Parlamentskorrespondenz Nr. 597 vom 30.10.2000

NATIONALRATSDEBATTE ÜBER SOZIALPOLITIK UND SPITZELAFFÄRE

Opposition will Untersuchungsausschuss und Ablöse Böhmdorfers

Wien (PK) - Die Vorstellung des neuen Sozialministers Mag. Herbert HAUPT und eine daran anknüpfende Sozialdebatte, zwei Anträge der Oppositionsfraktionen auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Spitzelaffäre und Misstrauensanträge der Oppositionsfraktionen gegen Justizminister Dr. Dieter BÖHMDORFER bestimmten die heutige Sondersitzung des Nationalrats.

Eingangs der Sitzung teilte der Vorsitz führende Zweite Präsident des Nationalrats, DI PRINZHORN, zunächst mit, dass die F-Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Harald Fischl auf ihre Mandate verzichtet haben. An ihrer Stelle wurden die Abgeordneten Ing. Kurt SCHEUCH und Mag. Gerhard HETZL angelobt.

Dann gab der vorsitzführende Präsident die Vorlage zweier Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in der Spitzelaffäre bekannt. G-Abgeordneter Dr. Pilz verlangte die "Untersuchung der Verantwortlichkeit des Innenministers für die illegale Weitergabe von Daten aus seinem Ressortbereich und für Organisationsmängel im Bereich der Sicherheitsbehörden, die dazu geführt haben, dass jahrelang unbemerkt personenbezogene Daten an nicht Berechtigte weitergegeben wurden."

SP-Abgeordneter Dr. Gusenbauer wollte "Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der Weitergabe von Polizeidaten an Dritte und der systematischen Bespitzelung durch Angehörige des Sicherheitsapparats und Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit diesen Sachverhalten". - Debatten und Abstimmungen über die beiden  Anträge finden nach Erledigung der Tagesordnung statt.

VORSTELLUNG DES NEUEN SOZIALMINISTERS

Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL stellte eingangs seiner Erklärung zur jüngst erfolgten Regierungsumbildung fest, die Sozialpolitik sei während der letzten neun Monaten im Zentrum der Politik gestanden und dies werde auch für den Rest der Gesetzgebungsperiode so bleiben. Schüssel erinnerte an die Pensionsreform 2000, mit der das Pensionssystem an die demografische Entwicklung angepasst und dringliche Strukturreformen in Angriff genommen wurden. Die Pensionen wurden gesichert, der Jugend wurde eine Chance auf eine eigene Pension erhalten und gleichzeitig der Bundeszuschuss zu den Pensionen halbiert. Das Eintrittsalter für Pensionisten wurde unter Einbeziehung aller Berufsgruppen erhöht, sagte Schüssel, der ein nachdrückliches Bekenntnis zur "Systempflege" ablegte. "Denn wer behauptet, die Pensionen seien auf jeden Fall gesichert, der sagt nicht die Wahrheit."

Die massive Kritik der Opposition an der Sozialpolitik wies der Bundeskanzler mit dem Hinweis darauf zurück, dass der Arbeitsmarkt nicht, wie behauptet, beeinträchtigt wurde, sondern die Arbeitslosigkeit im Gegenteil abnehme, während die Beschäftigung auf 3,1 Millionen unselbständig Beschäftigte gestiegen sei und 2001 weiter zunehmen werde. Davon profitierten insbesondere die älteren Menschen, deren Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt um 22 % abgenommen habe.

In seinen weiteren Ausführungen erläuterte der Bundeskanzler die Ergebnisse der Überprüfung der Treffsicherheit im Sozialsystem aufgrund wissenschaftlicher Expertisen und die Einsparungen um 5 Mrd. S oder 0,7 % der gesamten Sozialausgaben in der Höhe von 760 Mrd. S. Schüssel dankte Sozialministerin Sickl für die Bewältigung dieser schwierigen Aufgaben. "Es war wichtig, was sie für unser Land getan hat".

Ihren Nachfolger Herbert Haupt brauche man im Nationalrat nicht vorstellen, sagte Schüssel, er sei ein langjähriger Abgeordneter mit einem fundierten Zugang zum Thema Sozialpolitik, der sich eine Reihe wichtiger Themen vorgenommen habe. Es gehe um die Optimierung der Gesundheitsverwaltung und die Entwicklung einer Gesundheitskarte für die Patienten. Dabei traue er Haupt zu, Tabus zur Diskussion zu stellen, sagte Schüssel und sprach die Notwendigkeit einer Krankenkassenreform an, um die Versicherten nicht über das Notwendige hinaus zu belasten. Wichtig sei auch die Behindertenpolitik, da tausende Behinderte derzeit keinen Arbeitsplatz haben.

Kein Problem habe der Bundeskanzler damit, wenn künftig ein Mann "Frauenminister" sei, denn "jeder kann Männer- oder Frauenpolitik machen". Wichtig sei der Inhalt: Von den 70 Mrd. S für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen stehen mehr als 50 % für Frauen zur Verfügung, davon 2 Mrd. S zur Förderung von Frauen in nicht traditionellen Berufsfeldern, merkte Schüssel an.

Dann wechselte der Bundeskanzler das Thema und setzte sich mit den schwerwiegenden Anschuldigungen auseinander, die im Zusammenhang mit der Spitzelaffäre in der Öffentlichkeit erhoben werden. Schüssel bekannte sich dazu, dass diese Vorwürfe von unabhängigen Gerichten und nicht von einer "Politjustiz" untersucht werden, weiters hielt er fest, dass die Unschuldsvermutung für jedermann, auch für Politiker und Polizisten, zu gelten habe. "Ja zur Untersuchung, aber nein zur Vorverurteilung", heißt der Grundsatz Schüssels.

Er traue dem unabhängigen Justizminister, der kein Parteimitglied sei, zu, die Justizbehörden unbeeinflusst und ohne Weisungen untersuchen zu lassen. Er traue es dem Innenminister zu, die Polizei- und Sicherheitsbehörden unbeeinflusst erheben zu lassen, dann die Konsequenzen zu ziehen und dabei den gleichen Reformeifer Einzug halten zu lassen, wie dies in den anderen Bereichen selbstverständlich geworden sei, führte der Bundeskanzler aus.

