Parlamentskorrespondenz Nr. 388 vom 27.06.2000

MILITÄRBEFUGNISGESETZ PASSIERT VERTEIDIGUNGSAUSSCHUSS

Opposition auch nach Sachdebatte auf hohem Niveau ablehnend

Wien (PK) - Der Verteidigungsausschuss nahm heute seine am 30.5.2000 vertagten Beratungen über den Regierungsentwurf für ein Militärbefugnisgesetz samt dazu gehörenden Anpassungen im Sperrgebietsgesetz wieder auf. Ein Antrag des Abgeordneten Dr. PILZ (G) auf neuerliche Vertagung, den er mit seinem Protest gegen die verspätete Vorlage der endgültigen Fassung eines Abänderungsantrages der Koalitionsparteien begründete, fand keine Mehrheit. Nach einer kontroversiellen, dennoch aber allseits für ihre Sachlichkeit gelobten Debatte wurde das neue Gesetz in der Fassung eines von den Abgeordneten Dr. OFNER (F) und PLATTER (V) eingebrachten Abänderungsantrages mit F-V-Mehrheit angenommen. Es regelt die Befugnisse militärischer Organe und listet deren Aufgaben beim Selbstschutz des Heeres auf: Wachdienst, Auskunftsverlangen, Personenkontrolle, Platzverbot, Wegweisung, vorläufige Festnahme, Durchsuchen von Personen, Betreten von Grundstücken, Räumen und Fahrzeugen, Sicherstellen von Sachen und Verarbeitung von Daten. Dazu kommen Bestimmungen für die Anwendung unmittelbarer Zwangsgewalt und den Waffengebrauch. Im Fall der Überschneidung ihrer Zuständigkeitsbereiche müssen Polizei und Militär aufgrund von Absprachen kooperativ handeln.

Die besondere Aufmerksamkeit der Abgeordneten wie der als Experten geladenen Verfassungsjuristen galt der Regelung der Befugnisse von Militärorganen bei der "Überwachung von Personen". Die Nachrichtendienste werden, unter Wahrung der Grundrechte, zur Verwendung personenbezogener Daten ermächtigt, erhalten aber keine Zwangsgewalt eingeräumt. Die Stellung des vorgesehenen Rechtsschutzbeauftragten hat der Ausschuss durch die mehrheitliche Annahme des Abänderungsantrages gestärkt und aufgewertet. Der Rechtsschutzbeauftragte soll die Rechtmäßigkeit nachrichtendienstlicher Aufklärung und Abwehr nicht nur "prüfen" - wie im Regierungsentwurf vorgesehen - er erhält vielmehr die Befugnis zur "rechtlichen Kontrolle". Vor Datenermittlungen zum vorbeugenden Schutz militärischer Rechtsgüter muss der Verteidigungsminister verständigt und dem Rechtsschutzbeauftragten - außer bei Gefahr im Verzug - Gelegenheit zu einer Äußerung gegeben werden. Außerdem erhielt der künftige Rechtsschutzbeauftragte den Auftrag, dem Verteidigungsminister und dem Unterausschuss zur Überprüfung nachrichtendienstlicher Maßnahmen jährlich einen Bericht vorzulegen.

Die Abgeltung von Schäden infolge der Zwangsausübung von Befugnissen sowie diesbezügliche Beschwerdemöglichkeiten sind dem Sicherheitspolizeigesetz nachgebildet. Das bislang im Militärleistungsgesetz geregelte Recht des Heeres zur Inanspruchnahme ziviler Leistungen wird erweitert und in das neue Gesetz integriert.

EIN ABÄNDERUNGSANTRAG BRINGT MEHR DATENSCHUTZ

Mit ihrem Abänderungsantrag trugen die Abgeordneten Dr. Ofner (F) und Platter (V) Anregungen des Datenschutzrates Rechnung und schlugen vor, die Verpflichtung der Körperschaften des öffentlichen Rechts, den militärischen Nachrichten- oder Abwehrdiensten Auskunft zu erteilen, "auf Namen, Geschlecht, Wohnsitz, Geburtsort und Geburtsdatum sowie auf die von den militärischen Organen oder Dienststellen zum Gegenstand der Anfrage gemachten Umstände" zu beschränken.

Die "verdeckte Ermittlung" wird ausdrücklich nur zugelassen, wenn "der Zweck der Ermittlung auf andere Weise nicht erreicht werden kann".

