Parlamentskorrespondenz Nr. 553 vom 11.10.2000

INNENMINISTER PRÄSENTIERT AUSSCHUSS TEILBERICHT ZUR SPITZELAFFÄRE

Strasser: Keine konkreten Aufträge zur Datenabfrage von Politikern

Wien (PK) -  Das Gesprächsthema der heutigen aktuellen Aussprache im Innenausschuss betraf die Spitzelvorwürfe des ehemaligen F-Gewerkschafters Josef Kleindienst in seinem Buch. Innenminister Ernst Strasser teilte in seinem mündlichen Bericht mit, dass er unverzüglich eine Sonderkommission unter der Leitung des oberösterreichischen Sicherheitsdirektors Mag. Heimo Siegel eingerichtet habe, die sich mit der Klärung der Sachverhalte zu befassen hat; dies deshalb, weil sich der Exekutivdienst bei der Untersuchung nicht dem Vorwurf aussetzen soll, unzureichend ermittelt zu haben. Hofrat Siegel genießt volles Vertrauen und wird über Oberösterreichs Grenzen hinweg als seriöser und hervorragender Kriminalist geschätzt, betonte der Ressortleiter.

Sofortmaßnahmen im Bereich des EKIS wurden etwa hinsichtlich der Sicherung der Daten und der Kontrolle des auf Daten zugreifenden Beamten gesetzt. Er, Strasser, habe auf die Überprüfung keinen Einfluss genommen, er habe vielmehr die Kommission unabhängig arbeiten lassen.

Der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Erik Buxbaum ergänzte, Siegel habe sich seine Mitarbeiter für die Kommission selber aussuchen können. Die Kommission habe unverzüglich die Arbeit aufgenommen. Der Ressortleiter habe den Auftrag erteilt, sich mittelfristig um mehr Sicherheit zu kümmern.

An der Aufarbeitung des Materials der zu überprüfenden Anfragen werde intensiv gearbeitet, erklärte Heimo Siegel und fügte hinzu, dass in der Kommission Personen, die in den vergangenen Jahren einschlägige Amtshandlungen durchgeführt haben und die Technik der Anlage beherrschen, sitzen.

Im Zusammenhang mit der Frage der Abgeordneten Helene Partik-Pable (F) hinsichtlich des Zeithorizonts für das endgültige Ergebnis der Untersuchung verwies der Innenminister darauf, dass dieser von zusätzlichen Informationen abhänge. In den "Bereich der Fabel" gehört für den Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit das Gerücht, dass die Mindestpunkteanzahl für die Aufnahme in den Polizeidienst gesenkt wurde.

Die konkrete Frage des S-Abgeordneten Günter Kiermaier nach Bestehen weiterer Informationssysteme mit personenbezogenen Daten wurde von Erik Buxbaum bejaht.

Abgeordneter Peter Westenthaler (F) wollte wissen: Gibt es nach derzeitigem Stand der Erhebungen konkrete Beweise für Aufträge von Politikern, auch F-Politikern, zur Beschaffung personenbezogener Daten? Stimmt es, dass es eine einzige Suspendierung eines Beamten wegen illegaler Datenabfrage und Weitergabe gibt? Ist es üblich, dass ein Beamter für zehn Jahre karenziert wird?

Innenminister Strasser verneinte die Frage, dass es konkrete Aufträge von Politikern zur Beschaffung personenbezogener Daten gibt, gab bekannt, dass die Causa Pilz - Abgeordneter Pilz hat vertrauliche Daten an die Öffentlichkeit getragen - untersucht werde, und sprach davon, dass eine Karenzierung bis zu zehn Jahren möglich, wenn auch unüblich ist.

Eine Weiterentwicklung des Datensicherungssystems stellte der Minister gegenüber V-Abgeordnetem Murauer in Aussicht, will man etwage "schwarze Schafe" rasch ausgliedern und zur Verantwortung ziehen. Der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit fügte an, das System sei technisch perfekt, man wolle aber - selbst bei über 90 Abfragen pro Minute österreichweit - den Missbrauch minimieren.

S-Abgeordnetem Emmerich Schwemlein teilte Strasser mit, der an die Kommission ergangene Auftrag umfasse die Prüfung aller strafrechtlich relevanten Bereiche, die mit der unzulässigen Weitergabe von personenbezogenen Daten im Zusammenhang stehen einschließlich der Vorwürfe, dass für Daten bezahlt wurde.