Den Vorwurf von SP-Vorsitzendem Gusenbauer, er, Schüssel, sei "völlig von Sinnen", wenn er die politische Verantwortung der ehemaligen SP-Innenminister in der Spitzelaffäre releviere, wies der Bundeskanzler mit dem Hinweis auf eine Reihe offener Fragen entschieden zurück und nannte Abfragen durch Beamte, ohne dafür einen Grund angeben zu können sowie EKIS-Abfragen unter der Dienstnummer von Polizeigewerkschaftern. Für aufklärungsbedürftig hält Schüssel auch die Frage, ob die Datei über Geisteskranke tatsächlich - wie vom Nationalrat beschlossen - gelöscht wurde und warum im EKIS getilgte Strafregistereinträge aufscheinen. Wenn Gefahren, wie Minister Schlögl zugab, seit 1997 bekannt waren, "hat das die Justiz zu klären und der Innenminister die Konsequenzen zu ziehen. Dazu stehen wir", schloss Bundeskanzler Schüssel.

Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) konfrontierte Bundeskanzler Schüssel mit dem Vorwurf, eine Ära der Wählertäuschung eingeleitet zu haben. Während die Regierung behaupte, zwei Drittel der Menschen mit ihrem Sparpaket nicht zu belasten, sei genau das Gegenteil wahr - zwei Drittel, vor allem sozial Schwache, Arbeitslose und Unfallrentner, würden massiv belastet. Während die Bundesregierung behaupte, zu sparen, plane sie Rekordausgaben und schraube die Abgaben- und Steuerquote auf einen Höchststand.

Auch finde die Regierungsumbildung nicht etwa deshalb statt, weil sich die Sozialministerin als völlig überfordert und unqualifiziert erwiesen habe, sondern weil die Regierung jetzt ein Ablenkungsmanöver brauche. Der neue Sozialminister sei keine Alternative, er habe das Sozialpaket dieser Bundesregierung mitverhandelt und trage die Verantwortung für den sozialpolitischen Kahlschlag. Der SPÖ wolle keinen "Austausch von Gesichtern, sondern eine Wende in der Sozialpolitik".

Mit dem Spitzelskandal sah der SP-Vorsitzende die Dämmerstunde dieser Bundesregierung eingeläutet. Die FPÖ bezahle Exekutivbeamte dafür, Kritiker der Regierung zu bespitzeln. Dabei lasse die Bundesregierung keinerlei Unrechtsbewusstsein erkennen. Statt rückhaltlos für Aufklärung einzutreten, würden Verschwörungstheorien geschmiedet. Es gebe aber kein böses Komplott, denn es lägen genügend Dokumente vor, auf deren Basis die Staatsanwaltschaft Vorerhebungen gegen einzelne FPÖ-Politiker eingeleitet hat. Diese Dokumente habe Bundeskanzler Schüssel geleugnet.

Auch der amtierende Justizminister, jahrelang das "juristische Schwert Jörg Haiders", sei in den Geruch geraten, an diesem Skandal beteiligt zu sein, indem er als Rechtsanwalt illegal beschaffte Daten in Prozessen verwendet habe. Gusenbauer sah darin eine eklatante Unvereinbarkeit und brachte einen Misstrauensantrag seiner Fraktion gegen Justizminister Dr. Böhmdorfer ein.

Statt eine blau-schwarze Propagandarede zu halten, hätte sich der Bundeskanzler mit dieser Krise der Bundesregierung, für die er eine Gesamtverantwortung trage, auseinandersetzen müssen. Er hätte, so Gusenbauer, das Staatsbewusstsein über die Koalitionstreue stellen müssen. "Das haben Sie mit ihrer heutigen Rede unterlassen".

"Licht ins Dunkel", so die Überzeugung Gusenbauers, könne nur ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss bringen. Die Koalition aber agiere doppelbödig, sie behaupte, an Aufklärung interessiert zu sein, stimme gleichzeitig aber Anträge auf Untersuchungsausschüsse nieder.

Abgeordneter Ing. WESTENTHALER (F) konnte die behauptete Staatskrise nicht erkennen und sah weit und breit nur eine Krise der SPÖ, die 350 Mill. S Schulden habe und bei der Landtagswahl in der Steiermark ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren habe. Demgegenüber habe die neue Bundesregierung die Wende weg von der Verschuldungs- und Belastungspolitik geschafft und eine unsoziale Politik beendet, in der das Karenzgeld, das Pflegegeld und das Taschengeld von Pflegebedürftigen gekürzt wurde. Der neue Sozialminister Herbert Haupt, ein ausgewiesener Sozialexperte, stehe für sozial gerechte Reformen. Es gebe eine sehr erfolgreiche "Frau Landeshauptmann", er sei überzeugt, dass es auch einen sehr erfolgreichen "Herrn Frauenminister" geben werde, sagte Klubobmann Westenthaler.

Die Spitzelaffäre sei keine Staatskrise, sondern ein Skandal, der im Sumpf dreißigjähriger sozialistischer Herrschaft im Innenministerium gewachsen sei. Abgeordneter Gusenbauer wolle sich aber in der Opferrolle präsentieren. Die Abfrage über Gusenbauer, von der in der Öffentlichkeit breit berichtet wurde, habe sich, so Westenthaler, aber als nichts anderes herausgestellt als die "Erkundigung eines Schulkollegen, der wissen wollte, ob Gusenbauer wirklich so alt sei, wie er ausschaut".

Endgültige Untersuchungsergebnisse lägen noch nicht vor, dass die SPÖ aber kein Spitzelopfer sei, sei ebenso klar wie die Tatsache, dass es für ihre Anschuldigen keine Beweise gebe. Es bestünde kein Beweis für die Aufzeichnung von Telefongesprächen aufgrund bestimmter Stichworte. In Luft aufgelöst hätten sich auch Versuche, Jörg Haider zu kriminalisieren. Die Vorwürfe seien nichts anderes als "pure Hetzjagd gegen einen erfolgreichen Politiker". Wenn die SPÖ keine Argumente mehr habe, "geht sie in die Menschenverachtung". "Das ist die Schmutzkübelpolitik, von der sich die Jugend und die Menschen in diesem Land abwenden", schloss FP-Klubobmann Westenthaler.

Eine der ersten Taten der Bundesregierung sei es gewesen, das Frauenministerium und die Frauenministerin selbst abzuschaffen, meinte Abgeordneter Dr. PILZ (G). Er bezweifelte, ob es das richtige Signal war, den Tierarzt Haupt aus Spittal an der Drau, der ein fachlich durchaus diskussionswürdiger Kollege sei, zum Nachlassverwalter der Frauenpolitik dieser Bundesregierung zu machen. Kritik übte Pilz auch daran, dass der neue Minister Haupt viele Antworten schuldig geblieben sei, etwa auf die Frage wie es nach dem "Grasser-Paket" mit den Unfallrentnerinnen, den arbeitslosen Frauen, den Saisonarbeiterinnen und den Studentinnen weitergehen solle.

