Parlamentskorrespondenz Nr. 238 vom 04.05.2000

POGROM - DER WIRTSCHAFTSTHRILLER

Faction-Drama aus Anlass des Gedenktages im Hohen Haus

Wien (PK) - Nach den Reden von Nationalratspräsident Dr. Heinz FISCHER und Ehrengast Dr. Wladyslaw BARTOSZEWSKI wurde die parlamentarische Veranstaltung aus Anlass des Gedenktages gegen Gewalt und Rassismus mit dem "Faction-Drama" "Pogrom - Der Wirtschaftsthriller" fortgesetzt.

"Pogrom" ist das dramatisierte Stenogramm einer "Besprechung über die Judenfrage", die am 12. November 1938 im Reichsluftfahrtministerium abgehalten worden war und an der u.a. Reichsmarschall Göring, Propagandaminister Goebbels, der Chef der Sicherheitspolizei Heydrich, Wirtschaftsminister Funk sowie der "Reichsbeauftragte Österreich" Bürckel und der ehemalige österreichische Handelsminister Fischböck teilnahmen. Der Inhalt dieser Unterredung weist bereits auf die "Wannsee-Konferenz", bei der die "Endlösung der Judenfrage" zum Programm erhoben und die Shoa beschlossen wurde.

Bei der heutigen Aufführung waren Erwin STEINHAUER als Göring, Heinz WEIXELBRAUN als Goebbels, Thomas MAURER als Heydrich, André POHL als Funk, Oliver STERN als Fischböck und Georg SCHUCHTER als Bürckel zu sehen. Herbert FÖTTINGER spielte Dr. Hilgard, den Leiter der "Reichsgruppe Versicherungen", und Martin GESSLBAUER gab Herrn Lange, einen Sekretär. Regie führte Thomas GRATZER.

Konkreter Anlass für diese Besprechung war die sogenannte "Reichskristallnacht" nur wenige Tage zuvor, bei der beträchtliches Eigentum zerstört worden war, wofür eigentlich die Versicherungsgesellschaften aufzukommen gehabt hätten. Hilgards Anliegen war es nun, sich dieser Verpflichtung weitgehend zu entziehen, ohne dabei nach außen das Gesicht zu verlieren. Die Nazis wiederum nutzten die Gelegenheit, sich zusätzlich auf Kosten der Betroffenen zu bereichern, indem sie Mittel und Wege fanden, die auszuzahlenden Versicherungen einzubehalten, was Göring zynisch auf den Punkt brachte: "Der Arier kann keinen Schaden anmelden, weil er keinen hat. Der Jude ersetzt."

Universitätsprofessor Dr. Gerhard Botz hält das Protokoll dieser Besprechung, das übrigens in den Nürnberger Prozessen als Beweisstück diente, für ein "Schlüsseldokument der gesamten NS-Arisierungspolitik": "Es zeigt einerseits die eminent wichtige Verschränkung der Judenverfolgung mit wirtschaftlichen Motiven, andererseits auch die unmenschliche, bürokratische Nüchternheit und Scheinrationalität, mit der im Dritten Reich nicht nur 'eingefleischte' Antisemiten, sondern auch 'ganz normale' Verwaltungs- und Wirtschaftsfachmänner die Intensität der Judenverfolgung Stück für Stück höher geschraubt haben."

Die Uraufführung von "Pogrom - Der Wirtschaftsthriller" war im November letzten Jahres in der Wiener Börse über die Bühne gegangen. Nach Ende der heutigen Vorstellung schloss Nationalratspräsident Fischer die Gedenkveranstaltung. (Schluss)