Dazu kommen genauere Bestimmungen für die Überprüfung der Verlässlichkeit von Personen. Über die von den Heeresdiensten selbst ermittelten Daten hinaus dürfen Daten nur unter bestimmten Bedingungen und nur im Wege des gesetzlich definierten "Auskunftsverlangens" ermittelt werden.

Die Verletzung schutzwürdiger Interessen bei der Datenübermittlung wird als "jedenfalls" unzulässig bezeichnet.

Die Rolle der Datenschutzkommission bei Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit einer Datenverwendung bei Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat wird gestärkt. Vom Beschwerderecht wegen Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen bei der Datenschutzkommission werden ausdrücklich nur Befugnisse des Wachdienstes ausgenommen. Wachsoldaten dürfen Daten ausschließlich in Ausübung ihrer Aufgaben verarbeiten (Auskunftsverlangen, Personenkontrolle, Platzverbot, Wegweisung, Vorläufige Festnahme, Durchsuchen von Personen, Betreten von Grundstücken, Räumen und Fahrzeugen sowie Sicherstellen von Sachen).

Den schon im Regierungsentwurf vorgesehenen "Rechtsschutzbeauftragten" haben die Antragsteller zur rechtlichen Kontrollinstanz für Maßnahmen der nachrichtendienstlichen Aufklärung und Abwehr aufgewertet. Er wird dem Verteidigungsminister und dem zuständigen parlamentarischen Unterausschuss jährlich einen Bericht über die Tätigkeit der militärischen Dienste vorlegen. Bei Datenermittlungen zum vorbeugenden Schutz militärischer Rechtsgüter ist der Verteidigungsminister zu verständigen und dem Rechtsschutzbeauftragten - außer bei Gefahr im Verzug - Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

EINE KONTROVERSIELLE, ABER SACHLICHE AUSSCHUSSDEBATTE

Abgeordneter GAAL (S) wiederholte die Hauptkritikpunkte seiner Fraktion und kündigte die Ablehnung dieses Gesetzes durch die Sozialdemokraten auch mit dem Hinweis darauf an, dass ihre vernünftigen Vorschläge keine Berücksichtigung gefunden haben. Einmal mehr bedauerte der Wehrsprecher der SPÖ, dass keine verlässliche Abgrenzung zwischen dem Militärbefugnisgesetz und dem Sicherheitspolizeigesetz gefunden wurde und damit gegen jeden Österreicher ermittelt werden könne. Aufgrund falscher Urkunden werden sich Mitarbeiter der Heeresdienste als Ärzte, Rechtsanwälte oder Journalisten ausgeben können, um Informationen zu erhalten. Eine zweite Staatspolizei sei hier im Entstehen, kritisierte Gaal, die Trennung zwischen dem militärischen und dem zivilen Bereich werde aufgehoben.

Konkrete Mängel nannte der Abgeordnete beim Datenschutz. Die Dienste könnten nach Gutdünken Informationen sammeln, miteinander verknüpfen und weitergeben, ohne die Betroffenen informieren zu müssen. Der vorgesehene Rechtsschutzbeauftragte sei als ein Hilfsorgan ohne wirksame Kontrollfunktion konzipiert, auf den Ausbau der parlamentarischen Kontrolle habe man bedauerlicherweise verzichtet. "Dem Datenmissbrauch stehen Tür und Tor offen. Österreich werde still und heimlich zu einem Überwachungsstaat", befürchtete Abgeordneter Gaal.

Abgeordneter Dr. OFNER (F) sah einen wesentlichen Fortschritt im Bereich der militärischen Dienste in Richtung der Verrechtlichung ihrer Tätigkeit. Es werden Regeln geschaffen, auf die sich alle verlassen können, einerseits die Dienste selbst, andererseits die österreichischen und die nichtösterreichischen Staatsbürger. Auf die Kritik an der fehlenden Trennung zwischen militärischen und zivilen Aufgaben reagierte der Abgeordnete mit dem Hinweis darauf, dass es diese Trennung im militärischen Bereich zunehmend nicht mehr gebe. In Ernstfällen sei stets auch die Zivilbevölkerung in wachsendem Ausmaß betroffen. Den Vorschlag einer nachträglichen Benachrichtigung der von Ermittlungen betroffenen Personen wies Ofner zurück, weil er dem militärischen Ziel widersprechen würde. "Der Feind soll im Ungewissen darüber sein, ob seine Tätigkeit Gegenstand von Ermittlungen sei oder nicht". Nach redlichem Bemühen sei eine taugliche Vorlage auf den Verhandlungstisch gebracht worden, lobte Dr. Ofner.