Sodann kam Pilz in seiner Wortmeldung auf die Spitzelaffäre zu sprechen und fragte Haupt, wie er als Sozialminister die "sensibelsten Daten der Republik" sichern werde. Es sei besorgniserregend, dass der Verteidigungsminister aufgrund der beiden "Überwachungsstaatgesetze" befugt sei, ohne jede Begründung auf persönliche Daten - von den Gemeinden bis hin zu den Sozialversicherungsanstalten - zuzugreifen. Angesichts der Diskussion über einen illegalen freiheitlichen Spitzelring wäre es an der Zeit gewesen, Justizminister Böhmdorfer abzulösen, forderte Pilz den Bundeskanzler auf. Auch mit seiner Aussage - "Jörg Haider ist über jeden Zweifel erhaben" - signalisiere der Justizminister dem ermittelnden Staatsanwalt, dass er von seinen Vorerhebungen nichts halte. Das sei politische Freunderlwirtschaft an der Spitze des Ressorts, kritisierte Pilz.

In dieser Debatte gehe es nicht um den Missbrauch geschützter Daten, sondern um die zukünftigen Weichenstellungen in der österreichischen Wirtschafts- und Sozialpolitik, hielt Abgeordneter Dr. FEURSTEIN (F) seinem Vorredner entgegen. Es sei daher auch mehr als bedauerlich, dass Gusenbauer dazu nichts zu sagen hatte. Als unglaublich und unerhört bezeichnete Feurstein die Aussage von Dr. Pilz, dass der Sozial- und der Verteidigungsminister Zugang zu den Individualdaten der Sozialversicherung hätten.

Die Opposition müsse zur Kenntnis nehmen, dass die Arbeit der Bundesregierung in den vergangenen neun Monaten von der Bevölkerung positiv bewertet wurde, da eine eindeutige Trendwende vor allem in den Bereichen Staatsverschuldung und Pensionen eingeleitet wurde. Aber auch die Beschäftigungssituation habe sich entscheidend verbessert, unterstrich Feurstein. Großes Augenmerk werde zudem auf die soziale Treffsicherheit der Maßnahmen gelegt, weshalb das Arbeitslosengeld für Bezieher niedrigerer Einkommen angehoben wurde. Er sei auch davon überzeugt, dass für die Gruppe der Saisonarbeitskräfte eine gerechte Gestaltung der Sozialversicherungsregelungen gefunden werden könne. Weitere wichtige Aufgaben, die auf den Sozialminister zukommen, seien die Sanierung der Krankenkassen sowie die Verbesserung der Beschäftigungssituation der behinderten Menschen.

In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordneter Dr. PILZ (G) gegenüber seinem Vorredner klar, dass der Bundesminister für Landesverteidigung sehr wohl Zugriff auf sensible Daten im Bereich der Sozialversicherung habe und zitierte in diesem Zusammenhang den Paragraph 22 des im Juni beschlossenen Militärbefugnisgesetzes.

In einer persönlichen Erwiderung erklärte Abgeordneter Dr. FEURSTEIN (V), dass es keinen direkten Zugriff auf Daten der Sozialversicherung gebe.

Abgeordneter Mag. MAIER (S) widersprach dieser Aussage und berichtigte tatsächlich: "Richtig ist vielmehr, dass in Österreich mehrere tausend Personen auf die über 90 Millionen Daten der Sozialversicherung einen Zugriff haben." Über einen Vertrag des Hauptverbandes mit dem Innenministerium hätten nämlich einzelne Beamte einen direkten Zugriff auf Sozialversicherungsdaten; und dies wurde auch in der Sitzung des Datenschutzrates bestätigt.

Bundesminister Mag. HAUPT wies eingangs darauf hin, dass er vor nicht ganz einer Woche als Minister für Soziales und Generationen vom Bundespräsidenten angelobt wurde. Die Frauenangelegenheiten sind für ihn selbstverständlich wichtige Angelegenheiten seines Ressorts. Seiner Auffassung nach sollte ein Grundkonsens dahingehend gefunden werden, dass die Sozialpolitik sowie die Sicherheitspolitik die Grundfundamente darstellen. Für ihn stehe eine gerechte und gesunde Sozialpolitik im Mittelpunkt, die alle Interessen der Menschen - vom Kleinkind bis zum Großpapa, von der Schülerin bis zur Oma - berücksichtige. Er wisse natürlich, welche Symbolkraft die Funktion einer Frauenministerin habe. Andererseits müsse man aber auch sehen, dass die Frauenpolitik nur während einer sehr kurzen Phase, nämlich von 1990 bis 1994, tatsächliche Verbesserungen bei den Einkommen und Pensionen brachte. Er sei davon überzeugt, dass die Frauen in diesem Lande erst dann vollständig integriert sind und Beruf und Familie erst dann vereinbaren können, wenn sie über die notwendigen finanziellen Ressourcen verfügen.

Da sich die Debatte neben der Frauenpolitik auch auf die Datenschutzpolitik zugespitzt habe, nahm Haupt auch zur so genannten Spitzelaffäre Stellung. Er sei daran interessiert, dass diese Problematik umfassend, genau und rechtsstaatlich überprüft werde, denn die Datensicherheit sei ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung. Allerdings appelliere er, dass mit den in der Öffentlichkeit stehenden Personen fair umgegangen und Rücksicht auf ihre Familien genommen werde. Man dürfe daher nicht vergessen, dass auch für den Kärntner Landeshauptmann die Unschuldsvermutung gelte.

In der Folge bedankte sich Haupt bei der ausgeschiedenen Sozialministerin Sickl, die in ihrer Amtszeit die wichtige Pensionsreform umgesetzt habe. Was die Frage der Saisonarbeitskräfte betrifft, so sei er davon überzeugt, dass gemeinsam mit Minister Bartenstein eine sozial ausgewogene Lösung gefunden werde. Weiters arbeite sein Ressort an der Umsetzung des Kindergeldes, wobei sich die Vorbereitungen bereits in der Endphase befinden. Durch die Erhöhung der Zuverdienstgrenzen sowie die Forcierung von Ausbildungsmaßnahmen werden wichtige Instrumente geschaffen, um den beruflichen Wiedereinstieg von Frauen zu erleichtern. Als weitere Schwerpunkte nannte der Sozialminister den Konsumentenschutz und die Behindertenpolitik, zumal er selbst aufgrund seiner Hepatitis-Erkrankung ein Betroffener sei.

