Parlamentskorrespondenz Nr. 394 vom 28.06.2000

VERKEHRSAUSSCHUSS WIRD SICH WEITER MIT MOBILFUNK BEFASSEN

Schmid will generelles Nachtfahrverbot für Lkw nicht ausschließen

Wien (PK) - Das Thema Mobilfunk wird den Nationalrat weiter beschäftigen. Nach einer hochrangig besetzten parlamentarischen Enquete in der letzten Woche, bei der es insbesondere um mögliche gesundheitsschädliche Auswirkungen von Mobilfunk-Einrichtungen und die Frage der Anrainerrechte ging, befasste sich heute der Verkehrsausschuss mit einem entsprechenden Antrag der Grünen auf Änderung des Telekommunikationsgesetzes. Da der Antrag gemeinsam mit einer von Verkehrsminister Schmid heute zur Begutachtung ausgesandten Gesetzesnovelle behandelt werden soll, wurden die Beratungen jedoch nach kurzer Debatte einstimmig vertagt. VP-Verkehrssprecher Helmut Kukacka zeigte sich hinsichtlich der Vorschläge der Grünen aber skeptisch.

Konkret geht es den Grünen darum, Nachbarn und Gemeinden im Bewilligungsverfahren für die Errichtung einer Mobilfunkanlage Parteistellung zu gewähren und das derzeit für die Festsetzung von Strahlen-Grenzwerten maßgebliche "Nachsorgeprinzip" durch ein "Vorsorgeprinzip" zu ersetzen, wie es auch in vielen anderen gesundheitsrelevanten Bereichen zur Anwendung kommt. So sollte eine Bewilligung versagt werden, wenn eine Gesundheitsgefährdung nicht mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden kann oder eine Störung anderer Funkanlagen und Endgeräte droht. Zwangsmaßnahmen zugunsten von Mobilfunkanlagen wie Duldungspflicht oder Enteignung hätten zu entfallen. Darüber hinaus sieht der Antrag vor, dass fünf Prozent des Frequenznutzungsentgelts in einen Forschungsfonds zur Finanzierung einer unabhängigen Technologievoraus- und Technologiebegleitforschung fließen. In der Begründung des Antrages verweisen die Grünen darauf, dass der rasante Ausbau der Mobilfunknetze mit GSM-Technik in den letzten Jahren zu einer massiven Erhöhung der elektromagnetischen Felder geführt hat.

Unter Experten ist die Frage des Gesundheitsrisikos, das von Handys bzw. Mobilfunk-Sendemasten ausgeht, umstritten. Während ein Teil der Fachleute die bestehenden internationalen Grenzwerte, die u.a. auf einer Empfehlung der WHO basieren, als ausreichend zum Schutz der Gesundheit erachtet, warnen andere Forscher davor, negative Auswirkungen elektromagnetischer Felder zu unterschätzen. Sie schließen aufgrund durchgeführter Untersuchungen nicht aus, dass Strahlungen, wie sie von Handys oder Sendemasten ausgehen, Krebsentstehung begünstigen können. Auch zur Frage der Anrainerrechte wurden im Rahmen der Enquete unterschiedliche Standpunkte vertreten.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) betonte in der heutigen Sitzung, dass der Antrag der Grünen dringlich zu behandeln sei, da Österreich im Bereich der Telekommunikation vor einem Technologiesprung stehe. In den nächsten Jahren sei die Errichtung von weiteren 5.000 Sendeanlagen geplant, erklärte sie.

Abgeordneter Mag. KUKACKA (V) brachte einen Antrag auf Vertagung der Beratungen ein und begründete dies damit, dass der Antrag gemeinsam mit einer von Verkehrsminister Schmid heute zur Begutachtung ausgesandten umfangreichen Novelle des Telekommunikationsgesetzes behandelt werden soll. Er hielt jedoch fest, dass die Enquete keine neuen Erkenntnisse gebracht habe. Die österreichischen Strahlen-Grenzwerte bewegten sich im Rahmen der WHO-Empfehlung, es wäre nach Ansicht Kukackas "geradezu absurd" in Österreich Sonderrichtlinien zu schaffen, die es nirgendwo sonst in Europa gebe.

GRÜNE WOLLEN GENERELLES NACHTFAHRVERBOT FÜR LKW ÜBER 7,5 TONNEN

Ebenfalls vertagt, allerdings gegen die Stimmen der Opposition, wurde ein Antrag der Grünen, der auf ein generelles Nachtfahrverbot für Lkw über 7,5 t abzielt. Von diesem Verbot sind derzeit lärmarme Fahrzeuge ausgenommen.

Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) begründete den Antrag ihrer Fraktion damit, dass die Zahl der lärmarmen Lastkraftwagen durch die laufende Erneuerung der Fuhrparks ständig steige. Dadurch würden die ursprünglich positiven Auswirkungen des Nachtfahrverbots wieder zunichte gemacht, die Verringerung des Lärms pro Lkw werde durch die Menge wieder kompensiert. Gerade im Hinblick auf die zu erwartende Senkung der Brenner-Maut sieht Lichtenberger Handlungsbedarf. Die Abgeordnete kann sich aber eventuell vorstellen, ein generelles Nachtfahrverbot für Lkw auf alpine Routen oder Straßen mit hohem Schwerverkehr zu beschränken.

Während Abgeordneter REHEIS seitens der SPÖ den Antrag der Grünen unterstützte, stand Abgeordneter WATTAUL (F) der Forderung eher skeptisch gegenüber. Er gab zu bedenken, dass der Transitverkehr über den Brenner ohnehin durch den Transitvertrag begrenzt sei. Zudem erinnerte er daran, dass der Verfassungsgerichtshof ein generelles Nachtfahrverbot für Lkw auf der Loferer Bundesstraße als verfassungswidrig gewertet habe.

Abgeordneter Mag. KUKACKA (V) meinte, es sei Tatsache, dass Lkw in den letzten Jahren noch lärm- und abgasärmer geworden seien. Seiner Auffassung nach würde ein generelles Nachtfahrverbot nur zu einer verstärkten Morgenspitze im Verkehr und damit auch zu größeren Verkehrssicherheitsproblemen führen. Kukacka zufolge hat ein Pkw, der zwischen 100 und 110 kmh fährt, dieselbe Lärmemission wie ein lärmarmer Lkw mit einer Geschwindigkeit von 60 kmh. Verwundert zeigte sich der Abgeordnete über die "Kehrtwendung" der SPÖ in dieser Frage, schließlich hätten die Sozialdemokraten entsprechende Forderungen der Grünen wiederholt "aus guten Gründen abgelehnt".

Verkehrsminister DI SCHMID hielt fest, aus seiner Sicht wäre weder eine Beschlussfassung des vorliegenden Antrags noch dessen Ablehnung hilfreich. Er will das Thema generelles Nachtfahrverbot bzw. sektorale Fahrverbote für Lkw in Verhandlungen über den Transitvertrag miteinbeziehen. Eine vorweg genommene Entscheidung würde nur seine Verhandlungsposition schwächen, argumentierte der Minister.

Zu Beginn der Sitzung des Verkehrsausschusses hatte Schmid die Abgeordneten in einer Aktuellen Aussprache über aktuelle Fragen aus seinem Ressortbereich informiert, wobei u.a. die Transitfrage und die geplante Einstellung von Nebenbahnen durch die ÖBB zur Sprache kamen. (Fortsetzung)