Abgeordneter PLATTER (V) erinnerte an die Empfehlung des Lucona-Untersuchungssausschusses, die Nachrichtendienste und einen entsprechenden Rechtsschutz gesetzlich zu verankern.

Abgeordneter Ing. KAIPEL (S) regte an, das vorgesehene Platzverbot auf Einsatzvorbereitungen zu beschränken.

Abgeordneter Dr. PILZ (G) hielt die vorgeschlagenen Bestimmungen für die Tätigkeit der militärischen Abwehr aus demokratiepolitischen Gründen für problematisch. Die Trennung zwischen Militär und Polizei entspreche westeuropäischem Standard, zumal polizeiliches Handeln an die Strafprozessordnung gebunden sei, was bei militärischem Handeln nicht vorstellbar sie. Bei allem Verständnis für das Eigenschutzinteresse des Bundesheeres ortete Dr. Pilz den Versuch, nach dem Ende des traditionellen Bedrohungsbildes im Jahr 1989 alternative Bedrohungsbilder zu suchen, wobei der Kampf gegen Proliferation, internationale Waffenhändler und die organisierte Kriminalität genannt werden.

Spezielle Kritik übte Pilz am Auftrag für die Abwehr, gegen Vorbereitungshandlungen im Zusammenhang weltanschaulicher Kriminalität tätig zu werden. Er zeigte sich überzeugt, dass dafür das Innenministerium zuständig sei, und plädierte für eine enge Definition des militärischen Eigenschutzes. Für kritikwürdig hielt er auch eine Gesetzesbestimmung, die es zulässt, auf eine Verwaltungsübertretung mit lebensgefährdendem Waffengebrauch zu reagieren.

Verteidigungsminister SCHEIBNER sprach seine Genugtuung darüber aus, dass mit dem Militärbefugnisgesetz der unbefriedigende Zustand militärischen Handelns ohne Rechtsgrundlage beseitigt werde. Dies bringe beispielsweise für Grundwehrdiener, die Wachaufgaben zu erfüllen haben, ein wesentlich größeres Maß an Rechtssicherheit. Den Abänderungsantrag, der die Stellungnahme der Datenschutzkommission berücksichtige, begrüßte der Minister ausdrücklich. In seinen Antworten auf Detailfragen wies er darauf hin, dass die gewählten Begriffsbestimmungen dem internationalen Sprachgebrauch bzw. anderen Gesetzen, wie dem Militärstrafgesetz, entsprechen. Den Vorwurf, das Heer suche Bedrohungen, wies der Minister zurück, subkonventionelle Konflikte seien auch schon zur Zeit des Kalten Krieges thematisiert worden. Auch sei der Kampf gegen den zivilen Handel mit ABC-Kampfstoffen eine klar militärische Aufgabe. Außerdem arbeiten ausländische Nachrichtendienste mit Schlepperorganisationen zusammen, um den österreichischen Grenzschutz auszuspionieren, teilte der Minister mit. Für Maßnahmen zur Gefahrenabwendung sei im Gesetzentwurf ausdrücklich normiert, dass das jeweils das gelindeste Mittel anzuwenden sei.

STREITTHEMA NACHRICHTENDIENSTE

Dann wandten sich die Ausschussmitglieder dem Thema "Militärische Nachrichtendienste und deren Befugnisse" zu. Auf diesbezügliche Fragen der Abgeordneten führte Univ.-Prof. Dr. Bernhard RASCHAUER (Universität Wien) aus, dass es nicht notwendig sei, den Rechtsschutzbeauftragten verfassungsrechtlich zu verankern, da er aufgrund seiner Funktion keinerlei Konkurrenz zur Volksanwaltschaft oder zum parlamentarischen Unterausschuss in Angelegenheiten der Nachrichtendienste darstelle.