Er teile die Ansicht des neuen Sozialministers, dass ein Grundkonsens in der Sozialpolitik erstrebenswert wäre, sagte Abgeordneter EDLINGER (S). Haupt habe allerdings nicht ausgeführt, wie er nun zur Sozialpartnerschaft, d.h. den Arbeiterkammern, den Gewerkschaften und den Sozialversicherungen stehe. Nach Meinung von Edlinger lassen die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung befürchten, dass es nicht darum gehe, sozial gerecht vorzugehen, sondern die sozial Schwachen zu treffen. Er könne nämlich nicht sehen, dass jene Menschen, die weniger als 30.000 S im Monat verdienen, vom Paket der sozialen Grausamkeiten verschont bleiben. Zudem hätten es die ÖVP und die FPÖ in nur wenigen Monaten geschafft, in der Frauenpolitik die Weichen in Richtung Steinzeit zu stellen. Interessant sei auch, dass sich Haupt so intensiv mit der Spitzelaffäre beschäftigt habe. Tagtäglich tauchten neue Hinweise auf, dass die FPÖ innerhalb der österreichischen Polizei ein Spitzelnetz aufgebaut habe, um damit politische Gegner, aber auch unbescholtene Bürger zu überwachen.

Abgeordneter GAUGG (F) prangerte die in den letzten 30 Jahren von den Sozialdemokraten gemachte Politik an, die von einem hohen Schuldenstand und geringen Leistungen geprägt war, machte darauf aufmerksam, dass die derzeit explodierenden Benzinpreise und der an "Schwindsucht leidende" Euro vor allem die sozial Schwächeren trifft, und erwartet sich von Minister Haupt, dass er die berufliche und finanzielle Besserstellung von Frauen erreichen, den Kinderscheck umsetzen und die Behindertenmilliarde verwirklichen kann. Geplant sind zudem die Zusammenlegung von Sozialversicherungsanstalten, die Einführung des Drei-Säulen-Modells und das Durchrechnungsmodell für Saisonbedienstete. Viel Arbeit steht an, sagte Gaugg und forderte die SPÖ auf, ihren Widerstand aufzugeben und im Interesse der Republik mitzuarbeiten.

Abgeordnete Mag. PETROVIC (G) bescheinigt dem neuen Minister Fachwissen und glaubt daher nicht, dass Haupt unbekannt ist, dass die Pensionsreform einseitig zu Lasten der Frauen wirkt, dass auf Bundesebene das Geld für Kinderbetreuungseinrichtungen gestrichen wurde und in die häusliche Kinderbetreuung investiert wird. Auch stehe den Frauen nach der Karenz kein Weiterbildungsgeld mehr zur Verfügung. In Hinkunft gibt es laut Petrovic nur mehr ein einziges Kriterium hinsichtlich der sozialen Sicherheit von Frauen: die Geburt eines Kindes.

Wenn das, was in den Medien über den Datenmissbrauch steht, stimmt, dann handelt es sich um einen Skandal, der aufgeklärt gehört, betonte V-Abgeordneter Dr. KHOL und fügte hinzu, dass alle Missbräuche in die Zeit sozialistischer Innenminister fallen. Vor allem Ex-Innenminister Schlögl, der zugab, während seiner Zeit habe es Untersuchungen, Anzeigen an die Staatsanwaltschaft sowie Verurteilungen und Freisprüche gegeben, trage die politische Verantwortung dafür. Nun seien unbeeinflusst von der Politik Untersuchungen durchzuführen und deren Ergebnisse abzuwarten.

Vizekanzlerin Dr. RIESS-PASSER zeigt sich erfreut über die Tatsache, dass der neue Sozialminister von allen Fraktionen als Fachmann anerkannt und respektiert wird. Der einzige Vorwurf, den man ihm mache, sei, dass er ein Mann ist, meinte das Regierungsmitglied und strich zugleich heraus, dass verantwortungsvolle Frauenpolitik nicht davon abhänge, wer sie mache, sondern wie sie gemacht werde. Sodann kam die Vizekanzlerin auf das Ziel der Attacken der letzten Jahre, auf Jörg Haider, bei dem man zur "Methode der persönlichen Ehrabschneidung" greife, zu sprechen und machte darauf aufmerksam, dass sich alle gegen ihn erhobenen Anschuldigungen als falsch erwiesen hätten. Zugleich appellierte die Rednerin an die S-Fraktion, bei all ihren Angriffen auf Haider zu bedenken, dass der Kärntner Landeshauptmann "Familienvater mit Frau und Kindern" ist.

Im Zusammenhang mit der Spitzelaffäre nannte Riess-Passer die Vorwürfe gegen die FPÖ "absurd", sei doch Jörg Haider der meist abgefragte Politiker in unserem Land. Hinterfragt werden müssen vielmehr 30 Jahre sozialistischer Innenminister.

S-Abgeordnete Mag. PRAMMER präsentierte Tafeln, auf denen bisherige Errungenschaften für die Frauen aufgezeigt und den Veränderungen ab dem Jahr 2000 gegenübergestellt wurden. Die Rednerin schloss daraus, dass die Frauen wieder zurück an den Herd sollen, unterstrich, dass die neue Besteuerung die Besserverdienenden bevorzuge sowie die Einführung von Studiengebühren und Aufnahmeprüfungen vor allem Frauen benachteilige, und machte darauf aufmerksam, dass bestehende Förderungen bei Gewaltschutzeinrichtungen gekürzt werden. Befürchtet wird von der ehemaligen Frauenministerin auch, dass die jetzige Regelung des Schwangerschaftsabbruchs aufgehoben werde.

Abgeordneter Dr. OFNER (F) verstand die Aufregung um einen männlichen Frauenminister nicht, sei Haupt doch nicht der einzige Minister in Europa, der Frauenanliegen vertritt. Dass die Entscheidung der ÖVP richtig war, mit der FPÖ eine Koalition einzugehen und Programme gemeinsam umzusetzen, begründete Ofner mit dem Ausgang der Landtagswahl in der Steiermark, wo die ÖVP gut abgeschnitten habe.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) meinte eingangs in einer Replik auf die Vizekanzlerin, wenn einer das Instrument der Verleumdung als politisches Mittel verwendet habe, dann sei dies der gegenwärtige Kärntner Landeshauptmann gewesen, der erst heute erklärt habe, die sogenannte Spitzelaffäre sei in "den kranken Gehirnen" einiger Journalisten entstanden. Und so jemand befinde sich im Koalitionsausschuss.

