer zu beschränken und es im übrigen bei den jeweiligen Berufsordnungen zu belassen.

Die Vorlage wurde mit den Stimmen der Regierungsfraktionen angenommen. Ohne Debatte einstimmig angenommen wurde ein Übereinkommen über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Staaten der EU und Österreich. Das Übereinkommen wurde 1995 von den Mitgliedstaaten der EU unterzeichnet und sieht im wesentlichen vor, dass die Auslieferung mit Zustimmung der auszuliefernden Person bereits auf der Grundlage des Fahndungsersuchens bewilligt werden kann. Zwei Anträge der Sozialdemokraten zu Mietrechtsthemen wurden vertagt. (Schluss)