Der Experte hegte keinen Zweifel daran, dass die militärische Abwehr eine militärische Aufgabe sei und zum Kompetenztatbestand "militärische Angelegenheiten" zähle. Die Bestellung des Rechtsschutzbeauftragten durch den Bundesminister sah Raschauer positiv und sprach die Erwartung aus, dass er über die Rechtsschutzeinrichtungen UVS und Datenschutzrat hinaus einen Mehrwert im Interesse der Bürger bringen werde.

Univ.-Prof. Dr. Bernd-Christian FUNK (Universität Wien) sah die weitreichenden Aufgaben und Befugnisse für die militärische Abwehr als unvereinbar mit den rechtlichen Bindungen an, denen die militärische Landesverteidigung in der österreichischen Verfassung unterliege. Die Begrenzung der militärischen Landesverteidigung sei abschließend, ihre Erweiterung, wie sie durch das Militärbefugnisgesetz vorgenommen werden soll, sei daher bedenklich. Die Bestimmungen über die nachrichtendienstliche Abwehr greifen für ihn in den Bereich der Sicherheitspolizei und der Strafverfolgung hinüber, und zwar in einer Weise, die unter dem Begriff Landesverteidigung nicht unterzubringen sei. Dies belege letztlich der Text des Gesetzentwurfes selbst, in dem die nachrichtendienstliche Abwehr als eine militärische Aufgabe bezeichnet werde, die aber nur subsidiär zu erfüllen sei.

Abgeordneter Mag. TANCSITS (V) wies die enge Auslegung der Landesverteidigung durch Professor Funk zurück und bekannte sich zu der Auffassung, dass nachrichtendienstliche Tätigkeit einen integrierenden Bestandteil der militärischen Landesverteidigung darstelle. Dementsprechend sei die "Beobachtung der militärischen Lage" in der aus den siebziger Jahren stammenden Landesverteidigungsdoktrin ausdrücklich enthalten. Auf der Basis der engen Interpretation Funks wäre das Raumverteidigungskonzept nicht möglich gewesen.

Univ.-Doz. DDr. Christian STADLER machte darauf aufmerksam, dass die Nachrichtendienste bislang rechtlich nicht positiv normiert seien. Der vorliegende Entwurf erteile den militärischen Organen keinen sicherheitspolizeilichen, sondern einen verwaltungspolizeilichen Auftrag. Die Frage, ob die Landesverteidigung auch nachrichtendienstliche Aktivitäten umfasse, bejahte der Experte insofern, als der militärische Eigenschutz im Bereich der Dienste gegenüber dem derzeitigen Zustand auf die nachrichtendienstliche Abwehr beschränkt werde. Außerdem unterliege die Tätigkeit der Dienste einem Begründungszwang, wovon eine nicht zu unterschätzende disziplinierende Wirkung ausgehe. Landesverteidigung umfasse auch die Aufrechterhaltung des eigenen Verwaltungsapparats. Die Organe des Bundesheeres funktionstüchtig zu erhalten, sei eine Aufgabe der Landesverteidigung, zu der auch die Beschaffung von Informationen über bevorstehende Angriffe gehöre.

Der Rechtsschutzbeauftragte, den Stadler keineswegs als ein "zahnloses Instrument" sah, stelle ein zusätzliches Angebot an den Bürger dar, er könne für Klarheit sorgen, vermittle zwischen Militär und Betroffenen und stelle eine Art begleitende Kontrolle dar. Zum Thema "unbestimmte Rechtsbegriffe" wies Dr. Stadler darauf hin, dass die Legisvakanz bis 1. Juli 2001 intensiv für Schulungen genutzt werden sollte. - Er sah den Gesetzentwurf positiv und charakterisierte ihn als eine defensive Materie.

Abgeordneter Dr. PILZ (G) schickte voraus, dass er keinerlei Verfassungsbedenken gegenüber militärischer Aufklärung hege, wohl aber gegen militärische Abwehr, da zu bezweifeln sei, dass die Verfolgung gerichtlich zu ahndender Straftatbestände Aufgabe des Militärs sein könne. Die Tätigkeit des Rechtsschutzbeauftragten sah Dr. Pilz durch die Unbestimmtheit zahlreicher Begriffe des Gesetzentwurfes (Gefahr, Verlässlichkeit, Vertrauenswürdigkeit) gefährdet.