Für die Struktur der Negativliste, die unterschiedlichen Zugriffsberechtigungen, die Eingrenzung der Untersuchung auf die Funkstelle Wien und für das ehemalige Kommunikationsbüro der FPÖ in der Reichsratsstraße interessierte sich G-Abgeordneter Peter Pilz. Eine Eingrenzung der Ermittlungen auf die Wiener Funkstelle wurde vom oberösterreichischen Sicherheitsdirektor nicht bestätigt, vielmehr musste man mit einer Funkstelle beginnen.

Nach Ansicht von Abgeordnetem Eduard Mainoni (F) ist nach derzeitigem Erkenntnisstand aus dem Buch von Kleindienst "nichts herauszuholen".

Abgeordneter Peter Kostelka wünschte Auskunft darüber, welchen Inhalt der Bericht an die Staatsanwaltschaft habe und gegen wie viele Mitglieder des Innenausschusses Untersuchungen laufen. Die Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft umfasse 11 Seiten plus drei Beilagen. Ermittlungen laufen gegen zwei Mitglieder des Ausschusses.

Abgeordneter Kiss zog seine persönliche Schlussfolgerung aus der Aussprache und sagte: 32.000 Exekutivbeamte werden mit der Punze, ich misstraue dir, von der SPÖ versehen. All das, was heute zur Sprache kam, stammt aus einer Zeit, für die SPÖ-Innenminister die politische Verantwortung tragen; auch für die Karenzierung von Kleindienst, die in die Ministerzeit von Karl Schlögl fällt. Der jetzige Innenminister hingegen sorge für eine lückenlose Aufklärung.

In seiner Wortmeldung widersprach Ausschussobmann Anton Leikam Abgeordnetem Kiss und strich heraus, dass kein einziger Redner die 32.000 Exekutivbeamten verunglimpft habe.

Abgeordnete Gisela Wurm (S) meinte zu ihrer Ansicht nach vorschnellen Beschwichtigungsversuchen der Abgeordneten Kiss (V) und Mainoni (F), zum jetzigen Zeitpunkt könne niemand wissen, was bei den Ermittlungen herauskomme. Sie sieht jedenfalls gravierende Verdachtsmomente. Ihr Fraktionskollege Anton Gaal bekräftigte, entgegen Behauptungen von VP-Abgeordnetem Kiss hege die SPÖ kein Misstrauen gegenüber der Exekutive, vielmehr hätten Innenminister Strasser und die ermittelnden Beamten das vollste Vertrauen seiner Fraktion.

F-Abgeordneter Eduard Mainoni stellte klar, dass jener Salzburger Polizeibeamte, gegen den in der Vergangenheit wegen "Datenklau" ermittelt worden war, rechtskräftig frei gesprochen wurde.

Abgeordneter Werner Miedl (V) erklärte, die Polizei werde sich auch auf internationaler Ebene Gedanken machen müssen, wie sie ihre Daten wirkungsvoll schützen könne. Das sei kein rein österreichisches Problem. Mit der Vorgangsweise von Innenminister Strasser zeigte er sich persönlich sehr zufrieden.

Innenminister Strasser verweigerte auch auf wiederholtes Nachfragen mehrerer Abgeordneter die Nennung jener Namen, die im Bericht an die Staatsanwaltschaft vorkommen, und lehnte es auch ab, den Bericht an die Staatsanwaltschaft nach Unkenntlichmachung der Namen in Kopie an die Abgeordneten zu verteilen, wie dies Grün-Abgeordneter Peter Pilz angeregt hatte.

Auf eine konkrete Anfrage von Pilz versicherte der Minister, dass es seines Wissens nach keine Ermittlungen gegen den Grün-Abgeordneten gebe. Allerdings sei das Faktum, dass nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesene Daten von Pilz präsentiert worden seien, Gegenstand einer Untersuchung.

Zweifel, die Abgeordneter Helmut Dietachmayr (S) mit Hinweis auf einen Artikel in der Zeitschrift "Format" gegenüber dem Leiter der Sonderkommission Heimo Siegel geltend gemacht hatte, wies Strasser zurück. Siegel sei ein über die österreichischen Grenzen hinaus anerkannter Top-Kriminalist, der höchst professionell an die Aufgabe herangehe, unterstrich er.

Heimo Siegel teilte auf eine Anfrage von SPÖ-Abgeordneter Gisela Wurm mit, dass mit Kleindienst ein erstes Gespräch stattgefunden habe, das aber ohne konkrete Ergebnisse verlaufen sei. Innenminister Strasser hielt dazu fest, Kleindienst sei "herzlich eingeladen", die von ihm behaupteten hunderten illegalen Abfragen und die Auftraggeber zu nennen. (Schluss)