Sodann befasste sich der Redner mit den juristischen Aspekten dieser Affäre und brachte einen Entschließungsantrag ein, der Bundeskanzler möge dem Bundespräsidenten gemäß Art. 70 BV-G vorschlagen, den Justizminister von seinem Amt zu entbinden. In diesem Zusammenhang kritisierte Van der Bellen, dass der Bundeskanzler sich durch sein Schweigen schützend vor den Justizminister stelle. Die VP decke hier untolerierbare Zustände, beklagte der Redner abschließend.

Abgeordneter DONABAUER (V) mahnte mehr Sachlichkeit in dieser Diskussion ein und forderte die Opposition auf, den neuen Minister arbeiten zu lassen. Die Regierung habe sich zahlreiche Reformen vorgenommen und werde diese auch umsetzen. Den neuen Minister kenne er als versierten Politiker, dem er für die Zukunft alles Gute wünsche. Der Redner schloss mit einem Themenkatalog von politischen Vorhaben, bei denen die Regierung Verbesserungen plane.

Abgeordneter VERZETNITSCH (S) sprach eingangs zur Problematik der Mitversicherung. Wolle man die Regierung an ihren Taten messen, so konstatiere man einen grundlegenden Widerspruch zwischen den Aussagen der Regierung einerseits und ihrer Politik andererseits. Der Redner nannte zahlreiche Detailpunkte, in denen die Regierung seines Erachtens soziale Gerechtigkeit vermissen lasse. Konkret forderte er den Sozialminister auf, den Grundsatz "gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit" umzusetzen. Außerdem plädierte er für längere Begutachtungszeiten bei Regierungsvorlagen.

Abgeordnete HALLER (F) wies auf die Medienberichte hin, die dem neuen Minister querbeet Kompetenz bescheinigten. Als Kritik bleibe somit nur, dass er als Mann nun Frauenminister sei. Vielleicht liege darin auch ein Grund für die Erfolglosigkeit der SP-Frauenpolitik, denn die F hätten sich im Gegensatz dazu immer dafür eingesetzt, Frauenpolitik gemeinsam mit den Männern zu machen. Es sei nicht entscheidend wer Frauenpolitik mache, sondern wie sie gemacht werde. Haupt werde seine Sache jedenfalls gut machen, zeigte sich Haller überzeugt.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) meinte, es sei die Frauenpolitik dieser Regierung schlechthin, die das Problem darstelle. Insofern sei die Ernennung eines Mannes nur die logische Weiterentwicklung dieser Politik. So habe seine Vorgängerin stets den Eindruck erweckt, sie sei nur das Sprachrohr einer Politik, die von Männern gemacht werde, wofür Stoisits konkrete Beispiele nannte. Den neuen Frauenminister forderte sie auf, tatsächlich Politik im Sinne der Frauen zu machen. Zur Spitzelaffäre forderte Stoisits neuerlich einen Untersuchungsausschuss.

Abgeordneter Dr. MITTERLEHNER (V) stellt in Frage, dass Frauenpolitik nur von Frauen vertreten werden könne - denn sonst könnte Jugendpolitik nur von Jugendlichen, Seniorenpolitik nur von Senioren gemacht werden. Man solle den neuen Minister erst einmal arbeiten lassen. Die neue Regierung habe das nötige Reformwerk engagiert in Angriff genommen, die Wirtschaft vertraue ihr, die düsteren Vorhersagen der Opposition hätten sich nicht bewahrheitet, schloss der Redner.

Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) betonte, in der Vergangenheit habe man das Frauenministerium bewusst mit einer Frau besetzt, nicht nur des Geschlechts wegen, sondern weil man eine Repräsentantin der Frauenbewegung in diesem Amt haben wollte. Sie sieht in der Bestellung Haupts zum Frauenminister ein Symbol für das Ende einer eigenständigen Frauenpolitik. Kuntzl zufolge will die Koalition Frauen in neue Abhängigkeiten drängen und in den letzten Jahren erkämpfte Errungenschaften für Frauen wieder rückgängig machen. In der Datenmissbrauchsaffäre plädierte sie für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Abgeordneter DOLINSCHEK (F) hielt fest, eine Regierungsumbildung sei nichts Außergewöhnliches. Die Kritik an der Bestellung Haupts zum Frauenminister versteht er, wie er sagte, nicht, und meinte, mit dem gleichen Argument müsste man die Bestellung eines Jugendlichen zum Jugendminister oder eines Pensionisten zum Seniorenminister verlangen. Die SPÖ hat nach Auffassung Dolinscheks trotz mehrerer Frauenministerinnen in der Frauenpolitik "nichts weitergebracht". Die heute eingebrachten Entschließungsanträge der SPÖ will seine Fraktion ihm zufolge ablehnen, wobei er auf geplante Gespräche des neuen Sozialministers mit den Sozialpartnern verwies.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) beklagte im Hinblick auf die Erklärung von Bundeskanzler Schüssel, Vorverurteilungen bzw. Vorurteile seien offenbar nur bestimmten Personen gestattet. Seiner Meinung nach fällt nämlich auch die Aussage von Justizminister Böhmdorfer, Haider sei über jeden Verdacht erhaben, unter diese Kategorie. Enttäuscht zeigte er sich außerdem über die Ablehnung eines Untersuchungsausschusses zur Spitzelaffäre durch die Koalition und wies darauf hin, dass das Argument, man wolle die Sprüche des Gerichts abwarten, in der Causa Euroteam keine Geltung gehabt hätte. "Das ist für uns nicht akzeptabel."

Abgeordneter KISS (V) stellte eingangs seiner Rede klar, dass jene fünf Namen, die Abgeordneter Pilz bei der letzten Nationalratssitzung im Zusammenhang mit der Datenmissbrauchsaffäre genannt hat, nicht in der Sitzung des so genannten Stapo-Ausschusses gefallen seien. Heftige Kritik übte er an SPÖ-Chef Gusenbauer. Dieser habe sich als Großmeister der Vorverurteilung und der Inquisition "aufgespielt" und Verdächtigungen und Mutmaßungen geäußert, ohne jedoch Fakten auf den Tisch zu legen. Kiss glaubt, die SPÖ wolle damit "vom Elend ihrer politischen Verantwortung" ablenken. Unter den letzten SPÖ-Innenministern seien "Dinge eingerissen, die eines Rechtsstaats nicht würdig sind".