Auf spezielle Fragen der Abgeordneten NÜRNBERGER und Dipl.-Ing. KUMMERER (beide S) über die Einrichtung und die Befugnisse des Rechtsschutzbeauftragten sowie nach der Möglichkeit von Lauschangriffen führte Univ.-Prof. Dr. Bernd-Christian FUNK aus, dass der Gesetzentwurf Möglichkeiten zum Lauschangriff eröffne. Als besonders bedenklich stufte der Experte den Umstand ein, dass reine Organisationsdelikte, im Grunde bereits die Bekanntschaft mit einem Mitglied eines Nachrichtendienstes, alle Eingriffsrechte für die militärische Abwehr mobilisieren. Demgegenüber seien die Rechte der Betroffenen schwach ausgebildet. Die Tätigkeit des Rechtsschutzbeauftragten werde unter der unklaren Begrifflichkeit des Gesetzes leiden, außerdem sei er vom Ressort abhängig. Die Rechte der Betroffenen sollten durch starke Rechte im Nachhinein sowie durch Information und die verpflichtende Beseitigung von Datenmüll geschützt werden. - Der Gesetzentwurf gehe zu weit, sei überschießend und führe teilweise nicht zum Ziel, dies könnte auch relevant im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention sein, resümierte Professor Funk.

Verteidigungsminister SCHEIBNER führte demgegenüber das Argument ins Treffen, dass sich der Begriff der Landesverteidigung wandle und untermauerte sein Eintreten für den Eigenschutz des Heeres mit dem Hinweis auf die Situation des Bundesheerkontingents im Kosovo, wo man den Schutz der Einheit in keinem Fall der Sicherheitspolizei überlassen könne.

Der Rechtsschutzbeauftragte sei keineswegs, wie von der Opposition behauptet, zahnlos, er habe sogar mehr Rechte als der zuständige parlamentarische Unterausschuss, was der Minister als ehemaliger Abgeordneter durchaus bedauerte.

Abgeordneter MURAUER (V) wandte sich entschieden dagegen, den Begriff "Gefahr" als unbestimmt zu bezeichnen. Die Mitarbeiter der Nachrichtendienste seien sehr wohl in der Lage zu beurteilen, was eine Gefahr sei und was nicht.

Im weiteren Verlauf der intensiven Debatte erinnerte Abgeordneter Dr. PILZ (G) an die Stapo-Affäre und machte geltend, dass seinen Recherchen zufolge einige berufliche Karrieren in internationalen Organisationen bzw. im öffentlichen Dienst unterbrochen worden seien, weil in den Stapo-Akten der betroffenen Personen falsche Eintragungen waren. Bei der Staatspolizei habe sich mittlerweile viel geändert, meinte Pilz, er glaubt allerdings, dass sich bei den Heeresnachrichtendiensten die Verhältnisse nicht wesentlich von jenen bei der Staatspolizei vor der Reform unterscheiden. Nicht zuletzt aus diesem Grund bereitet es dem Abgeordneten Sorge, dass sowohl private physische Personen als auch alle öffentlichen juristischen Personen der Auskunftspflicht gegenüber dem Heeresnachrichtenamt unterliegen.

Zur Frage des Rechtsschutzbeauftragten legte Pilz eine kurze Stellungnahme von Univ.-Prof. Mayer vor, der die vorgeschlagenen Bestimmungen als verfassungswidrig wertet. Auch seine Fraktionskollegin Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER äußerte entsprechende Bedenken. Ihrer Ansicht nach wäre es im Sinne einer möglichst großen Unabhängigkeit besser, wenn der Rechtsschutzbeauftragte nicht vom Minister, sondern beispielsweise vom Parlament bestellt wird. SP-Abgeordneter Dipl.-Ing. KUMMERER führte aus, der Rechtsschutzbeauftragte könne auch nach Vorliegen des Abänderungsantrages nur eingeschränkt tätig werden.

Dem gegenüber betonte FP-Abgeordneter JUNG, dass die Rechtssicherheit durch das Militärbefugnisgesetz gegenüber dem jetzigen Zustand wesentlich verbessert wird. Abgeordneter Mag. TANCSITS (V) erklärte, der Rechtsschutzbeauftragte sei eine zusätzliche Rechtsschutzeinrichtung, die im Prinzip gar nicht notwendig gewesen wäre. 

