Parlamentskorrespondenz Nr. 332 vom 31.05.2000

AB 1. 7. KEINE ALTERSPENSION WEGEN GEMINDERTER ARBEITSFÄHIGKEIT MEHR

Ministerin Sickl hält Maßnahmen für sozial gerecht

Wien (PK) - Nach dem Expertenhearing nahm der Sozialausschuss seine Beratungen über das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 - hiezu liegen ein F-V-Antrag und ein S-Antrag vor - wieder auf. Die Regierungsparteien legten einen neuen Abänderungsantrag vor, der die S-Abänderung bezüglich Entsendung von Versicherungsvertretern in die Sozialversicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen und in die Betriebskrankenkassen wortident übernimmt, aber auch vorsieht, dass Personen, die das 57. Lebensjahr bereits vollendet haben und durch zehn Jahre während der letzten 15 Jahre vor dem Pensionsstichtag einer Tätigkeit nachgegangen sind, die Invaliditätspension beantragen können, es sei denn, dass ihnen noch eine Änderung dieser Tätigkeit bzw. eine Umorganisation des Betriebes in sachlicher wie personeller Hinsicht zugemutet werden kann.

Die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit wird mit Wirksamkeit 1. Juli 2000 aufgehoben. Wie Abgeordneter Dr. FEURSTEIN (V) ausführte, werden Anträge von Männern im Alter von 55 und 56 Jahren, die nach dem 23. Mai eingebracht wurden, nicht behandelt.

Abgeordnete SILHAVY (S) äußerte verfassungsrechtliche Bedenken, die nicht ausgeräumt werden konnten, und sprach von Verschlechterungen für die Frauen und von unverhältnismäßig erschwerten Zugangsvoraussetzungen für gesundheitlich beeinträchtigte Menschen. Namens der SPÖ und der Grünen präsentierte sie einen Entschließungsantrag. Demnach hat die Bundesregierung innerhalb von zwei Wochen eine geschlechtsneutrale Neuregelung vorzulegen, die nach folgenden Grundsätzen ausgestaltet ist: Für Männer und Frauen gilt ab dem 55. Lebensjahr eine Rücksichtnahme auf die bisher ausgeübte Tätigkeit, indem eine Verweisung nur mehr auf vergleichbare Tätigkeiten erfolgen kann, und ab dem 57. Lebensjahr soll für beide Geschlechter eine eingeengte Verweisung auf die zuvor ausgeübte Tätigkeit maßgeblich sein.

In einer Ausschussfeststellung, eingebracht von F-Sozialsprecher Mag. Haupt, will man vor allem für ungelernte Arbeiter und Angestellte in niedrigen Verwendungsgruppen einen wirksamen Berufsschutz schaffen. Ein anderer Tätigkeitsbereich als bisher ist jedenfalls unzumutbar, wenn er eine wesentliche Veränderung des beruflichen Umfeldes des Versicherten bedeutet wie z. B. das Erlernen gänzlich neuer Tätigkeiten oder der Verweis auf eine Tätigkeit, die in einem anderen arbeitskulturellen Umfeld erbracht werden muss.

Die vorgeschlagenen Regelungen tragen nach Ansicht von G-Abgeordnetem ÖLLINGER den Einwänden der Experten nicht Rechnung. Außerdem sieht er die Rechtssicherung nicht gewährleistet.

Abgeordneter Mag. HAUPT (F) will - wie Deutschland, Schweiz, Schweden und Finnland - objektiv und nachvollziehbar über die Weiterentwicklung des Pensionssystems verhandeln, eine sachliche Diskussion führen und die pekuniären Auswirkungen auf Staat und Individuum transparent machen.

Den S-Entschließungsantrag kann Abgeordneter Dr. FEURSTEIN (V) nicht akzeptieren, bedeute er doch eine weitere Belastung der Pensionsversicherung.

Den neuen F-V-Antrag empfindet S-Abgeordnete Dr. PITTERMANN als nicht sozial verträglich; es ist für sie eine politische Entscheidung, ob man zustimmt oder nicht. Wenn man eine Zustimmung mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, so ist das aber keine Fundamentalopposition, meinte sie.

Bundesministerin Dr. SICKL  machte darauf aufmerksam, dass die Bundesregierung die Aufgabe hat, das gesamte System der Pensionsversicherung zu erhalten. Die Oppositionsparteien lud sie ein, sich einzubringen, denn die Interessenvertretungen vertreten nur Einzelfälle. Nach Meinung der Ressortleiterin kann man nicht von Sozialabbau sprechen, die Maßnahmen entsprechen der sozialen Gerechtigkeit.

Abgeordnete Mag. PRAMMER (S) verstand nicht, weshalb man sich einer Husch-Pfusch-Lösung bedient, wenn weitere Maßnahmen ins Auge gefasst werden. Zudem hat der EuGH keine rasche Lösung gefordert, sondern nur aufgezeigt, was nicht rechtskonform ist. Besonders hob die ehemalige Frauenministerin hervor, dass durch die veränderte Gesetzeslage die Situation der Männer unverändert bleibe, während Frauen Verschlechterungen zu befürchten haben.

Der Abänderungsantrag der Sozialdemokraten betreffend Vertretungsorgane fand keine Mehrheit. Der S-G-Entschließungsantrag wurde gleichfalls abgelehnt. Den neuen Abänderungsantrag der Regierungsparteien - der in der letzten Sitzung eingebrachte Antrag wurde zurückgezogen - beschlossen F und V. Auch der Antrag 123/A betreffend das SVÄG 2000 wurde mit F-V-Mehrheit angenommen; der S-Antrag 131/A gilt als miterledigt. (Fortsetzung)