Abgeordneter Dr. EINEM (S) äußerte "ernste Zweifel" daran, ob der neue Sozialminister Haupt der Richtige "für dieses Ressort, für diese Aufgabe, für die Menschen und insbesondere für die Frauen in diesem Land ist". Für ihn klinge es in Anbetracht des Frauenbildes der FPÖ bedrohlich, wenn Haupt sage, das weibliche Element in der Politik müsse gestärkt werden, erklärte er. Frauen seien keine Blumen, um die Politik freundlicher aussehen zu lassen, sie hätten vielmehr Anspruch darauf, ernst genommen zu werden. Die Abberufung von Sozialministerin Sickl wertete Einem als "Demontage" der einzigen Frau mit großen Fachaufgaben in der Regierung.

Justizminister Dr. BÖHMDORFER zeigte sich über die Vorwürfe gegenüber seiner Person empört. Die Verdächtigungen haben seiner Auffassung nach überhaupt keinen Hintergrund und keine Substanz. Die Opposition habe, so der Minister, eine "korrekte Berufsausübung" kriminalisiert, es sei nicht einmal theoretisch möglich, dass er einen Straftatbestand begangen haben könnte. Die Opposition solle einen einzigen von ihm vorgelegten illegalen Akt nennen, forderte er.

Was seine Weisungsbefugnisse betrifft, stellte Böhmdorfer erneut klar, dass er in die Untersuchungen nicht eingreifen werde, es sei denn, um die Sache zu beschleunigen. Die Opposition verschweigt ihm zufolge zudem, dass Weisungen schriftlich erteilt und gesetzeswidrige Weisungen nicht befolgt werden müssten. Seine Aussage, Haider sei über jeden Verdacht erhaben, will Böhmdorfer als persönliche Meinung verstanden wissen, die überhaupt keinen Einfluss auf die Untersuchungen habe. "Sie können nicht von mir verlangen, dass ich meine Zivilcourage über Bord werfe", sagte er im Hinblick auf seine Freundschaft mit Haider.

Zu einer Geschäftsordnungsdebatte führte die Ausführung Böhmdorfers, SPÖ-Klubobmann Gusenbauer sei psychisch-mental nicht in der Lage, sich für seine Verdächtigungen zu entschuldigen. Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) verlangte die sofortige Einberufung einer Präsidiale und wurde darin vom geschäftsführenden Klubobmann der SPÖ Dr. KOSTELKA unterstützt, der außerdem mit dem Argument, Polemik von der Regierungsbank widerspreche den Usancen, die Erteilung eines Ordnungsrufes für Böhmdorfer urgierte. FPÖ-Klubobmann Ing. WESTENTHALER sprach sich demgegenüber gegen eine sofortige Präsidiale aus, ÖVP-Klubobmann Dr. KHOL erinnerte daran, dass es allein dem vorsitzführenden Nationalratspräsidenten obliege, ob er einen Ordnungsruf erteile.

Der vorsitzführende Dritte Nationalratspräsident Dr. FASSLABEND kündigte an, das Thema gemeinsam mit mehreren anderen Punkten in der nächsten Präsidiale zu besprechen.

Abgeordneter Mag. SCHENDER (F) stellte fest, der einzige Kritikpunkt der Opposition gegen Haupt sei der Umstand, dass der neue Frauenminister ein Mann ist. SPÖ und Grüne würden damit zeigen, dass sie an einer sachlichen Politik nicht interessiert sind, folgerte der Redner.

Abgeordnete HAIDLMAYR (G) erinnerte Haupt an die FP-Forderungen nach Valorisierung des Pflegegeldes und Rücknahme der Taschengeldkürzungen bei Spitalsaufenthalten und brachte diese Punkte als Entschließungsantrag der Grünen ein.

Abgeordneter Mag. TANCSITS (V) erwartet sich von Haupt eine konsequente Fortsetzung der Familienpolitik und die Umsetzung des Kindergeldes für alle. Zur Debatte um Böhmdorfer hielt er fest, die Berufstätigkeit als Rechtsanwalt dürfe kein Ausschließungsgrund für das Amt eines Justizministers sein.

Abgeordnete Dr. MERTEL (S) fürchtet, dass unter dem neuen Minister Haupt die Interessen der Frauen und der modernen Familienpolitik auf der Strecke bleiben werden. Im übrigen untermauerte Mertel die heftige Kritik ihrer Fraktion an Justizminister Böhmdorfer.

Abgeordneter Dr. PUMBERGER (F) zeigte sich zuversichtlich, dass Haupt auch seine Aufgabe als Frauenminister meistern werde. An die Adresse der SPÖ gerichtet meinte der Redner, Barbara Prammer habe ihr Amt als Frauenministerin jahrelang verschlafen.

Abgeordnete REITSAMER (S) bemerkte, Haupt sei trotz seiner fachlichen Kompetenz keine Alternative. Er werde seine Ankündigungen betreffend Rücknahme der Härten nicht erfüllen können, ohne mit dem Regierungsprogramm in Konflikt zu geraten. In einem Entschließungsantrag forderte Reitsamer den Minister auf, die, wie sie sagte, unvertretbaren Verschlechterungen im Arbeitslosenversicherungsbereich zurückzunehmen.

Abgeordnete Mag. PECHER (V) setzte sich kritisch mit der Frauenpolitik der SPÖ auseinander und stellte fest, Prammer habe lediglich Marketing-Gags wie „Halbe-halbe“ oder das Frauenvolksbegehren zu bieten gehabt. Für die Frauen würden aber Massnahmen zählen, die ihre Situation und die ihrer Kinder verbessern.

Abgeordnete Dr. PITTERMANN (S) appellierte an Haupt, der Zerschlagung der Sozialversicherungen sowie der Entsolidarisierung und der Umverteilung von unten nach oben Einhalt zu gebieten. In einem Entschließungsantrag forderte sie zudem die Abschaffung der Ambulanzgebühren.