Auch Verteidigungsminister SCHEIBNER machte geltend, dass es sich beim Rechtsschutzbeauftragten um eine zusätzliche Rechtsschutzinstanz handle. Es gehe nicht um eine Verschlechterung, sondern um eine Verbesserung der derzeitigen Situation, bekräftigte er. Er hat auch keine Bedenken, dass der Rechtsschutzbeauftragte durch den Bestellmodus zu stark vom Verteidigungsminister abhängig ist, und machte in diesem Zusammenhang geltend, dass auch die Bundesheer-Beschwerdekommission beim Verteidigungsressort angesiedelt sei. "Alles wäre schlechter, als dieses Gesetz jetzt nicht zu beschließen", resümierte Scheibner.

Zu der von mehreren Abgeordneten angesprochenen Abgrenzung der Aufgaben zwischen Sicherheitspolizei und Heeresabwehramt merkte der Minister an, diese sei ganz klar zu ziehen. Das Heeresabwehramt habe die Aufgabe, aufklärend tätig zu werden und Nachrichten zu sammeln.  Liegen konkrete Gefahrenelemente vor, müssten die Sicherheitsbehörden zur Gefahrenabwehr eingeschaltet werden.

Auf eine Frage von Abgeordnetem Pilz, ob die in § 22 normierte unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Heeresabwehramt beispielsweise auch für Sozialversicherungsträger, Kammern, von öffentlichen Körperschaften betriebenen Krankenanstalten oder die Gemeindeämter betreffe, hielt Scheibner fest, dass grundsätzlich alle genannten Institutionen unter diese Bestimmung fallen würden. Im Abänderungsantrag sei aber klar festgelegt, dass sich die zu erteilenden Auskünfte auf Namen, Geschlecht, Wohnsitz, Geburtsort und Geburtsdatum sowie auf die von den militärischen Organen oder Dienststellen zum Gegenstand der Anfrage gemachten Umstände zu beschränken haben. Allgemein unterstrich Scheibner, dass der § 22 den Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes nachempfunden sei.

Ein Vertreter des Verteidungsministeriums nahm zur Frage des Datenschutzes Stellung und erläuterte, dass die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes auch für die vorliegende Materie Gültigkeit hätten. So gebe es hinsichtlich der Verpflichtung zur Löschung von Daten im Gesetz auch keine Sonderregelungen, hier gelte das Datenschutzgesetz uneingeschränkt.

Kurz im Ausschuss angesprochen wurde von den Abgeordneten schließlich auch jener Komplex des Militärbefugnisgesetzes, der mögliche Beschlagnahmungen des Bundesheeres im Krisenfall betrifft. Abgeordneter GAAL (S) kritisierte, dass es keinen taxativen Katalog jener Leistungsgegenstände gebe, die vom Bundesheer beschlagnahmt werden können, und erkundigte sich danach, ob das Bundesheer demnach alles beschlagnahmen könne.

Verteidigungsminister SCHEIBNER führte einleitend dazu aus, dass das Leistungsrecht ausschließlich im Einsatz zum Tragen komme und Übungen nicht betreffe. Aber auch in Krisenfällen sei nicht jedes Privatgut beschlagnahmbar, sondern nur jenes, das zur Auftragserfüllung unbedingt notwendig sei. Zudem seien Geräte des persönlichen, täglichen Bedarfs von dieser Regelung ausgenommen.

In einer abschließenden Beurteilung der Beratungen stellte Abgeordneter Dr. PILZ (G) fest, dass das gesamte Militärbefugnisgesetz sicherheitspolitisch und juristisch nicht sehr gut durchdacht und mit großer Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig sei. Er glaube nicht, dass es vor dem Verfassungsgerichtshof halten werde. Pilz warnte außerdem im Zusammenhang mit den EU-Sanktionen davor, dass jede Maßnahme, die auf eine Einschränkung der demokratischen Rechte und der Bürgerrechte abziele, den negativen Eindruck über die Regierung bei den 14 EU-Partnerländern verstärken werde.

Dazu meinte Abgeordneter PLATTER (V), er habe keine Sorge, dass das vorliegende Gesetz von den anderen EU-Staaten negativ beurteilt wird. Zudem bekräftigte er, dass sich die Koalition mit den Einwänden der Opposition ernsthaft befasst habe. Was die Frage der Verfassungskonformität betrifft, wies Platter darauf hin, dass es dazu unterschiedliche Gutachten gebe. Dieser Argumentation schloss sich auch Verteidigungsminister SCHEIBNER an. (Schluss)