Abgeordneter STAFFANELLER (F) warf den Sozialdemokraten vor, dem neuen Sozialminister Haupt den Start ebenso schwer machen zu wollen wie seiner Vorgängerin Sickl, nunmehr mit dem Versuch, die Diskussion mit ihm auf das Frauenthema zu reduzieren. "Den einzigen Vorwurf, den Sie ihm gegenüber machen können ist, dass er keine Frau ist", sagte Staffaneller und zeigte sich überzeugt, Minister Haupt werde beweisen, dass "er mehr für die Frauen zusammenbringen wird als die sozialdemokratischen Frauenministerinnen zusammen".

Ein besonderes Anliegen Staffanellers ist die Durchleuchtung der Förderungsvorgänge im Sozialressort. Es gelte aufzuzeigen, dass Bundeskanzler Klima von Sozialministerin Hostasch verlangt habe, die Behindertenförderung einzustellen, um in einem Wahljahr sagen zu können, alle Jugendlichen haben eine Ausbildungsstelle.

Abgeordneter DOBNIGG (S) konfrontierte den neuen Sozialminister mit dessen Verantwortung für den Sozialabbau der blau-schwarzen Regierung, den er mitgetragen habe, statt vehement dagegen aufzutreten. Auch das Demokratieverständnis des neuen Ministers zog der Redner in Zweifel, zumal er die Abberufung seines Fraktionskollegen Fischl von allen Parteiämtern mit der Aussage begründet hätte, Fischl habe seine Kritik an den chaotischen Verhältnissen in der steirischen FPÖ öffentlich statt intern geäußert. Wenn die Koalition nun mit Minister Haupt in der Sozialpolitik "Nägel mit Köpfen" machen wolle, könne er dies nur als eine gefährliche Drohung verstehen, sagte Dobnigg und warnte insbesondere davor, das bewährte System der Sozialversicherungen zu zerschlagen.

In einem Entschließungsantrag seiner Fraktion verlangte der Abgeordnete, Lücken im System des Pflegegeldes zu schließen, das Pflegegeld zu valorisieren und die geltende Altersgrenze von drei Jahren zu beseitigen.

Abgeordneter Ing. SCHULTES (V) brach eine Lanze für die Praxis der gelebten Solidarität in den ländlichen Gemeinden und verlangte nachdrücklich, den Menschen, die sich für ein Leben auf dem Lande entschieden haben, Bedingungen zu geben, die es ihnen erlauben, in ihrem gewählten Lebensraum zu bleiben und dort für Alte, Kranke und sozial Bedürftige tätig einzustehen. Konkret forderte Schultes die Abgeordnetenkollegen und die Sozialpartner dazu auf, die Zuckermarktordnung als einen wichtigen Eckpfeiler der Agrarmarktordnung in Brüssel zu verteidigen und zu verhindern, dass die Gestaltung des Zuckerpreises einigen wenigen internationalen Spekulanten überlassen wird.

Abgeordnete STEIBL (V) unterstrich den engen Zusammenhang zwischen Familien- und Frauenpolitik und erinnerte daran, dass die Volkspartei bereits in der vergangenen Regierungskoalition dem damaligen Regierungspartner SPÖ zahlreiche familienpolitische Fortschritte, namentlich die Familiensteuerreform, abgerungen habe.

"Taten statt Worte" erwarte sie sich auch vom neuen Sozialminister, vor allem die rasche Umsetzung des Kinderbetreuungsgeldes, eine Intensivierung der Partner- und Elternbildung sowie gesetzliche Rahmenbedingungen für die Mediation. Weitere Anliegen Steibls bildeten Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zur Flexibilisierung der Arbeitszeit und zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen auf allen Ebenen bis hin zu einem Mindestlohn für Vollarbeitsplätze.

Abgeordneter Dr. TRINKL (V) nannte die Absicherung des Sozialsystems und die Erhöhung der Treffsicherheit als Ziele der neuen Bundesregierung, wo hingegen die Sozialdemokraten stets nur Beitragserhöhungen im Auge gehabt hätten. Bundesministerin Sickl habe mit ihren Reformschritten in der Pensionsversicherung und mit der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten gute Arbeit geleistet, wofür ihr Dank gebühre. Ihr Nachfolger Herbert Haupt sei ein kompetenter Mann mit Fachwissen und großem öffentlichen Ansehen. Er werde die gute Tradition im Sozialressort fortsetzen, zeigte sich Trinkl überzeugt und setzte auf Haupts Gesprächsfähigkeit in den Bereichen Arbeitslosenversicherung und Lohnnebenkosten.

Abgeordneter Dr. KRÜGER (F) bezeichnete den Misstrauensantrag gegen Justizminister Böhmdorfer als einen "Rohrkrepierer" und qualifizierte die Behauptung der Unvereinbarkeit als eine unredliche, da das, was Rechtsanwalt Böhmdorfer vor fünf Jahren getan habe, nicht strafbar sei und er deshalb nie vor einem Staatsanwalt stehen werde. Die Möglichkeit, als Zeuge aussagen zu müssen, führe nicht zu einer Unvereinbarkeit mit dem Ministeramt, sagte Krüger. Im übrigen zeigte sich der Abgeordnete verwundert über die Grünen, die fünf Jahre lang keine Anzeige gegen Dr. Böhmdorfer und keine Beschwerde bei der Rechtsanwaltskammer erhoben haben, jetzt aber von einem Skandal sprechen. Krüger verteidigte die Befugnisse der freien Anwaltschaft und unterstrich die Bedeutung einer unabhängigen, selbstbewussten Anwaltschaft als Säule der Demokratie. - Der Misstrauensantrag gegen Minister Böhmdorfer hat sich für Abgeordneten Krüger "wegen Substanzlosigkeit selbst aufgelöst".

Abgeordneter PISTOTNIG (F) forderte die Opposition dazu auf, ihre Politik des Hasses und des Neides aufzugeben und einen konstruktiven politischen Weg einzuschlagen, da sie nur so eine Chance hätten, bei künftigen Wahlen wieder das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Minister Haupt sei ein Top-Mann für das Sozialministerium, sagte Pistotnig und fügte hinzu, er werde auch für die Frauen mehr zu Stande bringen als viele Frauenministerinnen vor ihm geschafft hatten.

Abgeordnete Dr. PAPHAZY (F) bezeichnete es als Ziel der Opposition, "Demokratie und Rechtsstaat zu unterwandern". Verfassung und Rechtsordnung seien als fundamentale Werte zu verteidigen und dazu gehören Unschuldsvermutung, Datenschutz und eine unabhängige Justiz. Sie sei erschüttert, dass Medien und Opposition den Justizminister mit haltlosen Anschuldigungen an seiner Arbeit zu hindern versuchten. "Die Regierungskoalition wird sich der Diktatur des Anschwärzens und der Gewalt nicht beugen, sie wird ihre Politik im Interesse des Gemeinwohls fortsetzen und jede Anarchie verhindern", schloss Paphazy.

Abgeordneter Dr. KOSTELKA (S) erläuterte den heute eingebrachten Antrag seiner Fraktion auf Änderung des Staatsanwaltsgesetzes, der darauf abziele, die Berichtspflicht der Staatsanwälte an den Minister immer dann auf den Generalprokurator übergehen zu lassen, wenn der Justizminister selbst Gegenstand der Ermittlungen seiner Behörde ist.

"Wir wollen verhindern, dass der Anwalt der Verdächtigen zum Chef der Untersucher wird", sagte Kostelka und wies die Darstellung Böhmdorfers zurück, es sei in solchen Fällen für ihn als Minister nicht möglich, Informationen zu erhalten, Hausdurchsuchungen zu untersagen und Kontenöffnungen zu unterbinden. Eine solche Unvereinbarkeit auszuschließen, sei eine Selbstverständlichkeit in jedem Rechtsstaat, sagte Kostelka. Er mache sich "seine Gedanken darüber, dass sich der Justizminister gegen diesen Vorschlag zu Wehr setzt".

In einem Entschließungsantrag ersuchte der Abgeordnete dann den Innenminister, gemäß dessen eigenen Ankündigungen die Namen der bespitzelten Personen dem Nationalrat mitzuteilen, nachdem er dafür die Erlaubnis der Betroffenen eingeholt habe.

Die Koalitionsparteien seien heute auf die Unschuldsvermutung gestützt durch diese Debatte gehumpelt, sagte Kostelka. Die SPÖ verlange, Schaden von der Justiz abzuwenden. "Entziehen Sie sich nicht mit nebulosen Behauptungen ihrer Verantwortung", schloss Klubobmann Dr. Kostelka.

Abgeordneter Dr. PILZ (G) erinnerte nochmals an den EU-Weisenbericht, in dem der Justizminister kritisch erwähnt wurde. Damals hatten allerdings die drei Weisen noch gar nicht gewusst, dass "Böhmdorfer der Vertrauensanwalt des illegalen freiheitlichen Spitzelringes" sei.

Justizminister Dr. BÖHMDORFER stellte in Richtung Kostelka klar, dass es ein Unterschied sei, ob man einen Akt habe, oder ihn zur Beischaffung beantrage, was eine ganz legale Vorgangsweise sei.

SP-Klubobmann Kostelka habe abermals in die unterste Schublade gegriffen und die Unwahrheit gesagt, kritisierte Abgeordneter Ing. WESTENTHALER (F). Denn es sei nicht richtig, dass gegen Justizminister Böhmdorfer Ermittlungen laufen bzw. dass im Ministerium Telefone nach Schlüsselwörtern abgehört werden. Vorerhebungen wurden jedoch gegen sozialistische Funktionäre wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch im Zusammenhang mit der Spitzelaffäre eingeleitet, erklärte Westenthaler.

Die FPÖ habe heute ein Musterbeispiel ihres Demokratie- und Politikverständnisses abgegeben, meinte Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S). Mit keinem einzigen Wort wurde nämlich erwähnt, dass gegen wesentliche Spitzenfunktionäre der FPÖ Vorerhebungen durch die Staatsanwaltschaft eingeleitet wurden.

In einer tatsächlichen Berichtigung hielt Abgeordneter KISS (V) fest, dass er nicht von einem Mitarbeiter des Innenministeriums sondern von einem hochrangigen SPÖ-Mitglied den von Dr. Einem angesprochenen gesetzeswidrigen Weisungsakt erhalten habe.

Bei der Abstimmung verfielen alle Entschliessungsanträge der Opposition der Ablehnung.

KURZE DEBATTE UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS

Abgeordneter Dr. PILZ (G) plädierte für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend die illegale Weitergabe von Daten aus dem Ressortbereich des Innenministers. Sodann erinnerte Pilz an die Sondersitzung vom 5. Juli 1995, in der Jörg Haider von Vergehen von Scheinasylanten berichtet hat. Dabei zitierte er aus Geheimakten des Innenministeriums. Interessant sei in diesem Zusammenhang, dass sich Haider kurz davor im FPÖ-Klub mit zwei Beamten der Wiener Polizei getroffen hat, wobei einer noch immer Landtagsabgeordneter in Wien sei.

Abgeordneter Dr. CAP (S) konnte den Widerstand der FPÖ gegen einen Untersuchungsausschuss nicht verstehen, der aufgrund der öffentlichen Debatte und der Schwere der Vorwürfe nicht mehr zu verhindern sei. Es gehöre "Licht ins Dunkel", forderte Cap, um jenes Spitzel- und Überwachungssystem aufzudecken, das von Kleindienst in seinem Buch beschrieben wurde.

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) zeigte sich verwundert darüber, dass die freiheitlichen Politiker nicht das Spiel der ÖVP durchschauten. Klasnic und Görg machen nämlich perfekte Politik auf dem Rücken der FPÖ, urteilte der Redner. Schon aus eigenem Interesse sollten daher die Freiheitlichen der Einsetzung eines Untersuchungsausschuss zustimmen.

Abgeordneter Dr. GRAF (F) rechnete dem Abgeordnetem Pilz vor, dass sein Beispiel mit dem Kilometergeld nicht richtig sei. Den Grünen gehe es anscheinend nur darum, "irgend jemanden anzuschütten", kritisierte Graf.

Niemand in diesem Hohen Haus behaupte, dass Datenmissbrauch eine Kleinigkeit sei, konstatierte Abgeordneter LOOS (V), aber von einer Staats- oder Regierungskrise könne keine Rede sein. Der Innenminister habe rasch reagiert und sofort eine Sonderkommission eingesetzt, die weisungsfrei gestellt sei und der alle finanziellen, personellen und technischen Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) wies Abgeordneten Graf daraufhin, dass das Kilometergeld im Jahre 1999 4,90 S betragen habe. Auch er kam auf die Kontakte von Haider mit Polizeibeamten zu sprechen und meinte, man müsse sich fragen, von wem der FPÖ-Chef seine Informationen erhalten habe.

Die beiden Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungsausschuss fanden keine Mehrheit.

(Schluss)